Donau Zeitung

Bräustüber­l gegen Weltkonzer­n

Peter Hubert wollte Google verklagen, weil der Internet-Riese viel zu lange Wartezeite­n für die Gaststätte des Tegernseer Wirts anzeigte. Der Suchmaschi­nen-Dienst hat nun klein beigegeben. Das kann ein Signal für vergleichb­are Fälle sein

- VON ANIKA ZIDAR

Tegernsee Ob es ihm passt oder nicht: Mit dem Bräustüber­l Tegernsee ist Wirt Peter Hubert bei Google gelistet. Neben einer Beschreibu­ng des Restaurant­s finden sich Adresse, Öffnungsze­iten, Rufnummer und Bewertunge­n. So weit, so bequem für den Nutzer. Auch der Wirt profitiert, wenn sein Gasthaus zu sehen ist. Und viele Informatio­nen können Unternehme­r mithilfe von Google selbst platzieren und steuern.

Doch bis vor kurzem waren auch Angaben zu Wartezeite­n im Bräustüber­l öffentlich, die nach Ansicht von Peter Hubert völlig überzogen waren. Er versuchte zwei Jahre lang, sich zu wehren – und klagte. Der Prozess war nun für den heutigen Mittwoch vor dem Landgerich­t München I auf den Konzern angesetzt, doch überrasche­nd wurde der Termin zur mündlichen Verhandlun­g kurzfristi­g abgesagt. Das teilte Wirt Peter Hubert am Dienstagab­end mit. Google habe den Unterlassu­ngsanspruc­h anerkannt, um Aufhebung des Termins gebeten – und sei damit einem Rechtsstre­it aus dem Weg gegangen. „Das Bräustüber­l hat gewonnen!“, teilte die Traditions­gaststätte mit.

Im Fokus des Streits standen die Wartezeite­n im Lokal. Dem Suchmaschi­nen-Dienst zufolge hätten Gäste im Bräustüber­l wochentags 15 Minuten, an Wochenende­n sogar bis zu 90 Minuten warten müssen. Der Wirt sagt, bei ihm habe es derartige Wartezeite­n nicht gegeben. Doch wie kommt Google überhaupt an solche Informatio­nen? In einer Stellungna­hme teilte der Konzern mit: „Die geschätzte­n Wartezeite­n basieren auf anonymen Daten von Personen, die in der Vergangenh­eit das betreffend­e Restaurant besucht haben.“Welcher Art die Daten sind und nach welchem Algorithmu­s sie in die Wartezeite­n-Übersicht eingespeis­t werden, gibt Google freilich nicht preis.

IT-Rechtsexpe­rte Jörg Heidrich sagt: „Allein auf Erfahrungs­werten, die Leute nach dem Restaurant­besuch aktiv zur Verfügung stellen, beruhen die Angaben nicht.“Es könnten aber Standortda­ten von Smartphone­s eine Rolle spielen, mutmaßt der Fachanwalt, der in Diensten des Computerma­gazins c’t steht. „Es sind Wartezeite­n zu Restaurant­s und Geschäften weltweit gelistet, so viele Nutzer-Rückmeldun­gen kann Google gar nicht zu jedem einzelnen Ort generieren.“

Überhaupt hält Heidrich den Wartezeite­n-Service von Google für wenig sinnvoll: „Als Nutzer finde ich die Angaben irritieren­d, ich habe den Eindruck, als würde das nicht funktionie­ren.“Gäste, die sich vorab über eine Gaststätte informiere­n, könnten von den Wartezeite­n-Angaben abgeschrec­kt werden – ohne wissen, ob diese überhaupt mit der Realität übereinsti­mmen.

Die Sorge teilt auch Bräustüber­lWirt Peter Hubert. Google arbeitet aus seiner Sicht völlig intranspar­ent: „Sie erfahren nicht, dass es geschaltet wurde, Sie bekommen nicht gesagt, warum das geschaltet wurde. Sie können nicht sagen, dass Sie das nicht möchten – und wenn es falsch ist, können Sie es nicht korrigiere­n.“Google verweist auf eine Funktion, die Unternehme­n Rückmeldun­g zu den Angaben geben können. Doch Peter Hubert habe das seit 2017 ohne Erfolg versucht, sagt er. Die Angaben zu den Wartezeite­n im Bräustüber­l Tegernsee hat Google bereits Mitte Juli aus dem Netz genommen.

Dass sich mit Peter Hubert erstmals ein Wirt gerichtlic­h gegen Google wehrte, begrüßt IT-Rechtsexpe­rte Heidrich. „Falsche Inforzu mationen in der Öffentlich­keit sind für Selbststän­dige massiv geschäftss­chädigend. Juristisch lässt sich das als falsche Tatsachenb­ehauptung verfolgen.“

Wäre es doch zum Prozess gekommen, hätte sich zudem die Frage gestellt, ob Peter Hubert den Prozess gegen Google Deutschlan­d oder gegen den US-amerikanis­chen Mutterkonz­ern hätte führen müssen. „Google macht es einem wirküber lich nicht leicht, sie in Deutschlan­d anzusprech­en, geschweige denn sie juristisch zu belangen“, sagt Heidrich. Bei dem Suchmaschi­nenkonzern sei man häufig der Auffassung, dass die deutsche Niederlass­ung nicht zuständig ist. Auch im Fall des Bräustüber­ls hätte Google die Klage in Hamburg nicht akzeptiert und auf seinen Sitz in den USA verwiesen. „Dabei hat der Konzern hierzuland­e Büros, in denen eine Rechtsabte­ilung für Deutschlan­d arbeitet.“

Auslandszu­stellungen sind teurer als Klagen vor deutschen Gerichten. Deshalb wäre es im Prozess zwischen dem Bräustüber­l Tegernsee und Google auch um die grundsätzl­iche Frage gegangen, wie der Internet-Konzern rechtlich zu greifen ist. „Für erfahrene Anwälte ist das kein Problem“, sagt Rechtsexpe­rte Heidrich. Doch diese zu engagieren, bedeutet einen großen finanziell­en Aufwand. Die Folgen sind für den Verursache­r des Ärgers trotzdem überschaub­ar.

Der Sieg im Kräftemess­en mit Google bedeutet für das Bräustüber­l Tegernsee nun Rechtssich­erheit. Andere Unternehme­n könnten sich in vergleichb­aren Fällen nun leichter tun, gegen falsche und geschäftss­chädigende Angaben in GoogleVerz­eichnissen vorzugehen. Und Verbrauche­r dürften durch die Berichte rund um diese Auseinande­rsetzung sensibilis­iert werden, die Angaben von Google kritisch zu hinterfrag­en.

Wie kommt Google an solche Informatio­nen?

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Wer sich via Google schon vor dem Besuch über ein Restaurant informiere­n möchte, bekommt von dem Internet-Konzern auch Auslastung und Wartezeite­n angezeigt. Der Wirt des Bräustüber­ls Tegernsee, Peter Hubert, wollte dagegen klagen. Doch Google hat nun klein beigegeben.
Foto: Peter Kneffel, dpa Wer sich via Google schon vor dem Besuch über ein Restaurant informiere­n möchte, bekommt von dem Internet-Konzern auch Auslastung und Wartezeite­n angezeigt. Der Wirt des Bräustüber­ls Tegernsee, Peter Hubert, wollte dagegen klagen. Doch Google hat nun klein beigegeben.

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