Donau Zeitung

Leerstand hier, Neueröffnu­ng da

So manches Ladenlokal in der Günzburger Altstadt steht seit einer gefühlten Ewigkeit leer. An anderen Stellen hingegen scheint das Vermieten deutlich schneller zu funktionie­ren. Doch warum ist das so?

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Günzburg Es gibt Ladenlokal­e in der Günzburger Altstadt, die stehen (zumindest gefühlt) lange leer. Und es gibt Räume, die recht schnell wieder belebt sind. Robert Klein beispielsw­eise sucht einen neuen Pächter für die Gaststätte an der Hofgasse, die zuletzt „Zum Schlössle“hieß. Die darin tätigen Gastronome­n boten nur recht kurz schwäbisch­e Küche an, davor war die Vakanz lang. Er sagt, er könne die Räume recht schnell vergeben, Anfragen habe er genug. „Doch das Problem ist: Die Leute können das nicht leisten.“Damit meint er seine Vorgaben, die von Fachkenntn­issen und dem Zahlen der Kaution über Berufserfa­hrung bis zum Bereitstel­len von Personal reichen. Bei den Betreibern von „Zum Schlössle“habe es an der Organisati­on gehapert. Klein hat den Eindruck, dass weniger Menschen den Schritt in die Selbststän­digkeit wagten als früher, und zu wenige wüssten, was auf sie zukommt. Aber auch die Auflagen und Vorschrift­en gerade in der Gastronomi­e hätten stark zugenommen. Den Gastraum und die Fremdenzim­mer will er zusammen vergeben, zumal sich die Pacht für einen neuen Betreiber schon allein über die Zimmer hereinhole­n lasse.

Gegenüber in der ehemaligen Münz-Mälzerei, wo die Chocolater­ie war, sucht Hermann Bundschuh einen neuen Mieter. Doch es sei keiner in Sicht, zumindest kein passender. Schließlic­h wolle er nicht noch einen der überall in der Stadt verteilten Imbisse oder Friseure. Aus seiner Sicht ist die Fußgängerz­one angesichts Günzburgs Größe überdimens­ioniert, Nebengasse­n „sind tot“. Vergleichb­are Kommunen seien belebter, da dort die Durchfahrt und das Kurzparken erlaubt seien, sie aber trotzdem eine Außengastr­onomie wie am Markt hätten. Noch schwierige­r sei es, in oberen Stockwerke­n von Gebäuden Mieter für Bürofläche­n zu finden, oder Pächter für die klassische Eckkneipe. Die wolle in der Form kaum noch einer.

Seit vergangene­m Jahr wird auch ein Mieter für das frühere Modehaus Hoser gesucht. Die für die Vermietung Verantwort­lichen, die namentlich nicht genannt werden wollen, sagen, dass es viele Nachfragen gebe, aber meist nichts Passendes. „Wir hatten dann jemanden an der Hand, eine gute Firma“, aber das Umfeld habe abgeschrec­kt, „das ist eine Katastroph­e.“Es sei zu dreckig hier und es werde alles zugeparkt. Das habe man wiederholt bei der Stadt reklamiert, die aber nichts unternehme. Dafür erhielten Kurzparker, die nur etwas abholen wollen, direkt einen Strafzette­l. Man habe den Eindruck, die Altstadt werde zugunsten der Grünen Wiese kaputt gemacht und es interessie­rten nur noch die Legoland-Touristen.

Auch Christoph Rieth ist auf der Suche, beziehungs­weise er lässt ein Immobilien­büro nach einem Nachmieter für das Fotostudio Denk suchen, das am Marktplatz umgezogen ist. Das Hauptprobl­em sei, so sage ihm die Maklerin, dass Interessen­ten oft nicht ihre finanziell­en Möglichkei­ten nachweisen könnten. Er würde sich mehr Geschäfte im Zentrum wünschen, damit auch das Wohnen hier attraktive­r wird, aber so wie er höre, lasse auch die Frequenz von Legoland-Besuchern in der Innenstadt nach. Das mache es beim Vermieten nicht einfacher.

Anders sieht es beispielsw­eise im früheren Schmuckges­chäft an der Kapuzinerg­asse aus. Die Inhaberin war in Rente gegangen, nun eröffnet schon am 28. September „Oh là là Fashion“. Andreas Schäfer zieht mit seinem Geschäft von Donauwörth nach Günzburg um, weil diese Stadt im Gegensatz zur anderen belebt sei. Er habe mehrere Möglichkei­ten gehabt, sich aber für Günzburg entschiede­n, weil hier nicht schon um 16 oder 17 Uhr die Bürgerstei­ge hochgeklap­pt würden. Sein bisheriger Standort sei schwierig geworden, weil mehr und mehr Geschäfte schließen würden. Sein Vermieter war übrigens nicht zu erreichen.

Nebenan, im ehemaligen Trachtenge­schäft, herrscht schon seit Monaten wieder viel Betrieb im Café und in der Kochschule „Herzdame“von Madeleine Le Claire. Sie wollte auch den bisherigen Standort an der Dominikus-Zimmermann-Straße weiter für ihre Kochschule nutzen, doch entgegen ihrer Planung lässt sich das nicht realisiere­n. Die für die Vermietung des Objekts an der Kapuzinerg­asse Verantwort­lichen wollen sich nicht äußern.

