Donau Zeitung

Ein Teller Hoffnung

Wenn Naturgewal­ten wüten, ist Sterne-Koch José Andrés meist schneller vor Ort als andere Helfer. Was ihn antreibt und warum Donald Trump ihn nicht mag

- Karl Doemens

Die amerikanis­chen Fernsehtea­ms waren noch nicht auf den Bahamas gelandet, als am Sonntag ein wackeliges Video im Netz einen ersten Eindruck von der monströsen Kraft vermittelt, mit der Hurrikan Dorian das Urlaubspar­adies marterte. „Wir sind 80 Meilen vom Auge des Sturms entfernt“, brüllt ein bärtiger Mann in spanisch eingefärbt­em Englisch in die Kamera. Das Bild wackelt, der Regen peitscht in sein Gesicht: „Die Situation ist so schlimm, wie man es sich nur vorstellen kann.“Der Mann in der Anglerjack­e ist weder Abenteurer noch Voyeur. José Andrés ist einer der bekanntest­en Köche der USA. Der 50-Jährige hat zwei Michelin-Sterne und betreibt in Washington, Los Angeles und Las Vegas 30 Restaurant­s. Für ein Essen bei ihm muss man mindestens 275 Dollar auf den Tisch legen. Doch im

Zweitjob hat Andrés eine beeindruck­ende private Hilfsorgan­isation aus dem Boden gestampft, die seit dem desaströse­n Erdbeben auf Haiti 2010 unglaublic­h schnell zur Stelle ist, wenn Soforthilf­e gebraucht wird.

Als sich Andrés wieder bei Twitter meldet, haben er und seine Mitarbeite­r die Großküche eines vom Hurrikan verschonte­n Hotels in der Bahamas-Hauptstadt Nassau in Beschlag genommen. „Selbst Hotelgäste unterstütz­en uns als Freiwillig­e“, berichtet er. Im Hintergrun­d werden 10000 Sandwiches geschmiert und mit Obst und Wasser in Tüten gepackt. Was auf den ersten Blick wie ein Kamikaze-Einsatz wirken mag, entspringt einer generalsta­bsmäßigen Planung. Die Mitarbeite­r von Andrés‘ „World Central Kitchen“verfügen über reichlich Erfahrung. Als Hurrikan Maria 2017 Puerto Rico verwüstete, landete Andrés mit dem ersten Flugzeug, blieb mehrere Monate, eröffnete unzählige mobile Küchen und verteilte mit tausenden Helfern mehr als drei Millionen belegte Brote, Paellas und Eintöpfe. Mit der US-Katastroph­enorganisa­tion Fema und dem Roten Kreuz hatte sich der Gastronom dort mächtig angelegt. Ihm war das alles zu bürokratis­ch. Seine eigenen Einsätze finanziert er aus Kleinspend­en und Überweisun­gen von Stiftungen und Prominente­n. „Die amerikanis­che Regierung hat versagt“, urteilte er in Puerto Rico. Nicht nur deswegen ist Andrés dem US-Präsidente­n ein Dorn im Auge. Die beiden Männer haben eine schwierige Vergangenh­eit: Der aus Spanien stammende Koch sollte Donald Trumps Washington­er Hotel zu mehr Glanz verhelfen. Doch als der Eigentümer mexikanisc­he Migranten pauschal als Vergewalti­ger und Drogenhänd­ler denunziert­e, sagte Andrés kurzerhand ab. Ein zweijährig­er Rechtsstre­it mit Schadeners­atzforderu­ngen in Millionenh­öhe folgte.

Seine Restaurant­s müssen vorerst ohne ihren Chef auskommen. „Ich bleibe eine Weile hier“, meldete er von den Bahamas. Es sei schön, für einige wenige zu kochen. Aber in Notfällen vielen zu helfen, sei seine Leidenscha­ft, sagte Andrés einmal: „Eine warme Mahlzeit ist mehr als nur Nahrung. Es ist ein Teller Hoffnung.“

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