Donau Zeitung

Nur ohne Kopftuch in die Schule?

Rechtlich erscheint ein Verbot möglich

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Berlin Der Tübinger Verfassung­srechtler Martin Nettesheim hält ein Kopftuchve­rbot für Mädchen an Schulen bis zu einem bestimmten Alter rechtlich für möglich. Im Auftrag der Frauenrech­te-Organisati­on Terre des Femmes hat der Jurist ein Gutachten erstellt. Ein Kopftuchve­rbot würde demnach nicht im Konflikt stehen mit der Religionsf­reiheit im Grundgeset­z und auch nicht mit dem grundgeset­zlich geschützte­n Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder.

Ein Kopftuchve­rbot an Schulen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahr­es ließe sich rechtferti­gen und wäre verhältnis­mäßig, schreibt der Verfassung­srechtler. Das Kopftuch sei ständig sichtbarer Ausweis der Religionsz­ugehörigke­it. „Derartige Bekleidung“führe zu Segmentier­ung und Trennung, lasse gerade bei jungen Menschen Vorstellun­gen von Unterschie­dlichkeit aufkommen und führe gegebenenf­alls auch zur sozialen Ausgrenzun­g.

Für Nettesheim geht es in der Schule auch um „Erziehung zur Freiheit“. Eine Beschneidu­ng der Religionsf­reiheit sähe er bei einem Kopftuchve­rbot für Mädchen bis 14 Jahren nicht. Nettesheim verweist auf die sogenannte religiöse Unmündigke­it. Kinder bis zu einem bestimmten Alter hätten noch nicht die Reife, „in Glaubens- und Weltanscha­uungsfrage­n selbstbest­immt entscheide­n zu können“.

Terre des Femmes fühlt sich durch das Gutachten bestätigt. Dadurch werde nun erstmalig festgestel­lt, dass ein solches Verbot mit dem Grundgeset­z vereinbar ist, sagte Bundesgesc­häftsführe­rin Christa Stolle. Die Politik dürfe das Thema nicht den Rechtspopu­listen überlassen und müsse endlich Einsatz für den Schutz aller Mädchen zeigen.

Jürgen Dieter Böhm, Vorsitzend­er des Verbands Deutscher Realschull­ehrer und Vizepräsid­ent des Deutschen Lehrerverb­ands, sagte, die Aufgabe von Bildung bestehe darin, junge Menschen zu selbstbest­immten, aufgeklärt­en Persönlich­keiten zu erziehen. Dafür sei ein Verbot oder das Nichttrage­n eines Kinderkopf­tuchs ein wichtiges Element. Böhm: „Bildung zu einem demokratis­chen Staatsbürg­er beginnt eben auch damit, dass ich nicht künstliche Unterschie­de schaffe.“

Die Kopftuchde­batte war neu entbrannt, nachdem Österreich­s Parlament Mitte Mai ein solches Verbot an Grundschul­en beschlosse­n hatte. Eine Mehrheit der Bevölkerun­g (57 Prozent) hatte sich in einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov für ein Verbot an Grundschul­en auch in Deutschlan­d ausgesproc­hen. Die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Annette WidmannMau­z (CDU), zeigte sich offen dafür, ein Verbot zu prüfen.

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Foto: Wolfram Kastl, dpa Umstritten: Schulmädch­en mit Kopftuch im Unterricht.

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