Die Lust am Anderssein
„Spieler im Park“heißt das neue Buch des aus Gundelfingen stammenden Autors Tiny Stricker. Englische Parks und Illusionen
Gundelfingen/Winnert „Die 68er lasen Karl Marx und redeten unablässig über Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, aber eigentlich standen sie dem Taugenichts näher.“Mit dieser Einordnung hat der Literaturwissenschaftler Rüdiger Safranski die Anhänger der 68er-Bewegung in die Nähe jenes Weltbildes gerückt, das Eichendorffs Held in der Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“repräsentiert.
Die Behauptung, dass die Lust am gesellschaftlichen Anderssein in der Zeit um 1968 auf romantischen Wurzeln beruht, wird sehr überzeugend unterstrichen durch die Story in Tiny Strickers neuestem Buch, das soeben unter dem Titel „Spieler im Park“vom Verlag p.machinery im friesischen Winnert ediert wurde. Der Autor, am 23. August 1949 in Gundelfingen als Heinrich Stricker geboren, hat sich mit seinen Büchern als ein Begründer der Pop-Literatur profiliert. Vor allem die Bände „Trip-Generation“und „Unterwegs nach Essaouira“dokumentieren die Ideenund Gedankenwelt der 68er-Revolte und der Hippie-Bewegung. Stricker, der sich seinen englischen Vornamen während einer Asienreise als Anspielung auf seine Körpergröße einhandelte, lebte, wie er später als Mitarbeiter des GoetheInstituts Repros: Pawlu bekannte, für einige wenige Jahre als Hippie „on the road“. Das Buch „Spieler im Park“entstand in seinen Grundzügen erst in den Jahren 1975 bis 1977, als Stricker sich allmählich den bürgerlichen Verpflichtungen beugte, da er als Lektor in England arbeitete. Er, der 1969 das Abitur am Musischen Gymnasium Lauingen abgelegt und anschließend in München Anglistik, Amerikanistik und Germanistik studiert hatte, genoss in England noch einmal die romantisch inspirierte Sehnsucht nach spielerischer Freiheit. In seinem Buch liefern die englischen Parks die prachtvollen Kulissen, vor denen sich Illusionen wie „Das Träumerische dieser Abende, die zwischen Wolkenschleiern zitternden Überreste des Sonnenuntergangs, die ineinanderfließenden Linien und Farben“erleben lassen. Sogar die Universität wird zu einem „magischen Garten“. Die Spaziergänge gewinnen „eine besondere Gefühlsintensität“, zumal ein Kassettenrekorder „sehnsüchtige Lieder in die Nacht hinauswarf“und den „Abschied von der Zivilisation“unterstützt. Naturschilderungen wie „federleicht wirkten die Bäume, Goldstrahlen funkelten in den Alleen und man beneidete die Spaziergänger, die ruhig und selig dahinzuwandeln schienen“könnten auch von Novalis erdacht worden sein.
Die Intensität des Erlebens wird gesteigert durch die freundschaftliche Verbundenheit mit dem englischen Schauspieler Michael. Er wird zum Cicerone, zum kundigen Fremdenführer bei diesem „Schweben zwischen den Welten“. Tiny Stricker macht in dieser bemerkenswerten Reiseschilderung verständlich, weshalb „Träumerei der Schönheit zuträglich ist“und dass das Wandern durch die Landschaft als „Zurückfinden zur wahren Natur“, als „Verzicht auf alles Überflüssige“und als „Konzentration auf das Wesentliche“zu verstehen ist.
Diesem Weltbild der „Spieler im Park“entspricht auch der Stil des Buches. Tiny Stricker kleidet seine Beobachtungen in einen unkomplizierten, aber korrekten Stil, der die schwärmerischen Inhalte unterstützt und das Spiel im Park in eine träumerische Gegenwelt zur Realität verwandelt.
OTiny Stricker, „Spieler im Park“, p-machinery-Verlag Winnert, Gebundenes Buch, Taschenbuch oder E-Book, 68 Seiten, illustriert mit Fotos von englischen Parklandschaften.