Bierkeller, Bunker – Bahnhalt?!
Nur mit einem Schlüssel gelangt man in einen Schacht bei Fultenbach. Der hatte verschiedene Aufgaben
Fultenbach Ein Bierweg? Echt jetzt? Ja, es gibt ihn, den Bierweg, in Fultenbach. Und natürlich liegt dort der Bierkeller.
Aber von Anfang an. Einst stand in Fultenbach ein Benediktinerkloster. Dazu gehörten drei Fischweiher, schriftlich belegt anno 1520. Mit dem Eis aus dem Weiher wurde der Bierkeller anfangs gekühlt. Den wiederum gibt es seit 1622. Doris Theile sperrt auf. Es ist eiskalt. Sechs Grad beträgt die Temperatur im Keller, sommers wie winters. Während es am Anfang noch Lichtröhren gibt, wird es weiter hinten stockdunkel. Wie tief der Keller ist, lässt sich vom Eingang her nur ahnen. Was man sieht, macht einen gepflegten Eindruck. Ziegelsteine sind sauber an der linken Wand gestapelt. Ein Sandhaufen deutet auf laufende Arbeiten hin. Doch je weiter man in den knapp 30 Meter langen Gang hineingeht, umso dunkler wird es. Ein paar Stufen führen weiter hinab. Kleine Löcher tauchen in den Wänden auf. Zum Schluss leuchtet Bürgermeister Erhard Friegel mit seinem Handy den Weg, denn es ist stockfinster. Dank der kleinen Leuchte aus dem Smartphone ist deutlich das Ende des Ganges zu sehen. Einer Sage nach soll er viel weiter gehen … Direkt vor der Wand geht ein Luftschacht nach oben.
Parallel dazu gibt es Informationen satt. Mit dabei sind Doris Theile und Hans Käsbohrer. Sie hat Archäologie studiert und mit dem ganzen Wissen über ihren Wohnort eine Chronik erarbeitet. Er bietet inzwischen sogar Führungen im Bierkeller an. Hans Käsbohrer wohnt hinter der kleinen Kapelle in Fultenbach. „Immer wieder haben Leute sich dafür interessiert, dann habe ich mich halt damit befasst“, sagt Käsbohrer. Die Kapelle erinnert an das ehemalige Kloster: An der Decke ist ein gewaltiges Gemälde, das die vielen Gebäude, die einst zum Kloster gehörten, zeigt. Heute stehen davon nur noch zwei.
Die Mönche kühlten das Bier der Fultenbacher Brauerei in dem Keller – und transportieren es auf dem Bierweg durch den Wald nach Baiershofen. Zehn bis zwölf Mönche lebten in der Gemeinde. Zu einem kleinen Aufstand kam es wohl, als ein Abt überhaupt kein Bier konsumierte – sondern stattdessen ausschließlich Wein. „1261 Liter soll er verbraucht haben“, sagt Theile und lacht. Die wechselvolle Geschichte des langen Ganges setzte sich im Zweiten Weltkrieg fort. Da standen Stockbetten in dem kühlen Gang: Wer keinen Keller hatte, flüchtete bei Bombenalarm dorthin, erinnert sich Käsbohrer. Später wurden dort Kartoffeln und Rüben gelagert. Irgendwann vor 60 Jahren brach der Eingang zusammen. Ein paar Fultenbacher haben den Zugang ehrenamtlich Anfang 2000 freigebaggert und gerichtet, erinnert sich Bürgermeister Erhard Friegel. An der unterschiedlichen Größe der Ziegel erkennt Käsbohrer im Neonröhrenlicht verschiedene Bauabschnitte in der Röhre. Auch die Ziegelei habe zum Kloster gehört. Der Bauhof renoviert den Keller, wenn Zeit dafür ist. „Sonst wäre alles zusammengefallen“, vermutet Friegel. In den Bürgerversammlungen hätten die Fultenbacher sich oft nach dem Keller erkundigt. Das Interesse sei groß, wenn man die Hintergründe kenne, meint der Bürgermeister. 2004 kam jemand auf eine besonders kreative Idee: Er stellte ein gewaltiges U-Bahn-Schild über den Eingang des Bierkellers. „Wird da eine Bahn gebaut?“, wurde im Ort gemunkelt. „Dauernd wurde ich gefragt, wo die dann hält“, sagt Käsbohrer und schüttelt den Kopf. Er war damals völlig perplex – dabei war es der 1. April und die Idee einer Elektrobahn im Bierkeller nur ein Aprilscherz gewesen.
Während der Säkularisation 1803 wurde die Klosterkirche abgerissen und alles, was drin stand, in Dillingen versteigert: In Straß im Kreis Neu-Ulm steht der Altar, in Villenbach sind die Kirchenbänke, in Ellerbach ist das Taufbecken, in Violau stehen Altarfiguren. „Die Klosterkirche wurde keine 100 Jahre alt. Sie war 51 Meter lang und 16 Meter breit und 1738 fertig“, weiß Käsbohrer. In der Kapelle von 1844 verweist Käsbohrer vor allem auf ein Kreuz, das vom ehemaligen Kloster stammt, und die Michaelsfigur. Der Teufel, den Michael bekämpft, hat weibliche Brüste. Man habe einen Historiker mal gefragt, was es damit auf sich hat. Ob das mit Hexenverfolgungen zusammenhängt oder so. Der Fachmann habe auch eine zweite Erklärung gehabt: „Vielleicht war der Künstler einfach schlecht verheiratet.“An jedem letzten Freitag im Monat finden in der Kapelle noch Gottesdienste statt. Doris Theile läutet zudem zweimal täglich die Glocke, um 12 und um 19.30 Uhr (im Sommer 19 Uhr) und wenn jemand im Ort gestorben ist. Direkt gegenüber dem kleinen Gotteshaus an der anderen Straßenseite hängt das BierwegStraßenschild. Das ist auch schon geklaut worden, erinnert sich Theile und lacht. Eine Diebesbande sei noch beim Abschrauben des Schildes erwischt worden und floh. Es ist halt doch etwas Besonderes. So ein Bierweg.