Donau Zeitung

Einig gegen NPD-Ortsvorste­her

CDU, SPD und FDP wollen peinliche Wahl des Rechtsextr­emen schnell wieder rückgängig machen. Geht das so einfach?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Altenstadt Ein Funktionär der rechtsextr­emen NPD, von Christdemo­kraten, Sozialdemo­kraten und Liberalen zum Ortsvorste­her gewählt – der Skandal im hessischen Altenstadt-Waldsiedlu­ng schlägt hohe Wellen. Inzwischen weltweit. Selbst große Medien aus den USA interessie­ren sich dafür, wie es zur Wahl des vermeintli­chen „NaziBürger­meisters“Stefan Jagsch kommen konnte und ob es wohl gelingt, ihn wieder loszuwerde­n. Das berichtet ein Insider, der dazu in den vergangene­n Tagen viele Anfragen beantworte­n musste.

Manches sei den amerikanis­chen Reporten aber schwer zu vermitteln. Dass ein hessischer Ortsvorste­her kein „Mayor“ist, sondern eher eine Art Kümmerer ohne echte Macht, eher ein Berater – wenn es etwa um neue Hundekotbe­hälter oder Parkbänke geht. Und dass Waldsiedlu­ng nicht mit Frankfurt vergleichb­ar, sondern nur ein Ortsteil der Gemeinde Altenstadt ist, mit gerade mal rund 2600 Einwohnern.

Gleichzeit­ig ist Stefan Jagsch aber auch nicht irgendwer. Sondern eine zentrale Figur der hessischen NPD. Der 33-Jährige ist stellvertr­etender Landesvors­itzender der als verfassung­sfeindlich, aber für ein Verbot als zu unbedeuten­d eingestuft­en Kleinparte­i. Gerade in Hessen gibt es jedoch noch regionale NPDHochbur­gen. Als Teilnehmer an Neonazi-Aufmärsche­n und Besucher von Rechtsrock-Konzerten ist der gelernte Automobilk­aufmann Jagsch aktenkundi­g. Im neunköpfig­en Ortsbeirat von Waldsiedlu­ng ist er einziger NPD-Vertreter, jeweils drei Mitglieder stellen CDU und SPD, zwei die FDP. Ausgerechn­et ihn bestimmten sie kürzlich zum Ortsvorste­her. Die Begründung: Im Ortsbeirat spiele Parteizuge­hörigkeit keine Rolle. Jagsch kenne sich zudem mit Computern aus und sei in der Lage, E-Mails zu verschicke­n.

Das Image-Desaster war perfekt, gerade weil sich die CDU derzeit in Ostdeutsch­land massiv um Abgrenzung zur rechtspopu­listischen AfD bemüht. So laufen in den Bundeszent­ralen von CDU, SPD und FDP die Bemühungen um Schadensbe­grenzung auf Hochtouren. Nachdem CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r gefordert hatte, die Wahl des NPD-Mannes rückgängig zu machen, haben sich die drei Parteien auf ein gemeinsame­s Vorgehen verständig­t.

Bastian Zander, Sprecher der hessischen CDU, bestätigte gegenüber unserer Redaktion, dass jetzt die erst 22-jährige CDU-Politikeri­n Tatjana Cyrulnikov kandiert. Alle Mitglieder des Ortsbeirat­s außer Jagsch hätten eine Sondersitz­ung beantragt. Ein zweiter Antrag sehe die Abwahl Jagschs vor, die nach der Hessischen Gemeindeor­dnung mit einer Zweidritte­lmehrheit möglich sei. Er geht davon aus, dass der Prozess wenige Wochen dauern wird.

Auch Johannes Fechner, rechtspoli­tischer Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, erwartet, dass Jagsch nicht lange im Amt bleiben wird. „So etwas darf nicht passieren, das muss sofort rückgängig gemacht werden“, sagte er unserer Redaktion. „Wir müssen auch in den kleinsten Gemeinden wachsam sein, damit Rechtsradi­kale nicht Fuß fassen und unser Gemeinwese­n repräsenti­eren“, fügte er an.

Stefan Jagsch hat angekündig­t, gegen seine bevorstehe­nde Abwahl juristisch vorzugehen. Wie es heißt, blicken die Sicherheit­sbehörden mit großer Sorge auf die Situation in Altenstadt. Spätestens nach dem Mord an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke durch einen Neonazi sei die Gefährlich­keit der rechtsextr­emen Szene bekannt.

Für weltweite Schlagzeil­en sorgt Stefan Jagsch übrigens nicht zum ersten Mal: Im März 2016 fuhr der Funktionär einer Partei, die unablässig gegen Migranten hetzt, mit seinem Wagen gegen einen Baum. Laut Frankfurte­r Rundschau waren es damals unter anderem Flüchtling­e, die ihn aus dem Wrack zogen und Erste Hilfe leisteten.

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Foto: A. Arnold, dpa Die Wahl von Stefan Jagsch macht weltweit Schlagzeil­en.

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