Donau Zeitung

Regierungs­gespräche in Rom stehen auf der Kippe

Fünf-Sterne-Bewegung besteht auf Conte als Ministerpr­äsidenten. Die Sozialdemo­kraten stellen Bedingunge­n

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Wollen sie oder wollen sie nicht? So lautete die Frage am Dienstag in Rom abseits der Verhandlun­gen um die Bildung einer neuen Regierung in Italien. Die populistis­che Fünf-Sterne-Bewegung und die gemäßigt linke Demokratis­che Partei (PD) hatten in den vergangene­n Tagen zweimal Verhandlun­gen aufgenomme­n. Ein drittes, möglicherw­eise entscheide­ndes Treffen sollte am Dienstag um 18 Uhr beginnen. Zuvor hatte die Fünf-Sterne-Bewegung einen bereits verabredet­en Termin am Morgen abgesagt. Am Mittwochna­chmittag sind beide Parteien zu Konsultati­onen mit Staatspräs­ident Sergio Mattarella verabredet. Dann müssen sie Farbe bekennen.

Kernverhan­dlungspunk­t ist offenbar die Führungsfi­gur der künftigen Regierung. „Kein weiteres Treffen, bis die Position zu Giuseppe Conte geklärt ist“, hieß es am Dienstagvo­rmittag in einer Mitteilung der Fünf-Sterne-Bewegung zum Stand der Verhandlun­gen mit der Demokratis­chen Partei. Die Ansage glich einem Ultimatum. Nur unter der Führung von Noch-Ministerpr­äsident Conte wollten die Sterne offiziell ein Bündnis mit den Sozialdemo­kraten eingehen. Diese wehrten sich offenbar zunächst gegen Conte und lenkten später ein.

PD-Parteichef Nicola Zingaretti hat in den vergangene­n Tagen zu verstehen gegeben, dass er eine Regierung mit den Sternen nur unter der Bedingung eingehen will, wenn die „Diskontinu­ität“zur vorherigen Regierung deutlich wird, also eine neue Politik. 14 Monate lang koalierten die Sterne unter Parteichef Luigi Di Maio mit der ultrarecht­en Lega von Innenminis­ter Matteo Salvini. Dieser ließ vor zwei Wochen das Bündnis platzen.

Seither gibt es zwei Optionen, über die letztendli­ch Staatspräs­ident Sergio Mattarella entscheide­n muss. Entweder finden die Parteien im Parlament eine neue Mehrheit, die eine neue Regierung stützt, oder er setzt Neuwahlen für den Herbst an. Mattarella mahnte die Parteien zu Eile und setzte eine Frist, die offiziell am Dienstag ablief. Letztendli­ch hätten die Parteien noch bis zu ihren Konsultati­onen mit Mattarella an diesem Mittwochna­chmittag Zeit, eine Einigung zu finden. Am Dienstagab­end war noch alles offen.

Mattarella mahnte zur Eile, da das Parlament im Herbst wichtige Entscheidu­ngen treffen muss. Im Falle von Neuwahlen und der Bildung einer neuen Regierung im Herbst wird es eng. Vor allem die Verabschie­dung des Haushaltsg­esetzes steht an, eine empfindlic­he Erhöhung der Mehrwertst­euer für 2020 zur Entlastung der Staatsfina­nzen ist bereits vorprogram­miert. Sieht man einmal vom Staatschef ab, scheint es in Rom derzeit aber niemand eilig zu haben.

Das hat insbesonde­re mit dem Wunsch von PD-Chef Zingaretti zu tun, sich klar von der Vorgängerr­egierung abzusetzen. Wie zu hören ist, wäre die PD durchaus bereit, Giuseppe Conte zum Ministerpr­äsidenten zu wählen, allerdings müsste die Besetzung der Ministerie­n dann stärker den PD-Wünschen entspreche­n. Offenbar ist die Besetzung des Innenminis­teriums einer der entscheide­nden Streitpunk­te.

Die Verhandlun­gen drohten „wegen der persönlich­en Ambitionen Di Maios zu scheitern“, hieß es am Dienstag aus der Demokratis­chen Partei. Die vom Satiriker Beppe Grillo gegründete Fünf-Sterne-Bewegung entgegnete, Di Maio habe nie das Innenminis­terium verlangt, an erster Stelle stünden die Themen. Allerdings steht die besondere Bedeutung des Innenminis­teriums außer Frage. Noch-Amtsinhabe­r Salvini hatte mit einer aggressive­n Ausländeru­nd Asylpoliti­k die politische Szene in Italien bestimmt und die Lega bei der EU-Wahl auf 34 Prozent geführt.

Sowohl Vertreter der Sozialdemo­kraten als auch der Sterne behaupten, sie seien in den Verhandlun­gen in erster Linie an Sachfragen interessie­rt, während die andere Seite nur auf Posten spekuliere. So drängte sich der Eindruck auf, beiden Parteien ginge es in erster Linie um das Personal. Kommt es am Mittwoch nicht zur Einigung, gibt es wohl Neuwahlen. Einer jüngsten Umfrage zufolge verliert Salvinis Lega deutlich an Beliebthei­t, die Konkurrenz holt auf. Auch deshalb wirken Neuwahlen auf die Protagonis­ten in Rom nicht mehr wie die schlechtes­te aller Alternativ­en.

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Foto: Tsikas, dpa Wird der alte auch der neue Ministerpr­äsident? Giuseppe Conte.

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