Er befreite und er vernichtete sein Land
Robert Mugabe regierte Simbabwe 37 Jahre lang. Er galt als intellektuellster Staatsführer Afrikas. Aber er entwickelte sich zum Despoten, der über Leichen ging. Jetzt ist er tot. Woher sein Hass auf den Westen kam
Kapstadt Noch als Diktator im Ruhestand ließ er sich am Nachmittag gerne Tee servieren, trat in Maßanzügen in der Londoner Einkaufsstraße Savile Row auf, als gehöre er dem Westminster-Kabinett an: Simbabwes ehemaliger Präsident Robert Gabriel Mugabe. Er hasste die Briten, die er für die Verursacher allen Übels in seinem Land hielt. Inbrünstig, unversöhnlich. Und doch verehrte er gleichzeitig das britische Königshaus, galt als großer Fan des Krickets, der englischsten aller Sportarten. Mugabe, der am Freitag im Alter von 95 Jahren in Singapur gestorben ist, wird als Befreier und Vernichter Simbabwes in Erinnerung bleiben. Und als einsamer Mann, dessen Politik neben der Sucht nach Macht auch an innerer Zerrissenheit scheiterte.
Wäre Mugabe im Jahr 1991 zurückgetreten, wäre er – die gewaltsame Unterdrückung der Opposition ausgenommen – womöglich als großer Staatsmann in die Geschichte eingegangen. Damals trieb Mugabe die Verabschiedung der Harare-Erklärung für Menschenrechte voran. Er schien aufrichtig an Pluralismus und eine offene, demokratische Gesellschaft zu glauben. Elf Jahre hatte Mugabe während der Tyrannei des rhodesischen Minderheitenregimes im Gefängnis verbracht. Als Premierminister und später als Präsident setzte er sich ab 1980 für Frieden und Aussöhnung ein. Schon bald gab es freien Zugang zu Bildung und Gesundheit.
Der Sohn eines Zimmermannes, der als Kind dafür verspottet wurde, sich einsam hinter seinen Büchern zurückzuziehen, galt mit seinen sieben Universitätsabschlüssen als einer der intellektuellsten afrikanischen Staatsführer. Bei näherer Betrachtung aber beschränkte sich dieser Zauber auf wenige Jahre. Der Präsident zeigte sich zunehmend offen für Korruption. Schon Mitte der Achtzigerjahre schickte er seine von nordkoreanischen Spezialisten trainierte Fünfte Brigade zum abtrünnigen Ndebele-Stamm. Die ethnische Minderheit protestierte damals gegen ausbleibende Strukturmaßnahmen. Bis 1988 ließ Mugabe 18000 Menschen ermorden – eine vom Ausland wenig sanktionierte Politik der Einschüchterung.
In den 90er Jahren richtete sich sein Zorn zunehmend gegen die weiße Minderheit, besonders die 4500 Landwirte. Fast alle hatten einen simbabwischen Pass, aber er bezeichnete sie als „britische Imperialisten“– nicht zuletzt, um von den eigenen Versäumnissen abzulenken. „Treibt Angst in ihre Herzen“, rief er einmal Parteianhängern zu, „schlagt zu, bis sie taumeln.“90 Prozent der Bauern verloren entschädigungslos unter dem Nachvon bisweilen tödlicher Gewalt ihren Besitz, mit ihnen hunderttausende schwarzer Arbeiter die Existenzgrundlage. Mugabe verteilte ihr Land an Getreue ohne Landwirtschaftserfahrung. Der einstige Befreiungskämpfer war längst zum Diktator geworden, verblendet vom Hass gegen den Westen, losgelöst vom Leid des eigenen Volkes. Eilig wurden die letzten unabhängigen Zeitungen geschlossen. Wer ohne Erlaubnis über Politik diskutierte, dem drohten sechs Monate Haft. Drei Millionen flüchteten.
2008 verlor Mugabes Zanu-PF die Wahlen eindeutig gegen die Movement of Democratic Change (MDC) seines ernsthaftesten Herausforderers Morgan Tsvangirai. Doch Mugabe klammerte sich mithilfe des Militärs an die Macht, wobei 200 MDC-Anhänger starben. Auf Vermittlung Südafrikas einigte sich der Despot nach einem knappen Jahr auf eine gemeinsame Regierung mit Tsvangirai. Seitdem hat die Einführung des US-Dollars als Zahlungsmittel das größte Chaos behoben.
Als seine Gesundheit 2017 zunehmend nachgab und er bei öffentlichen Auftritten immer öfter einschlief, versuchte der Diktator, seidruck ne Frau Grace als Nachfolgerin in Stellung zu bringen. Aber die Armee zwang ihn zum Rücktritt. Mugabe zog sich beleidigt zurück.
Zurück bleibt die Frage, wie seine ambivalente Haltung zum Westen erklärbar ist. Im Dezember 2003 zog sich Simbabwe aus dem Commonwealth zurück. Es handele sich bei der Organisation um „einen nutzlosen Klub von Weißen“, erklärte Mugabe, der dennoch zürnte, als ihm die britische Königin im Jahr 2008 die Ehrenritterwürde aberkannte. Noch bei der Beerdigung von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2005 hatte er Prinz Charles versichert, er hege immer noch „große Liebe für das Königshaus“. Dass er zeitlebens die Musik des amerikanischen Sängers Elvis Presley verehrte, dessen Platten er einst in seine Gefängniszelle schmuggeln ließ, gehörte zu den weiteren Widersprüchen in Mugabes Leben.
Vielleicht lag seine Abneigung auch am seiner Meinung nach grausamen Umgang Englands mit seiner ersten Ehefrau Sally. Er hatte die Geschichtsstudentin während einer Gastprofessur in Ghana kennengelernt und nach Simbabwe mitgenommen. Von dort war sie drei Jahre nach Mugabes Inhaftierung 1964 nach England geflüchtet. Eine schwierige Zeit für die Frau. Als 1970 ihr Visum ablief, lieferte sie England nach Rhodesien aus – trotz mehrmaliger Bitten des noch inhaftierten Mugabe, darauf zu verzichten. Seine Briefe und Telegramme blieben schlicht unbeantwortet, sodass auch Sally einige Wochen im Gefängnis verbrachte. Sie entpuppte sich später als großartige First Lady und wirkte mäßigend auf das Temperament ihres Mannes. Ihr Tod 1992 gilt für viele als ein Wendepunkt in Mugabes Politik. Er hinterlässt seine raffgierige zweite Frau Grace, mit der er schon während der Ehe mit Sally das erste von drei gemeinsamen Kindern gezeugt hatte.
Die 14 Millionen Simbabwer werden Mugabe bei Trauerfeiern in den kommenden Tagen pflichtbewusst huldigen. Danach werden sie weiter versuchen, in dem von ihm heruntergewirtschafteten Land irgendwie zu überleben.