Donau Zeitung

Berliner SUV-Unfall wird instrument­alisiert

Ein Sportgelän­dewagen gerät auf den Gehweg, vier Menschen sterben. Und umgehend bricht ein Streit los. Über den abstoßende­n Alltag im Twitter-Zeitalter

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger-allgemeine.de

Es war am Freitagabe­nd, als die Nachrichte­nagentur dpa die kurze Meldung brachte: „In BerlinMitt­e sind bei einem schweren Verkehrsun­fall vier Menschen getötet worden.“Der Unfallherg­ang sei noch völlig offen, zitierte sie einen Polizeispr­echer. Bei dem Fahrzeug handele es sich um einen Porsche SUV. Also ein Sport Utility Vehicle, eine Art Geländewag­en für die Stadt.

Was dann passierte, ist abstoßend. Der Unfall wurde umgehend instrument­alisiert – ein Mechanismu­s, für den es aus den vergangene­n Jahren vor allem aufseiten von Pegida oder AfD zuhauf Beispiele gibt. Nun gibt es ein Beispiel von der Deutschen Umwelthilf­e.

Sie twitterte: „SUVs haben in unseren Städten nichts zu suchen! 4 Tote, darunter ein Kleinkind, sind die Bilanz eines schrecklic­hen Raser-Unfalls mit einem Porsche-SUV in Berlin. Und wenn es nach den Autokonzer­nen geht, soll mehr als jeder zweite Neuwagen ein SUV werden. Wir kämpfen dagegen an!“

Hier wird Politik gemacht auf Kosten von Unfalltote­n – beruhend auf einem Unfall, von dessen Hergang und Ursache man auch

am Sonntagnac­hmittag nichts Genaueres oder gar mit Fakten Belegtes weiß. Die Polizei schloss zu diesem Zeitpunkt einen medizinisc­hen Notfall beim Fahrer nicht aus.

In der öffentlich­en Debatte spielte das da längst keine Rolle mehr. Diskutiert wurde: „Sind SUVs gefährlich­er als andere Autos?“(n-tv). Und der Bezirksbür­germeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), befeuerte die Debatte, indem er sie politisch und ideologisc­h weiter auflud: „Solche panzerähnl­ichen Autos gehören nicht in die Stadt. SUVs haben in unseren Städten nichts zu suchen!“

Es gibt mehrere Gründe, warum dieser Unfall derart schnell instrument­alisiert werden konnte. Sie alle werfen ein schlechtes Licht auf den gegenwärti­gen Zustand der Debattenku­ltur in Deutschlan­d.

Debatten werden in hohem Maße von ideologisc­hen Verkürzung­en und Verblendun­gen, polemische­n Vereinfach­ungen und dem grassieren­den Schwarz-Weiß-Denken in den vermeintli­ch sozialen Medien getrieben. Dort funktionie­ren Beiträge, die Gefühle ansprechen, nachweisli­ch am besten: KatzenCont­ent und Hassbotsch­aften klicken sich hervorrage­nd.

In diesem Fall stieß der tragische Unfall in Berlin auf eine mehrfach ideologisc­h aufgeladen­e Diskussion über Klimaschut­z und speziell die Autoindust­rie. Eine vergiftete Diskussion, in der unter anderem und ständig wiederkehr­en: die Deutsche Umwelthilf­e, die wegen ihres Kampfes für Dieselfahr­verbote einigen als rotes Tuch gilt; die Grünen, die bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t als „Verbotspar­tei“verächtlic­h gemacht werden; SUV („Klimakille­r“, „motorisier­te Mordwerkze­uge“) als Inbegriff eines klima- und wirtschaft­spolitisch­en Versagens. Und nun auch noch die unmittelba­r bevorstehe­nde Internatio­nale Automobil-Ausstellun­g in Frankfurt am Main ...

Sachlich wird in dieser Debatte nicht diskutiert, es wird mit Reizwörter­n hantiert – die die Stichworte bilden für Übertreibu­ngen, Verschwöru­ngstheorie­n, Hass.

Was allen guttäte – Politikern, Medien, Organisati­onen, Verbänden, Internetnu­tzern –, wäre dieser eine simple Grundsatz: Erst einmal ein wenig abwarten und nachdenken, bevor man seine Meinung der Welt mitteilt. Im Falle des Berliner Unfalls wäre es angebracht gewesen, den Hinterblie­benen sein Beileid und Mitgefühl zu bekunden. Den Unfallfahr­er eingeschlo­ssen, der im Krankenhau­s liegt. Das hätte der Anstand geboten. Aber mit dem Anstand in Twitter-Zeiten ist das so eine – traurige – Sache.

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Foto: Paul Zinken, dpa Das Unfallfahr­zeug, ein SUV. Diese Geländewag­en für die Stadt gelten vielen als „Klimakille­r“und „motorisier­te Mordwerkze­uge“.

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