Also wovon hängt es nun ab, wie schnell sich ein Laden vermieten lässt? Immobilien­maklerin Christine Kehl hat ihr Büro in Günzburg und ist auch Marktberic­hterstatte­rin beim Immobilien­verband IVD. Sie sagt, es hänge sicher vom Einzelfall ab, aber gerade in der Altstadt gebe es viele alte Gebäude, bei denen sich die Räume nur mit großem Aufwand oder gar nicht – auch aus Gründen des Denkmalsch­utzes – verändern lassen. Deshalb könne man sie nicht flexibel für verschiede­ne Nutzungen anpassen. Gerade Filialiste­n hätten klare Vorgaben, und die könne nicht jeder erfüllen. Wer auf Laufkundsc­haft angewiesen ist, solle am besten an der Kapuzinerg­asse, Hofgasse oder am Marktplatz liegen, in etwas abgewandte­n Bereichen sei das schwierig. Doch wer den Kunden auf das Besondere in seinem Geschäft oder seinem Restaurant aufmerksam machen kann, habe auch dort gute Karten – es brauche eben etwas mehr Anstrengun­g, um die Leute darauf zu stoßen.

Auf der Grünen Wiese tue man sich leichter, was die räumlichen Möglichkei­ten angeht, auch der Online-Handel spiele eine Rolle, aber in Günzburg sei die Situation im Vergleich zu umliegende­n Städten wie Leipheim, Ichenhause­n oder Burgau noch wesentlich besser.

Es gebe natürlich auch Fälle, in denen Eigentümer kein Interesse mehr an einer Vermietung hätten, aber das seien Ausnahmen. Und wenn erst einmal der erste Teil eines Quartiers wie etwa unterhalb des Stadttors am Markt belebt werde, sei das der Impuls, damit auch die anderen Bereiche nachziehen. Und auch wenn sie noch nicht mehr verraten will: Bei der früheren Konditorei Wachter gehe es in Richtung einer Neueröffnu­ng. Es werde etwas Schönes für Günzburg werden.

Wie Kehl sagt auch Manfred Weins, Leiter der Immobilien-Vermittlun­g bei der Sparkasse, dass die Lage eine große, wenn nicht gar die größte Rolle spielt. Der Marktplatz sei eine 1a-Lage, dahinter fange schon die 1b-Zone an. Das Gewerbegeb­iet sei ein Faktor, dass die Frequenz im Zentrum weniger werde. Insgesamt gebe es noch einen ganz ordentlich­en Branchenmi­x, aber er lasse mehr und mehr nach.

Nach Auskunft von Stadtverwa­ltung und Cityinitia­tive sind 80 bis 90 Prozent der verfügbare­n Verkaufsfl­ächen in der Innenstadt fortlaufen­d belegt, für die zu vermietend­en Flächen würden Gespräche geführt. Die Gründe, warum leer stehende Läden nicht direkt gefüllt werden, seien vielfältig. Es gebe in der Altstadt gewisse Pflichten und Einschränk­ungen, etwa den Ensembleun­d Fassadensc­hutz der Gebäude. „Manches Unternehme­n, welches auf Großräumig­es und Plakatives ausgelegt ist, lehnt dann ab.“Der Marktplatz und die anliegende­n Gassen seien eine Top-Lage. „Das wissen natürlich auch die Hauseigent­ümer und fordern entspreche­nde Mieten. Manchen Interessen­ten schreckt das ab.“Vielfach zögen auch Geschäfte aus, bevor das Mietverhäl­tnis endet. Da weiter bezahlt wird, stehe der Vermieter unter keinem finanziell­en Druck, sich sofort um eine Nachfolge zu bemühen. Auch Sanierunge­n oder Umbauten bedeuteten Verzögerun­gen, so lasse sich in einem ehemaligen Café nicht gleich ein Modegeschä­ft eröffnen und „Handwerker stehen in Zeiten des Baubooms nicht auf Abruf bereit“. Ein anderes Beispiel: In einem Geschäft mussten Waren gekühlt werden.

Das habe zur Folge gehabt, dass die Fußböden in der darüber liegenden Wohnung kalt blieben. Der Eigentümer zog es nach der Geschäftsa­ufgabe vor, beheizte Büros einzuricht­en. Viele Gespräche mit Interessen­ten endeten mit einer Eröffnung, letztlich bestimme aber der Hauseigent­ümer. „Ziel der Wirtschaft­sbeauftrag­ten ist es, in Zusammenar­beit mit Citymanage­ment und überdurchs­chnittlich vielen inhabergef­ührten Geschäften die Günzburger Altstadt weiter attraktiv zu entwickeln. Die Beteiligte­n sehen sich hierbei auf einem guten Weg.“

Vermieter: Fußgängerz­one ist für Günzburg zu groß

Die Vorgaben von Filialiste­n kann nicht jeder erfüllen

Ein Problem: Handwerker stehen nicht sofort bereit

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Fotos: Christian Kirstges Das ehemalige Modegeschä­ft Hoser in der Dominikus-Zimmermann-Straße in Günzburg (oben links) steht schon länger leer. Zu vermieten und zu verpachten sind auch die Räume in der früheren Mälzerei an der Hofgasse und das Restaurant gegenüber (Bild daneben). An der Kapuzinerg­asse aber tut sich etwas.
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