Wenn das Leben aus den Fugen geraten ist
Im Landkreis kümmern sich drei Bewährungshelfer um Menschen, die das Gesetz gebrochen haben. Oft stecken vielschichtige Probleme dahinter. Die Betroffenen haben in der Region vor allem mit einem Problem zu kämpfen
Dillingen/Donauwörth Bei vielen ist die Lebensgeschichte frustrierend. Es gibt Probleme mit der Arbeit, mit dem Geld, mit der Familie und dem Partner. Und dann kommt die Konfrontation mit dem Gesetz – es ist ein Teufelskreis. „Die Ausweglosigkeit mancher Menschen zu erkennen, macht betroffen“, sagt Philipp Stark. Er ist einer von drei Bewährungshelfern, die für den Landkreis Dillingen zuständig sind. Sie kümmern sich um Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Oft stecken dahinter schwierige private Lebensumstände. „Mit manchen hat man auch ein Stück weit Mitleid, weil sie nie die Chance auf ein gutes Leben hatten“, sagt Stark.
Er und seine Kollegen Claudia Rauch und Armin Scherer arbeiten von Donauwörth aus für den Dillinger Raum. Im Foto möchten die drei nicht zu sehen sein. Einen Bewährungshelfer vor der Tür stehen zu haben, möchten die allerwenigsten vor den Nachbarn offenbaren. Es wäre ein Eingeständnis, dass das Leben aus den Fugen geraten ist. „90 Prozent unseres Arbeitstages kümmern wir uns um Probleme von Klienten“, sagt Stark. Die „Klienten“der Bewährungshelfer, das sind junge Menschen, die eine Jugendstrafe erhalten haben. Straffällige, denen der Richter die Helfer zur Seite bestellt hat. Oder Verurteilte, die länger als zwei Jahre in Haft saßen. Die Bewährungshelfer arbeiten mit Sucht- und Alkoholkranken zusammen, mit Menschen, die Probleme mit Gewalt lösen, aber auch mit Vergewaltigern oder Mördern. Die wichtigste Aufgabe der Helfer: Den Betroffenen klarmachen, was sie in ihrem Leben ändern müssen. „Das kann zum Teil Jahre dauern“, sagt Claudia Rauch.
Mitunter geht es darum, Strukturen aufzubrechen, die ein Leben lang und manchmal auch generationsübergreifend da waren. Jeder der drei Bewährungshelfer kümmert sich um rund 70 Fälle im Landkreis. Ihre Arbeit setzt sich zwei Säulen zusammen: Kontrollieren und helfen. Kontrollieren, wenn etwa Alkohol- und Drogen im Spiel sind. Nicht immer hören die Helfer dabei die Wahrheit. Wer suchtkrank ist, weiß, wie er bestimmte Dinge vertuschen kann. „Das ist auch eine Sache des Vertrauens“, sagt Rauch. Um offen reden zu können, müssen sie und ihre Kollegen eine Beziehung aufbauen. Grundsätzlich haben die Bewährungshelfer eine Schweigepflicht. Es sei denn, sie erfahren von einem geplanten Verbrechen und es ist Gefahr im Verzug.
Helfen können die Bewährungshelfer, indem sie zuhören, Gespräche führen, gemeinsam Lösungen erarbeiten, bei Formularen helfen,
Manche „Klienten“würden lieber auf der Straße schlafen als in einer überteuerten Wohnung mit Ungeziefer
mit aufs Amt gehen oder bei der Wohnungssuche unterstützen. Es geht auch um ganz lebenspraktische Dinge, etwa, täglich die Post im Briefkasten zu öffnen. „Viele sind selbst mit so etwas überfordert“, sagt Stark.
Erst recht nach einer langen Haftstrafe. Die Bewährungshelfer unterstützen auch diejenigen, die nach Jahren oder sogar Jahrzehnten wieder aus der Haft entlassen werden und die sich plötzlich wieder im normalen Leben zurechtfinden müssen. Wer 15 oder 20 Jahre isoliert hinter Gittern war, kann weder ein Smartphone noch einen modernen Fahrkartenautomaten bedienen.
Die ländliche Struktur im Landaus kreis Dillingen erschwert die Arbeit der Bewährungshelfer. Oft haben die Betroffenen keinen Führerschein. Wer zum Beispiel von Bachhagel mit dem Bus zu einer ambulanten Therapie oder ins Jobcenter nach Dillingen, gleichzeitig aber einer Arbeit vor Ort nachgehen muss, hat schlechte Karten. Ein großes Problem ist zudem der Wohnungsmarkt. Stark bezeichnet die Situation im Landkreis, was kleine und bezahlbare Wohnungen angeht, als „prekär“. „Eine Einzimmerwohnung bis 300 Euro gibt es fast nicht.“
Erst recht, wenn Schufa- und Gehaltsnachweis nicht den Vorstellungen des Vermieters entsprechen. Gelangen die Betroffenen durch Beziehungen doch an eine Bleibe, ist die laut Stark oft nur „knapp über der Grenze der Menschenwürde“. Vermieter würden die Hilflosigkeit der Menschen ausnutzen und für die „älteste Bruchbude“vergleichsweise viel fordern. Es komme zum Teil vor, dass Klienten lieber auf der Straße schlafen würden als in einer überteuerten Wohnung mit Ungezieferbefall, berichtet Armin Scherer. „Im Sommer ist das machbar, im Winter dagegen gefährlich.“Immerhin zwei Notwohnplätze haben die Bewährungshelfer im Landkreis zur Verfügung. Hier können Klienten übergangsweise für bis zu drei Monate unterkommen, bis sie etwas für sich gefunden haben.