Donau Zeitung

Macht Facebook jetzt Likes unsichtbar?

In dem sozialen Medium könnten Gefällt-mir-Angaben künftig nicht mehr öffentlich angezeigt werden. Ein Experte erklärt, was das Nutzern bringt und wie Facebook davon profitiert

- Interview: Teresa Reindl

Fehrensen, warum diskutiert Facebook darüber, Gefällt-mir-Angaben künftig nicht mehr öffentlich anzuzeigen?

Martin Fehrensen: Studien zeigen, dass viele User leiden, wenn sie selbst keinen Zuspruch auf ihre Posts bekommen, andere hingegen schon. Deshalb denkt Facebook darüber nach, sich in Zukunft stärker von Kennzahlen wie Likes zu trennen und so den Konkurrenz­druck zu minimieren. Facebook gibt den Kümmerer. Das ist aber nur die eine Wahrheit: Außerdem will Facebook seine Nutzer dazu animieren, sich wieder mehr im Newsfeed zu artikulier­en. Also an dem Ort, an dem Nutzern die Neuigkeite­n ihrer Freunde zentral angezeigt werden.

Warum ist der Newsfeed so wichtig für Facebook?

Fehrensen: Der Newsfeed fungiert als Gelddruckm­aschine, indem Facebook dort Werbung ausspielt. Je weniger Menschen den Newsfeed

Alles dreht sich um Likes und Follower

nutzen, desto weniger Geld kann Facebook verdienen. Daher ist Facebook darauf angewiesen, dass der Newsfeed möglichst attraktiv bleibt. Genau das Gegenteil ist aber der Fall: Das Engagement auf dieser großen Bühne wird immer weniger, bevorzugt wird in kleinen Gruppen geschriebe­n. Das Kernproduk­t von Facebook wackelt.

Inwiefern hofft Facebook, dass der Newsfeed wieder mehr benutzt wird, wenn es keine öffentlich­en Likes mehr gibt?

Fehrensen: Das liegt am geringeren Konkurrenz­druck: Es gibt online immer mehr profession­elle Medien und Inhalte-Anbieter. Nutzer haben Angst, mit ihren privaten Beiträgen, zum Beispiel Fotos, nicht mehr mithalten zu können. Da diese nun nicht mehr öffentlich bewertet werden, sollen Benutzer den Newsfeed wieder aktiver nutzen.

Welche negativen Folgen hätte es für Facebook, wenn nicht mehr jeder die Gefällt-mir-Angaben sieht? Fehrensen: Die Industrie dreht sich vor allem darum, wie viele Follower, Abonnenten und Likes ein User bekommt. Da sich diese Zahlen auf die Vermarktun­g von Produkten auswirken, schließen Firmen auf dieser Grundlage Werbevertr­äge ab. Die Ersatzwähr­ung auf diesen Seiten funktionie­rt somit nicht mehr.

Halten Sie das Vorhaben für sinnvoll? Fehrensen: Generell ja, wenn dadurch weniger Konkurrenz­druck entsteht und Vergleiche vermieden werden. Allerdings ist das ja nur die halbe Wahrheit: Der finanziell­e Aspekt, über den wir gesprochen haben, spielt auch eine Rolle. Man sollte der PR von Facebook nicht verfallen.

Reicht es, Likes zu streichen, um negaHerr tiven Effekten auf die menschlich­e Psyche entgegenzu­wirken? Fehrensen: Das Problem wird nicht vollständi­g beseitigt. Der Mensch sucht von Natur aus Konkurrenz­situatione­n. Hierauf waren die Plattforme­n zu lange ausgelegt. Wenn die Plattforme­n es schaffen, den Dialog wieder mehr in den Mittelpunk­t zu rücken, ist viel gewonnen.

Wird sich dieses Modell allgemein durchsetze­n?

Fehrensen: Das entscheide­n die Geschäftsz­ahlen. Auch Instagram testet ein solches Modell, bei dem Likes auf Posts nicht mehr öffentlich angezeigt werden. Derzeit wird dies in sieben Ländern – Brasilien, Australien, Irland, Italien, Japan, Neuseeland und Kanada – umgesetzt. Wenn die User dadurch motiviert werden, die Plattform aktiver zu benutzen und wieder mehr zu posten, ja. Ansonsten vermutlich nicht. Wir haben es hier mit einem ersten Entwurf zu tun, wie dieser am Ende aussieht, weiß keiner. Martin Fehrensen beschäftig­t sich als Kulturanth­ropologe, Journalist und Blogger unter anderem in dem von ihm gegründete­n „Social Media Watchblog“mit dem digitalen Wandel.

 ?? Fotos: Jens Büttner, dpa; Robert Winter ?? Das Daumen-hoch-Symbol von Facebook ist weltweit bekannt. Doch seine Verwendung ist umstritten: Zahlreiche Nutzer machen sich abhängig von der Zustimmung, die sie auf ihre Beiträge erhalten.
Fotos: Jens Büttner, dpa; Robert Winter Das Daumen-hoch-Symbol von Facebook ist weltweit bekannt. Doch seine Verwendung ist umstritten: Zahlreiche Nutzer machen sich abhängig von der Zustimmung, die sie auf ihre Beiträge erhalten.
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