An einem Tag der Woche plötzlich Pommes
Viele Menschen achten streng auf Kalorien. Nur am „Cheat Day“nicht. Klappt das? Und ist das gesund?
Millionen Menschen fiebern darauf hin: Auf diesen einen Tag in der Woche, an dem einfach alles erlaubt ist – zumindest wenn es ums Essen geht. „Cheat Day“nennen sie diesen Sündentag, eine Art Belohnung für harte Disziplin. Das simple Prinzip: Wer sechs Tage lang streng nach Diätplan isst, darf am siebten Tag richtig zulangen. Statt Salatblatt gibt es das, wonach man sich verzehrt hat. Egal, ob es sich um Tiefkühlpizza oder Buttercremetorte handelt. Und bei einer Sünde bleibt es oft nicht: Alles ist erlaubt, was in den Magen will und passt.
Und so kann man abnehmen? Sucht man in sozialen Medien danach, tauchen Bilder von durchtrainierten Menschen vor Tischen mit rauen Essensmengen auf. Strahlend behaupten sie, all dies an ihrem Cheat Day ohne Reue verspeisen zu können – manchmal 5000 Kalorien. Das ist doppelt so viel, wie der Körper am Tag ungefähr benötigt.
„Der sogenannte Cheat Day ist keine neue Erfindung, sondern ein altbekanntes Konzept aus dem Leistungssport“, erklärt Ökotrophologe Günter Wagner vom Deutschen Institut für Sporternährung in Bad Nauheim. „Ein Schlemmertag motiviert, die ansonsten strengen Ernährungsregeln durchzuhalten, und bringt den Stoffwechsel in Fahrt“, so Wagner. Der gewöhne sich nämlich durch den Cheat Day nicht an eine zu geringe Kalorien- oder Kohlenhydratmenge, was häufig einen Abnehm-Stillstand zur Folge habe. Doch Wagner betont: „Diese Schlemmertage funktionieren auch bei Sportlern nur dann, wenn man sich nicht wahllos vollstopft, sondern sich hier und da mal etwas gönnt.“
Auch der ernährungsmedizinische Wissenschaftler und Buchautor Sven-David Müller aus Fürstenwalde an der Spree hält den wöchentlichen maßlosen Konsum insbesondere für untrainierte Menschen für völligen Unsinn. Abnehmen könne man so auf keinen Fall.
Prof. Hans Hauner vom Institut für Ernährungsmedizin am Klinikum Rechts der Isar der Technischen Universität München warnt sogar vor dem Cheat Day. „Der Körper kann tatsächlich auch mit den Massen an Nahrung umgehen und sie verarbeiten, gerät dadurch aber in unnötigen Stress“, sagt er. Eine solche Überlastung mit Fetten, Kohlenhydraten und Zucker könne den Blutzuckerspiegel stark ansteigen lassen, sagt Hauner. Zur Verdauung müsse viel Blut in den Verdauungstrakt gelenkt werden, das dann an anderer Stelle fehlt. „Das führt dazu, dass wir uns matt und nicht leistungsfähig fühlen“, erklärt Hauner. Auch könne es zu Verstopfungen kommen. Er rät vor allem Übergewichtigen und Menschen mit Diabetes oder Stoffwechselerkrankungen von dem „Fresstag“ab.
Aber auch psychische Gefahren drohen, sagt Marina Lommel, Ernährungswissenschaftlerin und Inhaberin der digitalen Ernährungsberatung Foodpunk aus München. Bei Menschen, die sich unter der Woche aushungern, bestünde die Gefahr, dass sie am Cheat Day völlig übertreiben. Das könne dann in Richtung Essstörung abdriften. Um das zu verhindern, müsse man allerdings den Cheat Day auch nicht unbedingt komplett vom Wochenplan streichen. „Wichtig ist nur, dass man ihn nicht extrem auslebt, sondern als einen Tag betrachtet, an dem kleine Sünden mal drin sind“, sagt Lommel.
Ernährungsexperte Müller plädiert dafür, sich über die Woche hinweg nicht zu unterkalorisch zu ernähren. Das beuge HeißhungerAttacken vor. Aber Müller weiß, wie häufig doch die ganze Packung Schokolade im Magen landet. „Wer zu diesem Verhalten neigt, kann es tatsächlich mit einem gemäßigten Cheat Day probieren“, sagt er.
Auch Ökotrophologe Wagner plädiert, die selbst auferlegten EssRegeln nicht zu streng zu gestalten. „Jede Ernährungsumstellung ist erfolgreicher, je mehr erlaubte Ausnahmen es gibt“, sagt er. „Verbieten wir uns zu viel, wollen wir es nur erst recht.“