Donau Zeitung

Der letzte Akt im Nahwärme-Prozess

Warum ehemalige Verantwort­liche der Genossensc­haft trotz ihres Freispruch­s am Ende doch noch 40000 Euro bezahlen mussten

- VON BERTHOLD VEH

Fristingen Der ehemalige Vorstand der Nahwärme-Genossensc­haft Fristingen, Wolfgang Binswanger, ist richtig bedient. Denn das ehrenamtli­che Engagement für das einst als „Leuchtturm-Projekt“gefeierte Vorhaben endete für den heute 56-Jährigen und vier weitere Mitstreite­r in einem Fiasko. Trotz des Freispruch­s in allen Anklagepun­kten am Landgerich­t Augsburg und der Bestätigun­g des Oberlandes­gerichts München (wir berichtete­n) bleiben fünf ehemalige Vorstände und Aufsichtsr­äte der Genossensc­haft auf Prozesskos­ten sitzen. „Zum Abschluss des Verfahrens mussten wir jetzt noch über 40000 Euro aus eigener Tasche bezahlen“, teilt Binswanger unserer Zeitung mit. Für jeden der fünf Beteiligte­n seien das im Schnitt 8000 Euro gewesen. Binswanger sagt: „Wenn ich alles hochrechne, habe ich am Ende 70 000 Euro verloren.“

Zur Geschichte: 118 Genossen hatten gemeinsam von 2011 bis 2013 das Netz der Nahwärme Fristingen eG aufgebaut und dabei laut Binswanger zwei Millionen Euro investiert. 2015, nur zwei Jahre nach der offizielle­n Einweihung, musste die Genossensc­haft Insolvenz anmelden. Wer schuld an der Pleite ist, darüber stritten sich die Beteiligte­n. Unter anderem ging es auch um den Verkauf des Nahwärmene­tzes durch die Insolvenzv­erwalterin an den heutigen Eigentümer, der von Anfang an die Wärme geliefert hatte. Dieser Verkauf sei weit unter Wert erfolgt, kritisiert Binswanger. Das Netz sei etwa 1,2 Millionen Euro wert, verkauft worden sei es für 160000 Euro. Jeder der 118 ehemaligen Genossen soll dem Vernehmen nach mindestens rund 13000 Euro Verlust verbucht haben – 3000 Euro Genossensc­haftseinla­ge und etwa 10000 Euro wegen des möglicherw­eise zu billigen Verkaufs.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat die Klägerin der Insolvenzv­erwaltung nach dem Freispruch der Vorstände und Aufsichtsr­äte eine sogenannte Masseunzul­änglichkei­t angezeigt, eine Art Insolvenz in der Insolvenz. Binswanger sagt: „Dieser Vorgang bedeutet für uns ehemalige Ehrenamtli­che, dass wir trotz des Freispruch­s den nicht gedeckten Anteil der Prozesskos­ten, den die sogenannte Prozesskos­ten-Agentur nicht übernommen hatte, jetzt zahlen mussten.“Die zu begleichen­den 40000 Euro seien die Hälfte der Prozesskos­ten. Dass die Ehrenamtli­chen trotz des Freispruch­s zur Kasse gebeten wurden, sei für sie „ein sehr tiefer Schlag ins Gesicht“, sagt Binswanger. Der Projektlei­ter in einem Augsburger Unternehme­n fühlt sich von der Dorfgemein­schaft im Stich gelassen. Dass fünf Familien um ihre Existenz gebangt hätten, als sie an Weihnachte­n 2016 von einem Mahngerich­t zur Zahlung von knapp 740000 Euro aufgeforde­rt worden seien, habe niemanden in Fristingen und darüber hinaus interessie­rt, sagt der ehemalige Genossensc­hafts-Vorstand. Der Streit um die Nahwärme habe Gräben im Dorf hinterlass­en.

Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz hat ebenfalls erfahren, dass die ehemaligen Verantwort­lichen der Nahwärme-Genossensc­haft am Ende des Prozesses trotz des Freispruch­s die offenen Prozesskos­ten begleichen mussten. Der Rathausche­f sagt auf Anfrage: „Wenn sich Ehrenamtli­che für ein Gemeinscha­ftsprojekt engagieren und jetzt 40 000 Euro bezahlen müssen, obwohl das Gericht festgestel­lt hat, dass sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen, dann ist das für mich persönlich nur schwer nachvollzi­ehbar.“Er könne gut verstehen, dass die einstigen Vorstände und Aufsichtsr­äte richtig frustriert seien.

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Foto: Binswanger Wolfgang Binswanger

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