Donau Zeitung

Wenn das Leben aus den Fugen geraten ist

Im Landkreis kümmern sich drei Bewährungs­helfer um Menschen, die das Gesetz gebrochen haben. Oft stecken vielschich­tige Probleme dahinter. Die Betroffene­n haben in der Region vor allem mit einem Problem zu kämpfen

- VON ANDREAS SCHOPF

Dillingen/Donauwörth Bei vielen ist die Lebensgesc­hichte frustriere­nd. Es gibt Probleme mit der Arbeit, mit dem Geld, mit der Familie und dem Partner. Und dann kommt die Konfrontat­ion mit dem Gesetz – es ist ein Teufelskre­is. „Die Ausweglosi­gkeit mancher Menschen zu erkennen, macht betroffen“, sagt Philipp Stark. Er ist einer von drei Bewährungs­helfern, die für den Landkreis Dillingen zuständig sind. Sie kümmern sich um Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Oft stecken dahinter schwierige private Lebensumst­ände. „Mit manchen hat man auch ein Stück weit Mitleid, weil sie nie die Chance auf ein gutes Leben hatten“, sagt Stark.

Er und seine Kollegen Claudia Rauch und Armin Scherer arbeiten von Donauwörth aus für den Dillinger Raum. Im Foto möchten die drei nicht zu sehen sein. Einen Bewährungs­helfer vor der Tür stehen zu haben, möchten die allerwenig­sten vor den Nachbarn offenbaren. Es wäre ein Eingeständ­nis, dass das Leben aus den Fugen geraten ist. „90 Prozent unseres Arbeitstag­es kümmern wir uns um Probleme von Klienten“, sagt Stark. Die „Klienten“der Bewährungs­helfer, das sind junge Menschen, die eine Jugendstra­fe erhalten haben. Straffälli­ge, denen der Richter die Helfer zur Seite bestellt hat. Oder Verurteilt­e, die länger als zwei Jahre in Haft saßen. Die Bewährungs­helfer arbeiten mit Sucht- und Alkoholkra­nken zusammen, mit Menschen, die Probleme mit Gewalt lösen, aber auch mit Vergewalti­gern oder Mördern. Die wichtigste Aufgabe der Helfer: Den Betroffene­n klarmachen, was sie in ihrem Leben ändern müssen. „Das kann zum Teil Jahre dauern“, sagt Claudia Rauch.

Mitunter geht es darum, Strukturen aufzubrech­en, die ein Leben lang und manchmal auch generation­sübergreif­end da waren. Jeder der drei Bewährungs­helfer kümmert sich um rund 70 Fälle im Landkreis. Ihre Arbeit setzt sich zwei Säulen zusammen: Kontrollie­ren und helfen. Kontrollie­ren, wenn etwa Alkohol- und Drogen im Spiel sind. Nicht immer hören die Helfer dabei die Wahrheit. Wer suchtkrank ist, weiß, wie er bestimmte Dinge vertuschen kann. „Das ist auch eine Sache des Vertrauens“, sagt Rauch. Um offen reden zu können, müssen sie und ihre Kollegen eine Beziehung aufbauen. Grundsätzl­ich haben die Bewährungs­helfer eine Schweigepf­licht. Es sei denn, sie erfahren von einem geplanten Verbrechen und es ist Gefahr im Verzug.

Helfen können die Bewährungs­helfer, indem sie zuhören, Gespräche führen, gemeinsam Lösungen erarbeiten, bei Formularen helfen,

Manche „Klienten“würden lieber auf der Straße schlafen als in einer überteuert­en Wohnung mit Ungeziefer

mit aufs Amt gehen oder bei der Wohnungssu­che unterstütz­en. Es geht auch um ganz lebensprak­tische Dinge, etwa, täglich die Post im Briefkaste­n zu öffnen. „Viele sind selbst mit so etwas überforder­t“, sagt Stark.

Erst recht nach einer langen Haftstrafe. Die Bewährungs­helfer unterstütz­en auch diejenigen, die nach Jahren oder sogar Jahrzehnte­n wieder aus der Haft entlassen werden und die sich plötzlich wieder im normalen Leben zurechtfin­den müssen. Wer 15 oder 20 Jahre isoliert hinter Gittern war, kann weder ein Smartphone noch einen modernen Fahrkarten­automaten bedienen.

Die ländliche Struktur im Landaus kreis Dillingen erschwert die Arbeit der Bewährungs­helfer. Oft haben die Betroffene­n keinen Führersche­in. Wer zum Beispiel von Bachhagel mit dem Bus zu einer ambulanten Therapie oder ins Jobcenter nach Dillingen, gleichzeit­ig aber einer Arbeit vor Ort nachgehen muss, hat schlechte Karten. Ein großes Problem ist zudem der Wohnungsma­rkt. Stark bezeichnet die Situation im Landkreis, was kleine und bezahlbare Wohnungen angeht, als „prekär“. „Eine Einzimmerw­ohnung bis 300 Euro gibt es fast nicht.“

Erst recht, wenn Schufa- und Gehaltsnac­hweis nicht den Vorstellun­gen des Vermieters entspreche­n. Gelangen die Betroffene­n durch Beziehunge­n doch an eine Bleibe, ist die laut Stark oft nur „knapp über der Grenze der Menschenwü­rde“. Vermieter würden die Hilflosigk­eit der Menschen ausnutzen und für die „älteste Bruchbude“vergleichs­weise viel fordern. Es komme zum Teil vor, dass Klienten lieber auf der Straße schlafen würden als in einer überteuert­en Wohnung mit Ungeziefer­befall, berichtet Armin Scherer. „Im Sommer ist das machbar, im Winter dagegen gefährlich.“Immerhin zwei Notwohnplä­tze haben die Bewährungs­helfer im Landkreis zur Verfügung. Hier können Klienten übergangsw­eise für bis zu drei Monate unterkomme­n, bis sie etwas für sich gefunden haben.

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Mit manchen ihrer „Klienten“haben die Bewährungs­helfer Mitleid. Manche Menschen hätten nie die Chance auf ein gutes Leben gehabt.
Symbolfoto: Alexander Kaya Mit manchen ihrer „Klienten“haben die Bewährungs­helfer Mitleid. Manche Menschen hätten nie die Chance auf ein gutes Leben gehabt.

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