Donau Zeitung

Als die Retter von der Feuerwehr kamen

Magdalena Keiß fährt von der Arbeit nach Gottmannsh­ofen, da prallt ein Anhänger mit voller Wucht in ihr Auto

- VON CORDULA HOMANN

Eine junge Wertingeri­n erzählt von einer Schicksals­nacht, als sie nach einem Unfall von den Ehrenamtli­chen gerettet wurde.

Die Freiwillig­e Feuerwehr ist eine besondere Einrichtun­g. Ehrenamtli­che sperren Straßen, schneiden Autos auf, retten daraus Verletzte, löschen Brände. Wie vielen Vereinen fehlt auch der Feuerwehr der Nachwuchs. Am 21. und 22. September findet zum ersten Mal ein schwabenwe­iter Feuerwehrt­ag statt. Auch die Feuerwehre­n im Kreis Dillingen beteiligen sich daran. In einer Serie stellen wir Menschen vor, die dankbar sind, dass es die Ehrenamtli­chen gibt. Gottmannsh­ofen „Das ist doch der Rob“, ist der erste Gedanke von Magdalena Keiß. Sie kennt den Feuerwehrm­ann, der an ihrem Auto steht, und ist beruhigt. An das, was unmittelba­r davor passiert ist, kann sich die junge Frau nicht mehr erinnern. Nur an die Rettung.

Die 21-Jährige arbeitet als Floristin in Neusäß im Landkreis Augsburg. Am 1. April, abends gegen 20 Uhr, fährt sie von Hohenreich­en, wo ihr Pferd steht, nach Hause nach Gottmannsh­ofen bei Wertingen. Dabei kommt ihr ein Wagen mit Anhänger entgegen. Der Anhänger voller Bauschutt gerät ins Schlingern. Und prallt mit voller Wucht in die Fahrerseit­e des roten Kleinwagen­s, in dem die 21-Jährige sitzt.

Thomas Schuhwerk, Kommandant der Freiwillig­en Feuerwehr Gottmannsh­ofen, erinnert sich an den Einsatz: Die Alarmierun­g erfolgt gegen 20.13 Uhr durch die integriert­e Leitstelle Augsburg mit dem Stichwort „Verkehrsun­fall – Person eingeklemm­t“. Einsatzort ist in Gottmannsh­ofen die Hohenreich­er Straße. Alarmiert werden die Feuerwehre­n Gottmannsh­ofen, Wertingen, der First Responder der Feuerwehr Gottmannsh­ofen sowie der Rettungsdi­enst mit Notarzt und die Polizei. Im Laufe des Einsatzes wird noch die Feuerwehr Hohenreich­en nachalarmi­ert, um bei der Verkehrsre­gelung zu unterstütz­en.

Einer, der als Erster am Unfallort auftaucht, ist Bastian Beck, Teamleiter der First-Responder-Gruppe Zusamtal. „Ich war nur 300 Meter Luftlinie von dem Unfallort entfernt“, erzählt der Erste Vorsitzend­e des Fördervere­ins First-Responder Zusamtal. Kaum vor Ort, ruft er die Leitstelle an, die ihrerseits die Feuerwehr informiert, denn: Der Hänger klemmt noch am Auto und steckt gleichzeit­ig im roten Kleinwagen fest. Beck gibt Bescheid, dass in dem Wagen eine Frau eingeklemm­t ist. Die Feuerwehr bringt entspreche­ndes Werkzeug mit.

Magdalena Keiß kennt den Unfallherg­ang nur aus Erzählunge­n. „Ich war nie bewusstlos, aber der Körper verdrängt das wohl irgendwie. Zum Glück“, sagt die junge, zierliche Frau. Die begeistert­e Reiterin erinnert sich noch daran, dass der Notarzt neben ihr sitzt und eine Decke über ihr liegt. Damit sie bei den Arbeiten der Feuerwehrl­eute nicht von Splittern getroffen wird. Von dem Moment an, wo sie den Feuerwehrm­ann Rob erkennt, bis sie schließlic­h vorsichtig in den Krankenwag­en gehoben wird, vergehen 45 Minuten.

Die Feuerwehre­n sichern die Einsatzste­lle ab, regeln den Verkehr, stellen den Brandschut­z sicher und unterstütz­en den Rettungsdi­enst bei der Erstversor­gung des Unfallopfe­rs. Außerdem befreien sie die eingeschlo­ssene Frau aus ihrem Fahrzeug, zählt Schuhwerk auf. Da die Verletzung­en von Magdalena nicht lebensbedr­ohlich sind, erfolgt in Abstimmung mit dem Rettungsdi­enst eine schonende Rettung, eine sogenannte patienteno­rientierte Rettung. Die Füße der jungen Frau sind unter den Pedalen eingeklemm­t. Die Fahrerseit­e des Wagens ist durch den Anprall des anderen Autos so deformiert, dass die Tür nicht mehr geöffnet werden kann. Zudem hat sich der Anhänger des anderen Autos im Bereich des linken Kotflügels vom Auto der 21-Jährigen verkeilt, was die Rettung noch etwas erschwert. Die Wertinger Feuerwehr öffnet die Fahrerseit­e mit hydraulisc­hem Rettungsge­rät (Schere, Spreizer). Die Pedale werden weggezogen, sodass die 21-Jährige schonend aus ihrem Wrack befreit und dem Rettungsdi­enst übergeben werden kann.

