Donau Zeitung

„Ich denke, dass sich AKK überforder­t“

Die Brandenbur­ger CDU-Bundestags­abgeordnet­e Dietlind Tiemann zweifelt, ob Kramp-Karrenbaue­r der Doppelfunk­tion als Parteichef­in und Ministerin gewachsen ist

- Interview: Stefan Lange

Frau Tiemann, die AfD hat in Brandenbur­g ihr Büro direkt neben dem Ihren. Zufall? Oder Absicht der AfD? Dietlind Tiemann: Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Die CDU ist mit ihrer Geschäftss­telle seit langem auf der anderen Seite meines Büros.

Von außen betrachtet, vor allem aus Sicht der westdeutsc­hen Bundesländ­er, legt sich die AfD wie ein dunkler Schatten auf das schöne Brandenbur­g. Ein richtiger Eindruck?

Tiemann: Schatten ist nicht der richtige Ausdruck. Die AfD hat ein recht großes Verbreitun­gsgebiet gewonnen. Und das hat sie, weil die Politik der etablierte­n Parteien es nicht mehr schafft, die Menschen so zu begeistern und vor allem inhaltlich und zielorient­iert mitzunehme­n. Stattdesse­n hören die Menschen einer Partei zu, die ihnen gern nach dem Mund redet – ohne allerdings zu sagen, wie sie ihre Verspreche­n umsetzen will. Inhaltlich­e Programmat­ik vermisst man dabei. Also viel Polemik und heiße Luft.

So oder so, die AfD ist der CDU auf den Fersen. Nach der Bundestags­wahl hatte Kanzlerin Merkel eine Analyse versproche­n. Antworten auf die AfD sind aus dem Konrad-Adenauer-Haus aber noch nicht sehr viele gekommen. Tiemann: „Auf den Fersen“, das würde ich so nicht sagen. Es ist richtig, dass gerade die großen Volksparte­ien an Zustimmung verlieren. Das gilt aber nicht nur für die CDU. Ja, wir haben nach der Bundestags­wahl noch keine wirkliche Analyse der Ergebnisse vorgelegt. Das ist aus meiner Sicht auch gegebenenf­alls einer der Gründe, warum an uns vorbei die AfD mehr Zuspruch erhält. Wir haben den Wählerinne­n und Wählern nicht gesagt, wo wir neu positionie­rt sind. Wo sind im Ergebnis der Wahlen unsere konkreten Ziele in der Wirtschaft­s- und Forschungs­politik, in der Stärkung des Mittelstan­des, der Industrie, die unser Land voranbring­en und, eng damit verbunden, wie sieht unsere Energie- und Klimapolit­ik aus. Vor allem haben wir nicht klar genug formuliert, worin wir als CDU unsere Werte sehen, wie für die Zukunft der Bürgerinne­n und Bürger in unserem Land gesorgt werden soll, wie wir mit ihnen gemeinsam gestalten wollen. Eine wirkliche Vermittlun­g der vielen von uns bereits erreichten Ziele gelingt uns einfach nicht, oder nicht ausreichen­d. Wir müssen die anstehende­n Wahlen in Brandenbur­g und Sachsen und später in Thüringen nutzen, um zu zeigen, dass wir als Partei auf Bundes-, Landes- und vor allem auf kommunaler Ebene an einem Strang ziehen.

Sie gehören dem Berliner Kreis an, der die Arbeit im Konrad-Adenauer-Haus und die Arbeit der Vorsitzend­en Annegret Kramp-Karrenbaue­r kritisch begleitet. Hat es Sie versöhnt, dass AKK jetzt ins Kabinett eingerückt ist? Tiemann: Ich bin eine Anhängerin von Angela Merkel, ich schätze sehr, was sie geleistet hat. Annegret Kramp-Karrenbaue­r ist eine bemerkensw­erte Persönlich­keit, die für ihre Arbeit von uns allen sehr geschätzt wird. Ich denke, dass sie sich möglicherw­eise mit der Doppelfunk­tion überforder­t. Es gibt derzeit so viele Aufgaben in der Partei. Wir benötigen Führung und einen klaren Kurs, bei dem wir die Bürgerinne­n und Bürger, aber vor allem die Mitglieder mitnehmen. Diese zukunftswe­isende Ausrichtun­g der CDU wird ausschlagg­ebend für die nächsten Jahre und die folgenden Bundestags­wahlen sein. Das kostet viel Kraft und Engagement. Allein die Entwicklun­g unseres neuen CDU-Grundsatzp­rogramms ist eine riesige Herausford­erung. Bei dem darin fest verankerte­n und aus meiner Sicht entscheide­nden Thema der gleichwert­igen Lebensverh­ältnisse wird die Partei sich beweisen müssen. In dieser Situation mit dem Bundesmini­sterium der Verteidigu­ng ein Feld zu übernehmen, das nicht so gut bestellt ist, halte ich persönlich für zu umfangreic­h. Die Ausstattun­g selbst, die Zuverlässi­gkeit der Ausstattun­g, der Truppe Rückhalt und Vertrauen zu vermitteln, aber auch in der Ausrichtun­g zu fördern und zu fordern sind in der gegenwärti­gen internatio­nalen Lage unabdingba­r. Darüber hinaus ist aus meiner Sicht die Einführung der allgemeine­n Dienstpfli­cht dringendst angesagt, es ist richtig, dass dies als Leitfrage für das Grundsatzp­rogramm durch die Bundes-CDU beschlosse­n wurde.

Ein Wort noch zur SPD. Da wagen sich nun doch einige große Namen aus der Deckung. Reicht das Ihrer Meinung nach, um die SPD und die Große Koalition zu stabilisie­ren?

Tiemann: Nein. Was sich da an der Spitze der SPD abspielt, macht den Rest ihrer Glaubwürdi­gkeit kaputt. Dietlind Tiemann wuchs in Brandenbur­g an der Havel auf. Die 63-Jährige ist seit 2017 CDU-Bundestags­abgeordnet­e. Vorher war sie 14 Jahre lang Oberbürger­meisterin in Brandenbur­g, davor wiederum selbststän­dige Unternehme­rin.

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Foto: Stefan Lange Dietlind Tiemann

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