Apple: Ein Mythos verliert an Kraft
Lange das wertvollste Unternehmen der Welt, schwächelt der Konzern nun. Zehn Jahre nach dem Verlust von Gründerlegende Steve Jobs an der Spitze: Was fehlt?
Es ist leicht, hochzukommen – verglichen damit, wie schwer es ist, oben zu bleiben. Ob diese klassische Lehre des wirtschaftlichen wie sportlichen Wettbewerbs an der Spitze der Märkte noch immer gültig ist, konnte man zuletzt durchaus anzweifeln. Wie sich die ohnehin schon (erfolg-)reichsten Fußballvereine auch die besten Spieler kaufen und die nationalen und internationalen Topplätze in der Regel unter sich ausmachen, so wirkt auch die Spitze der Unternehmen unverrückbar: GAFAM! Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft – die wertvollsten Marken der Welt, die globalen Gewinner des digitalen Zeitalters, je in ihrem Bereich nicht nur Marktführer, sondern Marktbestimmer.
Doch ausgerechnet an der Spitze dieses fünfgliedrigen US-Imperiums scheint sich die alte Lehre doch
in Geltung zu setzen. Der Fall Apple: Zehn Jahre, nachdem sich mit Steve Jobs (da bereits todkrank) jene Gründerlegende zurückgezogen hat, mit der noch jede Vorstellung einer weiteren Gerätegeneration zur visionären Offenbarung wurde, ist das neue iPhone heute mehr denn je nur noch: ein technisch weiterentwickeltes Produkt halt. In nackten Zahlen ausgedrückt: Die langjährige Nummer eins schwächelt, laut Statista liegt inzwischen Amazon mit gut 315 Milliarden Dollar Marktwert sogar vor dem Apfelkonzern, der quasi gleichauf mit Google auf 309 Milliarden kommt. Das zeugt freilich längst von keiner existenziellen Krise – aber ein bedeutender Knick ist es allemal. Gerade weil es Apple ist, unter GAFAM nämlich die Marke, die mit Abstand am meisten von ihrem Image, ihrem Mythos lebt. Weil ihre Produkte handfeste Dinge sind, die mit ihrem Logo zum Kult, zum Fetisch der Konsumgesellschaft geworden sind.
Was die Produkte angeht, haben Wettbewerber wie Samsung und Huawei ja längst aufgeholt. Entscheiden, ob Apple oben bleibt, wird aber, ob sich die Marke ihre ikonische Kraft bewahrt, ob sie Fetisch bleibt.
Mit iPods und iPhones, iPads, iMacs und iTunes hat sich der Apfel über die vergangenen bald 20 Jahre so tief in die Alltagskultur eingeschrieben, dass er etwa auch in Filmen wie selbstverständlich vom Laptop-Rücken blinkt, vom Hollywood-Blockbuster bis zum kleinen, unabhängigen Art-HouseStreifen. Apple ist mit der Mischung aus Chic und Fortschritt Teil der Pop-Kultur geworden, auf den Spuren von Klassikern wie CocaCola und McDonald’s, Marlboro, Kodak und Disney – ein Newcomer im Marken-Olymp wie Red Bull.
Aber die Vergleiche zeigen schon, dass auch hier die Mitgliedschaft keine ewig gleichbleibende sein muss. Kodak hat die technische Revolution verschlafen und ist tot; Marlboro ist geschrumpft, weil sich der Zeitgeist abgewendet hat. McDonald’s versucht, seinen Markenkern so zu weiten, dass er sich mit dem Zeitgeist wandeln kann und behauptet sich noch immer unter den Top 10 der wertvollsten Marken (Platz 9 mit gut 130 Milliarden Dollar). Und Disney wiederum hat selbst seinen Markenkern praktisch aufgegeben – ist aber dennoch gewachsen! Weil der Konzern sich mit Zukäufen wie „Star Wars“, Marvel-Comic-Verfilmungen und anderer Produktionsstudios wie Fox zur herrschenden Branchenmacht verbreitert hat.
Was also wird aus Apple, dem Mythos und den Milliarden werden? Wahrscheinlich ist es sehr viel wichtiger, dass die Erben von Steve Jobs auf diese Frage eine Antwort finden. Denn das den visionären Mythos lange tragende Smartphone ist wohl ein nahezu auserzähltes Produkt. Wer da oben bleiben will, setzt wie Coca-Cola nur noch aufs Image. Ansonsten braucht Apple wohl bald wirklich dringend das nächste heiße Ding.
Marlboro war auch mal cool, Kodak auch mal innovativ