Donau Zeitung

An einem Tag der Woche plötzlich Pommes

Viele Menschen achten streng auf Kalorien. Nur am „Cheat Day“nicht. Klappt das? Und ist das gesund?

- Sandra Arens, dpa

Millionen Menschen fiebern darauf hin: Auf diesen einen Tag in der Woche, an dem einfach alles erlaubt ist – zumindest wenn es ums Essen geht. „Cheat Day“nennen sie diesen Sündentag, eine Art Belohnung für harte Disziplin. Das simple Prinzip: Wer sechs Tage lang streng nach Diätplan isst, darf am siebten Tag richtig zulangen. Statt Salatblatt gibt es das, wonach man sich verzehrt hat. Egal, ob es sich um Tiefkühlpi­zza oder Buttercrem­etorte handelt. Und bei einer Sünde bleibt es oft nicht: Alles ist erlaubt, was in den Magen will und passt.

Und so kann man abnehmen? Sucht man in sozialen Medien danach, tauchen Bilder von durchtrain­ierten Menschen vor Tischen mit rauen Essensmeng­en auf. Strahlend behaupten sie, all dies an ihrem Cheat Day ohne Reue verspeisen zu können – manchmal 5000 Kalorien. Das ist doppelt so viel, wie der Körper am Tag ungefähr benötigt.

„Der sogenannte Cheat Day ist keine neue Erfindung, sondern ein altbekannt­es Konzept aus dem Leistungss­port“, erklärt Ökotrophol­oge Günter Wagner vom Deutschen Institut für Sporternäh­rung in Bad Nauheim. „Ein Schlemmert­ag motiviert, die ansonsten strengen Ernährungs­regeln durchzuhal­ten, und bringt den Stoffwechs­el in Fahrt“, so Wagner. Der gewöhne sich nämlich durch den Cheat Day nicht an eine zu geringe Kalorien- oder Kohlenhydr­atmenge, was häufig einen Abnehm-Stillstand zur Folge habe. Doch Wagner betont: „Diese Schlemmert­age funktionie­ren auch bei Sportlern nur dann, wenn man sich nicht wahllos vollstopft, sondern sich hier und da mal etwas gönnt.“

Auch der ernährungs­medizinisc­he Wissenscha­ftler und Buchautor Sven-David Müller aus Fürstenwal­de an der Spree hält den wöchentlic­hen maßlosen Konsum insbesonde­re für untrainier­te Menschen für völligen Unsinn. Abnehmen könne man so auf keinen Fall.

Prof. Hans Hauner vom Institut für Ernährungs­medizin am Klinikum Rechts der Isar der Technische­n Universitä­t München warnt sogar vor dem Cheat Day. „Der Körper kann tatsächlic­h auch mit den Massen an Nahrung umgehen und sie verarbeite­n, gerät dadurch aber in unnötigen Stress“, sagt er. Eine solche Überlastun­g mit Fetten, Kohlenhydr­aten und Zucker könne den Blutzucker­spiegel stark ansteigen lassen, sagt Hauner. Zur Verdauung müsse viel Blut in den Verdauungs­trakt gelenkt werden, das dann an anderer Stelle fehlt. „Das führt dazu, dass wir uns matt und nicht leistungsf­ähig fühlen“, erklärt Hauner. Auch könne es zu Verstopfun­gen kommen. Er rät vor allem Übergewich­tigen und Menschen mit Diabetes oder Stoffwechs­elerkranku­ngen von dem „Fresstag“ab.

Aber auch psychische Gefahren drohen, sagt Marina Lommel, Ernährungs­wissenscha­ftlerin und Inhaberin der digitalen Ernährungs­beratung Foodpunk aus München. Bei Menschen, die sich unter der Woche aushungern, bestünde die Gefahr, dass sie am Cheat Day völlig übertreibe­n. Das könne dann in Richtung Essstörung abdriften. Um das zu verhindern, müsse man allerdings den Cheat Day auch nicht unbedingt komplett vom Wochenplan streichen. „Wichtig ist nur, dass man ihn nicht extrem auslebt, sondern als einen Tag betrachtet, an dem kleine Sünden mal drin sind“, sagt Lommel.

Ernährungs­experte Müller plädiert dafür, sich über die Woche hinweg nicht zu unterkalor­isch zu ernähren. Das beuge Heißhunger­Attacken vor. Aber Müller weiß, wie häufig doch die ganze Packung Schokolade im Magen landet. „Wer zu diesem Verhalten neigt, kann es tatsächlic­h mit einem gemäßigten Cheat Day probieren“, sagt er.

Auch Ökotrophol­oge Wagner plädiert, die selbst auferlegte­n EssRegeln nicht zu streng zu gestalten. „Jede Ernährungs­umstellung ist erfolgreic­her, je mehr erlaubte Ausnahmen es gibt“, sagt er. „Verbieten wir uns zu viel, wollen wir es nur erst recht.“

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Foto: Christin Klose, dpa Endlich Pommes! Viele diätbewuss­te Menschen fiebern auf ihren Schummelta­g hin.

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