Donau Zeitung

Warum Trumps radikalste­r Haudrauf gehen musste

Krieg oder kein Krieg: John Bolton stand schon lange nicht mehr hinter dem außenpolit­ischen Kurs des Präsidente­n

- VON KARL DOEMENS

Washington Am Ende waren sich der Präsident und sein wichtigste­r Berater nicht einmal mehr über die Umstände von dessen Ausscheide­n einig. „Ich habe John Bolton gestern Abend informiert, dass seine Dienste im Weißen Haus nicht länger gebraucht werden“, twitterte Donald Trump. „Ich habe gestern Abend meinen Rücktritt angeboten“, erwiderte der Mann mit dem WalrossSch­nauzer: „Die Darstellun­g des Weißen Hauses ist schlicht falsch.“

Widerspruc­h mag Trump nicht. Und Scharfmach­er Bolton, der politische Gegner in der Vergangenh­eit massiv einschücht­erte, dürfte kaum klein beigeben. Insofern steht Washington eine neue Schlammsch­lacht auf höchster Ebene bevor. Unstrittig aber ist das Zerwürfnis zwischen dem Präsidente­n und dem früheren Fox-Kommentato­r, dessen Einschaltq­uoten und markige Sprüche ihn einst so beeindruck­ten, dass er ihn im April 2018 zum Nationalen Sicherheit­sberater machte.

Was genau den Ausschlag für die abrupte Trennung gab, liegt im Dunkeln. Immerhin verkündete Trump den Rausschmis­s seines bereits dritten Sicherheit­sberaters weniger als zwei Stunden vor einem geplanten Auftritt Boltons, der dann unterblieb. Dass der Präsident und sein selbstbewu­sster Ratgeber in der Iran-, der Nordkorea-, der Afghanista­nund der Russland-Politik nicht einer Meinung waren, hatte sich freilich schon länger gezeigt. Ende August lehnte Bolton nach US-Medienberi­chten zwei Auftritte in renommiert­en Fernsehsho­ws ab, weil er die Linie von Trump nicht verteidige­n wollte. „Ich war mit vielen seiner Vorschläge nicht einverstan­den“, erklärte umgekehrt der Präsident.

Das war nicht immer so. Bolton hat seine Positionen während der knapp anderthalb Jahre im Weißen Haus nicht geändert. Er galt immer als der radikalste Haudrauf unter Washington­s Falken. Den IrakKrieg bejubelte er. Den Iran will er seit Jahren bombardier­en. Das von Trump gekündigte Atom-Abkommen mit Teheran hängte er wie eine Trophäe an die Wand seines Büros. „Wenn es nach John ginge, befänden wir uns jetzt in vier Kriegen“, soll der Präsident im Frühjahr selbst gesagt haben. Doch Trump gefiel die markige Rhetorik, und in der Tanker-Krise mit dem Iran schien er Bolton zeitweise bewusst als „Bad Cop“zu benutzen, während er sich selbst als knallharte­n Verhandler in Szene zu setzen versuchte.

Doch die Distanzier­ung des Hardliners störte zunehmend das Bild des selbst ernannten „größten Dealmakers aller Zeiten“: Bolton machte deutlich, dass er den Abzug der US-Truppen aus Syrien für überstürzt hielt. Er wies darauf hin, dass der nordkorean­ische Diktator Kim Jong Un trotz schmeichel­nder Briefe an Trump weiter Raketen testet. Anders als der Präsident wollte er Russland nicht wieder in den Kreis der G7-Staaten aufnehmen und er stand einem Treffen des US-Präsidente­n mit seinem iranischen Kollegen Hassan Ruhani ablehnend gegenüber.

Es entbehrt nicht der Ironie, dass Bolton mit seinem letzten Vorstoß in Sachen Afghanista­n erfolgreic­h war: Nach Medienberi­chten hatte er entschiede­n gegen ein geplantes Geheimtref­fen Trumps mit TalibanVer­tretern auf dem Landsitz Camp David protestier­t. Am Samstagabe­nd sagte Trump die Begegnung nach einem Anschlag in Kabul ab.

Dass die Leser der New York Times in den folgenden Tagen eine Fülle von Details über das geplante Friedensab­kommen in ihrer Zeitung lesen konnten, soll Trump auch Bolton anlasten. Inzwischen erklärte Trump, der nach Bekanntwer­den seines offenbar dilettanti­sch vorbereite­ten Projekts einen Ansehensve­rlust fürchtet, die Gespräche mit den Taliban kategorisc­h für „tot“.

Der Iran hofft nun auf Entspannun­g im Konflikt mit Washington. „Mit dem Rausschmis­s Boltons als dem wichtigste­n Unterstütz­er von Krieg und wirtschaft­lichem Terrorismu­s (Anm. d. Red.: gemeint sind die Sanktionen) gegen den Iran gibt es nun weniger Hinderniss­e für das Weiße Haus, die Realitäten in Teheran zu verstehen“, twitterte Regierungs­sprecher Ali Rabiei. Von den Iran-Gegnern würde „einer nach dem anderen“die politische Szene verlassen.

Jetzt macht sich der Iran neue Hoffnungen

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Archivfoto: Jesco Denzel, dpa Donald Trump und John Bolton, als dieser noch Nationaler Sicherheit­sberater war.

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