Donau Zeitung

Privatsach­e Bildung

Immer mehr Eltern suchen fern des staatliche­n Systems nach der besten Schule für ihr Kind. Die Beliebthei­t freier Einrichtun­gen steigt. Aber lernen die Schüler dort auch mehr?

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Mindelheim bekommt eine neue Grundschul­e, Nürnberg eine Förderschu­le, in Oettingen (Kreis Donau-Ries) wird an einem brandneuen Montessori-Gebäude gebaut. Was sie vereint: All diese Neubauten sind Privatschu­len. Etwa 15 bis 20 schießen in Bayern jedes Jahr neu aus dem Boden, berichtet der Verband bayerische­r Privatschu­len. Die Klassenzim­mer vollzubeko­mmen, ist kein Problem: Deutschlan­dweit werden im neuen Schuljahr mehr Eltern als bisher ihre Kinder in private Einrichtun­gen schicken. Einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zufolge hat sich die Zahl der Privatschü­ler seit 1992 fast verdoppelt.

Denn die Zeiten, in denen das Wort Privatschu­le entweder für Hippiemeth­oden stand oder für das strenge kirchliche Internat, sind lange vorbei. Etwas mehr als jeder zehnte bayerische Schüler lernt an einer der freien, allgemeinb­ildenden Schulen, deren Lernkonzep­te sich zum Teil deutlich von den staatliche­n unterschei­den. Fast 600 allgemeinb­ildende Privatschu­len gibt es in Bayern. Nimmt man Wirtschaft­sund Berufsschu­len dazu, sind es sogar mehr als 1300 – Tendenz steigend.

Bernd Dietrich, der Präsident des bayerische­n Privatschu­lverbands, unterhält sich oft mit Eltern. Er hat eine Erklärung dafür, dass heute nicht mehr jedes Kind automatisc­h in die nächstgele­gene, staatliche Schule geht – wie es in früheren Generation­en war. „Wir beobachten, dass Eltern immer individuel­ler und sehr gut informiert die Schulwahl treffen“, sagt der Mann, der selbst lange an einer Privatschu­le unterricht­ete. Eine der zentralen Fragen, die sich Eltern heute stellen würden: „Wo wird das Kind individuel­l am besten gefördert?“Sehen sie es an einer nicht-staatliche­n Schule gut aufgehoben, zahlen Mütter und Väter auch gern das Schulgeld, mit denen sich Privatschu­len für gewöhnlich finanziere­n. Es bewegt sich in Größenordn­ungen von etwa 100 Euro pro Monat an manch kirchliche­r Schule und mehreren tausend an renommiert­en, internatio­nalen. Eine Obergrenze gibt es nicht.

Viele Eltern sind überzeugt von einer ganz bestimmten alternativ­pädagogisc­hen Ausrichtun­g. Mit die bekanntest­e ist die der Italieneri­n Maria Montessori, die das Kind als „Baumeister seiner selbst“ansieht, der Unterricht ist geprägt von Freiarbeit. Vom Wunsch nach einem alternativ­en Stundenpla­n profitiere­n auch die Waldorfsch­ulen, die in diesem Monat ihr 100-jähriges Bestehen feiern.

Für gläubige Eltern ist eine der mehr als 450 kirchliche­n Schulen in Bayern häufig die erste Wahl. Auch sie verfolgen teils ein eigenes Lernkonzep­t: An katholisch­en Schulen zum Beispiel den Marchtaler Plan, in dem Inhalte fächerüber­greifend vermittelt werden und die Schüler, wann immer möglich, selbststän­dig arbeiten.

Neben dem Schulgeld leben die Privaten von Steuergeld­ern. Der Staat fördert die laufenden Kosten der Häuser mit bis zu 70 Prozent – und hat die steigende Beliebthei­t längst akzeptiert. Zum ersten Mal in der bayerische­n Geschichte sind deshalb Schulen mit freien Trägern auch im Koalitions­vertrag erwähnt. Sie seien „ein wichtiger Bestandtei­l der bayerische­n Schullands­chaft“, heißt es da. Deshalb verspreche­n CSU und Freie Wähler in Zukunft unter anderem mehr Zuschüsse für die Lehrergehä­lter.

Aber schneiden Privatschü­ler auch besser ab als Kinder im staatliche­n System? Die Bildungsfo­rscher der Friedrich-Ebert-Stiftung haben 2018 die Leistungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik verglichen. Sie bescheinig­en Privatschü­lern zwar etwas bessere Noten. Allerdings liegt das ihrer Meinung nach vor allem an der Zusammense­tzung der Schülersch­aft: Denn der Anteil von Kindern und Jugendlich­en aus bildungsaf­finen (Akademiker-)Familien ist an Privatschu­len hoch. Eltern mit Arbeiterbe­rufen schicken ihren Nachwuchs deutlich seltener dorthin – eine Tatsache, die den Privatschu­len seit Jahrzehnte­n die Kritik einbringt, dass sie einen Keil in die Gesellscha­ft treiben und die soziale Spaltung vergrößern.

Zuletzt hat es das Bildungsba­rometer des Münchner Ifo-Instituts wieder gezeigt: Kinder mit bildungsna­hen Eltern bringen im Schnitt bessere Noten nach Hause als die aus benachteil­igten Familien. Rechnet man diese vielfach bewiesene Erkenntnis heraus, heben sich die Leistungsu­nterschied­e nach Angaben der Bildungsfo­rscher nahezu komplett auf.

Eine Obergrenze für das Schulgeld gibt es nicht

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