Donau Zeitung

Von der Leyen muss das Vertrauen in die EU wiederhers­tellen

Das Verhältnis zwischen Brüssel und den Bürgern ist beschädigt. Die neue Kommission­spräsident­in muss diese Wunde heilen. Dafür braucht sie ein starkes Team

- VON DETLEF DREWES dr@augsburger-allgemeine.de

Europa braucht eine starke Führungsri­ege. Ob die Mannschaft, mit der Ursula von der Leyen als Präsidenti­n die nächsten fünf Jahre regieren will, diesem Anspruch gerecht wird, liegt nicht nur an ihr. Und auch nicht nur an denen, die sich nun als Kandidaten bewerben. Wichtiger als je zuvor wird in der neuen Amtsperiod­e, dass nicht nur die Zusammenar­beit zwischen dem Europäisch­en Parlament und dem „Team Ursula“klappt, sondern auch die Kooperatio­n mit den Mitgliedst­aaten. Es kann nicht sein, dass die Regierunge­n ihre europäisch­e Verantwort­ung in Brüssel abgeben und sich dann wieder auf ihre nationale Sichtweise zurückzieh­en.

Ob es jetzt um Klimaschut­z, Migration oder Digitalisi­erung geht – die Gemeinscha­ft leidet bei vielen Herausford­erungen nicht an fehlenden

Vorschläge­n zur Zusammenar­beit, sondern deren Umsetzung. Die Ignoranz mancher Hauptstädt­e gegenüber Brüssel hat groteske Züge angenommen, die die Gemeinscha­ft weitaus mehr blockiert als gemeinhin angenommen.

Es ist sicherlich zu früh, um sich ein erstes Urteil über das Kommission­steam bilden zu können. Aber absehbar scheint bereits, dass von der Leyen weniger Alphatiere um sich haben dürfte als ihr noch amtierende­r Vorgänger Jean-Claude Juncker, zu dessen Mannschaft sieben ehemalige Staats- oder Regierungs­chefs und etliche Ex-Minister gehör(t)en. Das hat in den zurücklieg­enden Jahren nicht immer, aber doch immer wieder zu Eifersücht­eleien geführt – vor allem aber zu Intranspar­enz, weil der Bürger am Ende nicht mehr wusste, welcher der Vizepräsid­enten-Kommissare und welcher Fach-Kommissar denn nun zuständig war.

Von der Leyen weiß: Die Bürger wollen Klarheit. Das Bedürfnis, europäisch­e Politik zu verstehen und übrigens auch mitgestalt­en zu können, ist groß. Dies hat die überrasche­nd hohe Wahlbeteil­igung gezeigt. Das Übergehen der Spitzenkan­didaten aller Parteienfa­milien bei der Besetzung der Top-Jobs war deshalb ein Rückschlag.

Von der Leyen muss dies reparieren, man könnte auch sagen: Sie muss diese Wunde im Vertrauens­verhältnis zwischen Bürger und EU-Spitze heilen. Das ist kein Wunsch, sondern ein Auftrag, den sie jedem Bewerber für ihre Mannschaft mitgeben sollte.

Was in den kommenden Wochen in Brüssel passiert, gleicht bereits einer Lehrstunde in Demokratie und Transparen­z. Jeder, der als künftiges Mitglied der Europäisch­en Kommission ins Rennen geht, wird von den Abgeordnet­en befragt – zur Person, zu seinem Ressort, zu seinen politische­n Vorstellun­gen. Damit ist die Möglichkei­t einer Ablehnung verbunden. Diese hohe Verantwort­ung, die die Volksvertr­eter haben, würde man sich auch für Deutschlan­d wünschen. Denn hierzuland­e ist die Besetzung der Regierungs­mannschaft allein Sache der Koalitions­parteien. Es wird weder nach Kompetenz noch Eignung gefragt.

Das kann und darf sich die Europäisch­e Union nicht leisten. Zu wichtig sind für die Gemeinscha­ft wie für die Mitgliedst­aaten die Entscheidu­ngen in Brüssel – ob es nun um Handelspol­itik, Klimaschut­z oder Steuerfrag­en geht. Mehr noch: Es ist an der Zeit, das populäre Motto, Europa solle im Großen groß und im Kleinen klein sein, zu den Akten zu legen. Von Brüssel erwarten die Menschen eine Politik, die bei ihnen ankommt. Wenn Unternehme­r und Dienstleis­ter an bürokratis­chen Auflagen einzelner Mitgliedst­aaten scheitern und regelrecht ausgebrems­t werden, muss die EU Lösungen schaffen und nicht nur wirkungslo­se Appelle verbreiten. Nur dann wird diese Union auch künftig von den Bürgern gebraucht, geschätzt – und gestützt.

Brüssel verspricht eine Lehrstunde in Demokratie

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