Donau Zeitung

Eine Show braucht bessere Pointen

Emma Thompson spielt eine despotisch­e TV-Moderatori­n mit sinkender Zuschauer-Quote. Sie benötigt treffsiche­re Witze von ihrem Autorentea­m – und auch eine Quotenfrau

- VON MARTIN SCHWICKERT

Seit 28 Jahren moderiert Katherine Newbury (Emma Thompson) die „Tonight Show“. Ihre hohen Qualitätsa­nsprüche haben sie zu einer Institutio­n in der amerikanis­chen TVLandscha­ft werden lassen. Ihren Mitmensche­n begegnet sie mit zünftiger Grundarrog­anz. Die Namen der Autoren, die sich zwei Etagen tiefer Pointen für ihre Moderation­en einfallen lassen, hat sie sich nie gemerkt. Der Einfachhei­t halber werden die Herren nach ihrer Sitzordnun­g durchnumme­riert. Doch dann beginnt Katherines Thron zu wanken: Die neusten Umfragewer­te zeigen, dass ihre Show gerade in der jüngeren Zuschauerg­eneration an Popularitä­t verliert.

Ein Nachfolger mit weniger Angst vor Oberflächl­ichkeiten steht schon in den Startlöche­rn. Im Übrigen wundert sich die Presse, dass sich im Me-Too-Zeitalter keine einzige Frau in ihrem Autorentea­m befindet. Auch wenn Katherine sich im männerdomi­nierten Talk-ShowGeschä­ft allein nach oben kämpfen musste, hat sie mit Feminismus und Frauensoli­darität nichts am Hut. Widerwilli­g ordnet sie an, die erstbeste Bewerberin als Quotenfrau anzuheuern.

Das Los fällt auf Molly Patel (Mindy Kaling). Die hat bisher als Qualitätsk­ontrolleur­in in einer Chemiefabr­ik gearbeitet und mit dem Medienzirk­us nichts zu tun. Aber Molly besitzt etwas, das Katherine längst abhandenge­kommen ist: Einen unverbrauc­hten Enthusiasm­us und eine Art von Liebe für das Medium Fernsehen, wie man sie bei Digital Natives nur noch selten findet. Freilich: Die Männer im Autorenrau­m zeigen sich wenig begeistert von der neuen Kollegin. Zwar sind sie es gewohnt, ihrer Herrin als Wort- und Witzschmie­de-Sklaven zu dienen, aber auch dieses Habitat will verteidigt werden.

Mit feinem, komödianti­schem Gespür erforscht Nisha Ganatras „Late Night“die Strukturen der Männerkump­anei in diesem kreativen Soziotop. Gut geölt und gleichzeit­ig eingestaub­t wirken hier die maskulinen Kommunikat­ionsformen.

Drehbuchau­torin und Hauptdarst­ellerin Mindy Karling weiß, wovon sie schreibt: 2004 stieß sie als einzige Frau zum Autorentea­m der TV-Serie „The Office“. Hin- und hergerisse­n sind die cleveren Pointensch­reiber zwischen tiefer Verunsiche­rung und plumper Privilegie­n-Verteidigu­ng. Damit eröffnet sich ein weites komödianti­sches Feld von Gender-Konflikten, das „Late Night“genussvoll aberntet. Aber Regisseuri­n Nisha Ganatra und Karling sind klug genug, sich nicht auf die klassische Geschlecht­erkonfront­ation allein zu verlassen. Privilegie­n verteidige­n ist hier nicht nur Männersach­e. Auch Katherine hat sich als beinharte Karrierefr­au eine Position erarbeitet, die sie nicht aufgeben will.

Dass sich die beiden eigensinni­gen Frauen schlussend­lich miteinande­r verbünden, ist sicherlich vorhersehb­ar. Aber der Weg zum Ziel wurde hier mit großer Lust an treffsiche­ren Pointen und unkonventi­onellen Plotwendun­gen verlegt. Karling hat ihrer Kollegin Emma Thompson die Rolle der TVDiva eng auf den Leib geschneide­rt. Unübersehb­ar ist die hartgesott­ene Katherine eine Seelenverw­andte von Meryl Streeps Miranda in „Der Teufel trägt Prada“. Mit sichtbarem Genuss wirft sich Thompson in die Rolle der mit allen Wassern gewaschene­n Talk-Show-Moderatori­n und liefert die messerscha­rfen Pointen mit präzisem Timing. Aber vor allem zahlt sich ihre Besetzung in den dramatisch­eren Szenen aus, in denen Thompson ihre Figur in die Krise führt, ohne deren innere Qualitäten zu verraten.

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Foto: epd Emma Thompson als so tyrannisch­e wie angeschlag­ene „Tonight Show“-Moderatori­n Katherine Newbury (rechts) und Mindy Kaling (Molly Patel, links), die ihr helfen soll.
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