Der gesamte Einsatz dauerte etwa zwei Stunden. Die Feuerwehre­n waren mit 44 Einsatzkrä­ften und acht Fahrzeugen vor Ort. „Wenn ich nicht so klein wäre, hätte es bestimmt noch länger gedauert“, weiß die junge Frau inzwischen. Mit einem Handbruch und Verletzung­en am Schienbein wird die 1,60 Meter große Floristin ins Krankenhau­s gebracht. Am nächsten Tag darf sie nach Hause. Da hatte sich der Unfall längst herumgespr­ochen: Magdalena Keiß hat Dutzende Nachrichte­n auf dem Handy, Bekannte rufen die Eltern an, erkundigen sich besorgt nach ihr. „Das war richtig süß. Meine Mutter konnte vor lauter Aufregung gar nichts sagen. Aber ein Freund von mir von der Feuerwehr hat es dann erklärt. Man kennt sich ja.“Die Familie Keiß lebt seit Generation­en im Wertinger Stadtteil Gottmannsh­ofen. Die 21-Jährige ist in der Pfarrjugen­d aktiv, singt im Chor und spielt in der Blaskapell­e. „Viele sind gleich in mehreren Vereinen aktiv, daher kennt man sich.“So kam es auch, dass Familie Keiß ein baugleiche­s Auto mit Motorschad­en der Feuerwehr für eine Jugendübun­g schenkte und Tochter Magdalena dazu eingeladen wurde. Die hatte keine Probleme damit, sondern war im Gegenteil total begeistert: „Es ist wirklich krass, wie gut so ein Auto hält. Und welche Kräfte da wirken. Und wie schwer die Rettungssc­here ist. Die könnte ich gar nicht halten.“

Nach dem Unfall konnte sie drei Wochen lang nicht Auto fahren. Das klappt wieder, angstfrei. Den Bruch in der Hand spürt sie heute noch. „Und ich habe Narben am Schienbein, weil die Wunde offen war. Da bleibt halt was“, sagt sie nüchtern. Als Zeugin habe sie bei der Polizei kaum Angaben machen können, weil sie sich an den Unfall nach wie vor nicht erinnert.

Um die gerichtlic­he Aufarbeitu­ng kümmert sich ein Anwalt. Gegen den anderen Fahrer hegt die junge Frau keinen Groll. „Er hat es ja nicht mit Absicht gemacht, er war auch nicht betrunken. Ich möchte nur, dass die ganzen Arztkosten bezahlt werden.“ Aktion Bei dem Aktionstag „Reinschaue­n bei deiner Feuerwehr“am Sonntag, 22. September, findet in Gottmannsh­ofen ein Infonachmi­ttag für interessie­rte Jugendlich­e ab zwölf Jahren statt. Primäres Ziel ist es, Nachwuchs für die Jugendfeue­rwehr aus den Stadtteile­n Gottmannsh­ofen, Reatshofen und Geratshofe­n zu gewinnen. Beginn ist um 14 Uhr, das Ende gegen 17 Uhr. Die Feuerwehr wird die infrage kommenden Jugendlich­en im Vorfeld persönlich bei einer „Von-Haus-zu-Haus-Aktion“zu dem Infonachmi­ttag einladen. Alle Bürger sind willkommen. Die Feuerwehr Wertingen veranstalt­et am gleichen Tag von 13 Uhr bis etwa 18 Uhr einen Tag der offenen Tür mit verschiede­nen Attraktion­en wie Fahrzeugau­sstellung, Feuerlösch­erausbildu­ng, Wasserspri­tzen, Mohrenkopf­schleuder und einer Einsatzübu­ng. Dazu gibt es Kaffee und Kuchen.

 ??  ?? So sah der Wagen von Magdalena Keiß am 1. April dieses Jahres aus. Der jungen Frau war ein Wagen samt Anhänger entgegenge­kommen, der ins Schleudern geriet und mit voller Wucht in die Seite ihres Autos prallte.
So sah der Wagen von Magdalena Keiß am 1. April dieses Jahres aus. Der jungen Frau war ein Wagen samt Anhänger entgegenge­kommen, der ins Schleudern geriet und mit voller Wucht in die Seite ihres Autos prallte.
 ?? Fotos: Feuerwehr Gottmannsh­ofen ?? Magdalena Keiß hatte einen schweren Autounfall. Vor Ort war Bastian Beck, Teamleiter der First-Responder-Gruppe Zusamtal (links), rechts Thomas Schuhwerk, Kommandant der Gottmannsh­ofer Feuerwehr.
Fotos: Feuerwehr Gottmannsh­ofen Magdalena Keiß hatte einen schweren Autounfall. Vor Ort war Bastian Beck, Teamleiter der First-Responder-Gruppe Zusamtal (links), rechts Thomas Schuhwerk, Kommandant der Gottmannsh­ofer Feuerwehr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany