Löws Zeitreise
Der Bundestrainer sieht sein Team so weit wie 2010. Für die kommenden Partien hat er einen Neuling berufen. Ein erfahrener Spieler kann seine Hoffnungen dagegen begraben
Hamburg Aus Freiburg meldete sich ein gut gelaunter Bundestrainer in einer Video-Pressekonferenz zu Wort. Nachdem er zuletzt bei den Länderspiel-Siegen gegen Weißrussland (2:0) und Estland (8:0) wegen Krankheit nicht dabei sein konnte („auf dem Sofa ist die Nervosität noch größer als auf der Bank“), spüre er bei sich und der Mannschaft eine „große Aufbruchstimmung“angesichts der bisher makellosen Bilanz in der Euro-Qualifikation und den beiden nächsten Spielen, die Löw als „richtungsweisend“bezeichnet. Am Freitag in einer Woche geht es im ausverkauften Hamburger Volksparkstadion gegen die Niederlande und drei Tage später in Belfast gegen Nordirland.
Im Aufgebot gibt es keine Überraschungen, mit der Nominierung von Luca Waldschmidt war angesichts seiner sieben Treffer bei der U21-EM im Sommer in Italien zu rechnen, zumal Löw auf Leroy Sané verzichten muss: „Sein Ausfall ist ärgerlich, der tut uns schon weh“, sagte Löw. Dass er Waldschmidt und nicht den zuletzt stark spielenden Kevin Volland berufen habe, sei mit der eingeleiteten Entwicklung zu begründen: „Luca ist perspektivisch sehr interessant“, sagt Löw, der auch deutlich machte, dass ein Sami Khedira sich keine Hoffnungen auf ein Comeback in der Nationalmannschaft machen könne, auch wenn der dies zuletzt als Wunsch formuliert hatte.
Im Gegensatz dazu ließ Löw durchblicken, dass er mindestens gegen die Niederlande mit seinen Weltmeistern Manuel Neuer und Toni Kroos spielen werde, auf deren „Klasse und Erfahrung“er nicht verzichten möchte. Kroos hatte zuletzt wegen Muskelbeschwerden gefehlt. Auch wieder dabei sind MarcAndré ter Stegen (FC Barcelona) und Emre Can (Juventus Turin), der zuletzt im Oktober 2018 zur DFB-Auswahl gehörte. Verletzungsbedingt werden neben Sané die beiden Pariser Spieler Julian Draxler und Thilo Kehrer und Antonio Rüdiger (Chelsea) fehlen.
Grundsätzlich sieht Löw sein Team nach dem WM-Debakel in einer guten Entwicklung. „Wir sind auf dem Weg dahin, wo wir einmal waren.“Der Bundestrainer vergleicht den Status quo mit der Situation bei der WM 2010 in Südafrika: „Auch da waren wir noch nicht auf einem Top-Niveau, haben aber eine gute WM gespielt.“
Positiv stimme ihn, dass die neue Mannschaft hoch talentiert sei und viele Abläufe schon verinnerlicht habe. Löw: „Wir sind auf einem guten Weg, um die Dominanz wieder zu bekommen, die wir einmal hatten.“Gleichwohl sagte Löw deutlich: „Wir sehen bei allen Spielern noch Verbesserungspotenzial.“Deshalb habe sein Trainerteam in den vergangenen Monaten Einzelprofile erstellt, um den Spielern klare Anforderungen zu geben, wie sie sich verbessern können.