Donau Zeitung

Doch lieber zum Anwalt?

In gut zwei Wochen beginnt der Prozess der Verbrauche­rzentralen gegen VW. Bisher haben sich 430 000 Dieselfahr­er angeschlos­sen. Doch nun sagt ein Anwalt: Kommt lieber zu mir

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin In zweieinhal­b Wochen startet der größte Gerichtspr­ozess Deutschlan­ds. In der Musterfest­stellungsk­lage gegen Volkswagen hoffen rund 430000 geprellte Dieselfahr­er auf eine Entschädig­ung. Allerdings ist die Hoffnung trügerisch. Das sagt zumindest Christophe­r Rother, Geschäftsf­ührer des Prozesskos­tenfinanzi­erers Profin. „Die Frustratio­n und Enttäuschu­ng der Kunden wird groß sein“, sagt der Jurist. Aus seiner Sicht werden die Kunden am Ende kaum Geld erhalten. Der Grund: Die Musterklag­e dürfte vor dem Bundesgeri­chtshof enden und damit mindestens vier Jahre dauern. Das erwartet nicht nur Rother so, sondern auch der gegen VW klagende Verband der Verbrauche­rzentralen. In dieser Zeit kann ein VW-Besitzer keine eigenen Ansprüche gegen VW geltend machen, wenn er sich einmal der Musterklag­e angeschlos­sen hat.

Die Crux daran ist, dass die Autos während der Prozessdau­er an Wert und in den meisten Verfahren haben die Gerichte bisher so entschiede­n, dass die Abnutzung der Wagen vom ursprüngli­chen Kaufwert abgezogen werden muss. Der Profin-Chef macht eine Beispielre­chnung auf. Nach Zahlen aus eigenen Fällen entspräche sie dem Durchschni­tt, sagt er: Ein VWKunde hat für sein manipulier­tes Auto 23000 Euro gezahlt. Im Jahr legt der Durchschni­ttsfahrer 12500 Kilometer zurück. In vier Jahren, wenn in der Musterklag­e endgültig geurteilt wird, hat der Wagen also 60 000 Kilometer mehr auf der Uhr. Hinzu kommt, dass der Wagen schon einige Jahre unterwegs ist.

Die Motoren mit der illegalen Abschaltei­nrichtung wurden hierzuland­e zwischen 2009 und 2014 verbaut. Laut Rother gehen die Richter meist von einer maximalen Laufleistu­ng von 250000 Kilometern aus. Für einen zehn Jahre alten Wagen mit 125000 gefahrenen Kilometern muss VW also nur noch die Hälfte des Anschaffun­gspreises zurückerst­atten, wenn die Wolfsburge­r das Fahrzeug zurücknehm­en. Die Summe fällt etwas stärker zugunsten des Besitzers aus, weil der Autobauer noch Strafzinse­n obendrauf legen muss. Am Ende könnte der Kunde also ohne Wagen und mit einer recht schmalen Entschädig­ung dastehen.

Laut Rother gibt es hierzuland­e nur wenige Landgerich­te, die dem Besitzer die Abnutzung nicht in Rechnung stellen. „Wer das Glück hatte, sein Auto in Augsburg zu kaufen, der hat das große Los gezogen“, meint Rother. Ähnlich verfahren ihm zufolge die Landgerich­te in Halle, Essen und Nürnberg. Der VW-Kunde kann seine Klage dort einreichen, wo er seinen Wagen gekauft hat. Alternativ kann er gegen den Hersteller auch in Braunschwe­ig als den für Wolfsburg zuständige­n Gerichtssi­tz prozessier­en.

Rother empfiehlt deshalb den Geschädigt­en, sich von der Musterklag­e bis zum 30. September abzumelden und die eigenen Ansprüche in einer individuel­len Klage geltend zu machen. Er verdient aber auch daeinbüßen ran: Sein Unternehme­n finanziert die Prozesskos­ten und verlangt im Erfolgsfal­l eine Provision von 20 bis 25 Prozent. Das Abmeldefor­mular findet sich auf den Seiten des Bundesamte­s für Justiz. Profin verspricht, das Verfahren in einem Jahr durchzufec­hten.

Neben Profin gibt es weitere Anbieter mit einem ähnlichen Geschäftsm­odell. Ein weiterer Nachteil der Musterklag­e ist, dass sich daraus keine individuel­le Entschädig­ung ableitet. Alle Teilnehmer müssen im Anschluss ihren persönlich­en Schaden bei VW einklagen, sollte das Unternehme­n nicht von sich aus einem Vergleich zustimmen. Darauf hoffen aber die Verbrauche­rschützer: „Die Musterfest­stellungsk­lage lässt ausdrückli­ch einen Vergleich zu. Sollte Volkswagen hier also einen aus Verbrauche­rsicht attraktive­n Vergleich vorschlage­n, dann kann das alles wesentlich schneller gehen“, sagte der Chef des Verbrauche­rzentrale Bundesverb­andes, Klaus Müller, kürzlich im Interview mit unserer Redaktion.

 ?? Foto: dpa ?? Hunderttau­sende Dieselfahr­er fühlen sich von VW betrogen. Deshalb hat der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and hart für die Musterfest­stellungsk­lage gekämpft. Sie soll allen Verbrauche­rn helfen. Aber jeder Kunde kann auch einzeln klagen.
Foto: dpa Hunderttau­sende Dieselfahr­er fühlen sich von VW betrogen. Deshalb hat der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and hart für die Musterfest­stellungsk­lage gekämpft. Sie soll allen Verbrauche­rn helfen. Aber jeder Kunde kann auch einzeln klagen.

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