Mitschuld an der Kuh-Attacke?
Ein Bauer in Österreich sollte viel Geld zahlen, weil seine Kuh eine Wanderin getötet hatte. Doch nun kippt ein Gericht das Urteil
Innsbruck Fünf Jahre nach der tödlichen Kuh-Attacke auf eine 45-jährige deutsche Wanderin hat das Oberlandesgericht Innsbruck ein Urteil der Vorinstanz teilweise korrigiert. Das OLG sehe nicht die volle Schuld beim Bauern, sondern gehe von einer 50-prozentigen Mitschuld des Opfers aus, erklärte OLG-Vizepräsident Wigbert Zimmermann. Dies bedeute, dass dem Ehemann und dem Sohn des Opfers die Ansprüche um 50 Prozent gekürzt würden. Dem Witwer stünden somit rund 54000 Euro und eine monatliche Rente von 600 Euro zu. Der Sohn bekomme rund 24000 Euro sowie eine Rente in Höhe von 180 Euro.
Das Gericht ließ eine außerordentliche Revision zum Obersten Gerichtshof (OGH) zu. Der Anwalt des Landwirts kündigte an, diesen Weg zu beschreiten. Es gebe ein Grundsatzurteil des OGH von 2007, das in einem vergleichbaren Fall eine Zaunpflicht zwischen Weide und Wanderweg verneine, sagte Rechtsanwalt Ewald Jenewein. Es sei für seinen Mandanten überhaupt nicht vorhersehbar gewesen, dass sein eindeutiges Warnschild einfach missachtet werde.
Im Februar hatte das Landgericht Innsbruck in einem Zivilprozess den beiden Hinterbliebenen der Frau aus Rheinland-Pfalz hohen Schadenersatz zugesprochen. Das Urteil hatte unter den Almbauern zu großer Verunsicherung geführt. Es folgte auch eine Debatte über die Eigenverantwortung von Wanderern.
Die Hundehalterin aus Bad Dürkheim war im Sommer 2014 im Tiroler Stubaital von der Kuhherde, die offenbar die Kälber vor dem Hund schützen wollte, zu Tode getrampelt worden. In dem OLG-Urteil wird betont, dass die Wanderin völlig sorglos gehandelt habe. Die Touristin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde und damit zwingend auch für die Menschen, die diese Hunde führen, darstellten. Sie habe auch nicht das vom Bauern aufgestellte Warnschild beachtet. Vielmehr sei sie in einem Abstand von nur ein bis zwei Metern an den nächststehenden Kühen vorbeigegangen. „Diese Vorgehensweise der Touristin ist als Sorglosigkeit zu werten und begründet damit ein maßgebliches Mitverschulden.“
Dennoch treffe den Bauern auch eine Mitschuld. Er hätte die Weide zum besonders frequentierten Wanderweg zumindest auf einer Länge von 500 Metern abzäunen müssen, „um die von seinen Tieren ausgehende Gefahr für nichts ahnende Wanderer mit Hunden zumindest maßgeblich zu verringern, wenn nicht sogar auszuschließen“.
Österreich hatte nach dem Unfall zehn Regeln für Wanderer, die auf Almen mit Weidebetrieb unterwegs sind, aufgestellt. Dazu gehört das Anleinen von Hunden oder – im Fall einer Kuh-Attacke – deren sofortiges Loslassen, das deutliche Umgehen einer Herde sowie der einzuhaltende Abstand besonders zu Kälbern.