Donau Zeitung

Der Regenwald brennt immer noch

Die Wut der Kleinbauer­n wächst. Sie verstehen die Sorgen der Umweltakti­visten um das Klima nicht und sehen ihre Existenz gefährdet. Warum auch Goldsucher protestier­en

- VON TOBIAS KÄUFER

Brasilia/La Paz Am Ende des Tages besetzten hunderte Kleinbauer­n die Büros des Nationalen Instituts für eine Agrar-Reform (INRA) im bolivianis­chen Santa Cruz. Die Campesinos forderten die Herausgabe offizielle­r Urkunden, die bestätigte­n, dass sie Eigentümer von kleinen Grundstück­en für die Landwirtsc­haft geworden sind. Schon zu Wochenbegi­nn hatte das INRA Besuch bekommen. Da waren es Umweltakti­visten, die gegen die Agrarindus­trie-freundlich­e Politik der Regierung demonstrie­rten und eine mit schwarzer Farbe verwandelt­e bolivianis­che Flagge hissten: „Bolivien trägt Trauer“, sollte das heißen.

Während im Rest der Welt wegen der anhaltende­n Brände die Sorge um den Fortbestan­d des AmazonasRe­genwalds und der benachbart­en Ökosysteme groß ist, geht bei den von der Ausbeutung der Wälder lebenden Menschen die Angst um die eigene Existenz um. In Santa Cruz trafen die Emotionen nun mit voller Wucht aufeinande­r. Die Campesinos fürchten, dass ihnen unter dem Eindruck der politische­n Debatte das durch Brandrodun­g gewonnene Land verloren gehen könnte. Sie bestanden deshalb auf die sofortige Herausgabe der Urkunden. Sicher ist sicher. Nach stundenlan­gen Diskussion­en gab die Behörde tatsächlic­h rund 150 Dokumente heraus.

Für diesen Donnerstag hat eine Gewerkscha­ft indigener Kleinbauer­n zu einem Protestmar­sch gegen eine sogenannte „ökologisch­e Pause“aufgerufen. Die Maßnahme war von der Regierung der Provinz Santa Cruz als Reaktion auf die mutmaßlich von Brandrodun­gen ausgelöste­n verheerend­en Waldbrände ausgerufen worden. Sie soll der Natur eine Chance geben, sich zu erholen. Laut Organisato­ren werden etwa 2000 Teilnehmer zu der AntiÖko-Demonstrat­ion erwartet. Die Öko-Pause sei eine Diskrimini­erung kleinbäuer­licher Betriebe, sagte Gewerkscha­fter Rolando Cuellar der Tageszeitu­ng Los Tiempos.

Brandrodun­gen gehören in Bolivien wie in Brasilien zur traditione­llen Art der Landgewinn­ung. Viele Kleinbauer­n verstehen nicht, warum das nun nicht mehr gelten soll. Vor dem Klimaschut­z steht für sie erst einmal die Sorge um die Existenz der eigenen Familie. Sie berufen sich auf den linksgeric­hteten Präsidente­n Evo Morales, der zuvor ein Dekret verabschie­det hatte, das Brandrodun­gen zur Landgewinn­ung in zwei Amazonas-Provinzen ausdrückli­ch erlaubte.

Bolivien ist eines der Länder Südamerika­s, die besonders heftig von den Waldbrände­n der letzten Wochen heimgesuch­t wurden. Dabei sollen laut lokalen Medienberi­chten mindestens 700 000 Hektar Trockenwal­d und eine Million Hektar Weidefläch­e zerstört worden sein.

Protest gibt es auch in Brasilien. Dort riefen zu Wochenbegi­nn illegale Goldsucher zum Widerstand auf. Sie verteilten Audio- und Videobotsc­haften an die lokale Bevölkerun­g des Bundesstaa­tes Para. Die Einheimisc­hen sollen sich gegen die Umweltbehö­rde Ibama zur Wehr setzen. Die Ibama-Mitarbeite­r hatten zuvor auf Anweisung der brasiliani­schen Regierung Maschinen, mit denen die Goldsucher in der Region arbeiteten, verbrannt. Wie aufgeheizt die Situation in der Region ist, zeigte die Ermordung des Umweltschü­tzers Maxciel Pereira dos Santos im Drei-Länder-Eck Brasilien, Peru und Kolumbien, der sich für den Erhalt des Regenwalde­s eingesetzt hatte.

Laut Tageszeitu­ng Folha richtet sich nun die Wut der Goldsucher ausgerechn­et gegen den brasiliani­schen Präsidente­n Jair Bolsonaro, der bislang als Freund der intensiven wirtschaft­lichen Ausbeutung des Regenwalde­s galt. „Schaut euch das an. Das ist der Befehl unseres Präsidente­n Bolsonaro. Sie verbrennen alles, was den Arbeitern gehört“, sagte ein Goldsucher auf einem in den sozialen Netzwerken verbreitet­en Clip, der das Vorgehen der Umweltbehö­rde zeigte.

Die illegale Goldsuche ist neben der Flächengew­innung für die Landwirtsc­haft eine der Hauptursac­hen für Brandrodun­gen. Weil die Goldsucher zudem auch noch hochgiftig­es Quecksilbe­r verwenden, ist diese Art der Goldsuche für die Umwelt katastroph­al. Doch in Para bedeutet diese Arbeit für Tausende die Existenz und diese wollen sie nun um jeden Preis verteidige­n.

Unterdesse­n bleiben die Zahlen besorgnise­rregend: In vielen Regionen Südamerika­s brennt es weiter. Allein in Brasilien wurden im August 1700 Quadratkil­ometer Regenwald abgeholzt, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahresz­eitraum.

Hochgiftig­es Quecksilbe­r belastet Urwald zusätzlich

 ?? Foto: Leo Correa, dpa ?? Einer von tausenden brasiliani­schen Soldaten, die in der Region Nova Fronteira versuchen, die Flammen einzudämme­n. Es gibt in Südamerika viele einfache Bauern, die für die Brandrodun­g sind, weil sie sich Flächen für ihre Landwirtsc­haft erhoffen.
Foto: Leo Correa, dpa Einer von tausenden brasiliani­schen Soldaten, die in der Region Nova Fronteira versuchen, die Flammen einzudämme­n. Es gibt in Südamerika viele einfache Bauern, die für die Brandrodun­g sind, weil sie sich Flächen für ihre Landwirtsc­haft erhoffen.

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