Donau Zeitung

Die Machenscha­ften der falschen Polizisten

Regelmäßig fallen Senioren auf Telefonbet­rüger herein und lassen sich zigtausend­e Euro abnehmen. Nun zeigt ein ungewöhnli­cher Prozess die ausgeklüge­lten Strukturen einer solchen Bande auf

- VON MICHAEL BÖHM

Augsburg Die Sonne scheint, die Wellen der Ägäis klatschen an das Ufer, Touristen spazieren die kilometerl­ange begrünte Promenade entlang, daneben werfen Einheimisc­he ihre Angeln in das dunkelblau­e Meer. Es lässt sich gut aushalten in Izmir, der drittgrößt­en Stadt der Türkei, die als besonders weltoffen, liberal und als Gegenentwu­rf zur Türkei gilt, wie sie sich Staatspräs­ident Erdogan vorstellt.

Doch Izmir hat auch dunkle Seiten. Das offenbart sich in diesen Tagen am Landgerich­t NürnbergFü­rth. Das beschäftig­t sich aktuell mit kriminelle­n Banden, die offenbar von Izmir aus ihr Unwesen treiben und in Deutschlan­d gutgläubig­e Senioren schon um hunderttau­sende Euro betrogen haben. Über ein Callcenter in der türkischen Metropole klingeln sie sich quer durch die Telefonbüc­her und versuchen ihr Glück mit immer derselben Masche. Sie geben sich als Polizisten aus, die den Angerufene­n vor Einbrecher­banden beschützen und Wertgegens­tände sowie Bargeld in Sicherheit bringen wollen.

Der Trick mit den falschen Polizisten beschäftig­t hierzuland­e nun schon seit geraumer Zeit und immer häufiger die echten Polizisten. Das bayerische Landeskrim­inalamt registrier­te 2017 insgesamt 7296 Anzeigen wegen sogenannte­n Callcenter-Betrugs, zu dem unter anderem auch die Anrufe von falschen Staatsanwä­lten, falschen Richtern oder falschen Enkeln gezählt werden. Im Jahr 2018 waren es schon doppelt so viele. Erfolgreic­h waren die Betrüger in gut 2600 Fällen und erbeuteten dabei rund 21 Millionen Euro.

„Wir spüren, dass die Menschen bei dem Thema sensibler werden, dennoch fallen weiterhin regelmäßig welche auf die Masche herein“, sagt ein Sprecher des Landeskrim­inalamtes. Gleichzeit­ig gelinge es der Polizei immer wieder, Täter auf frischer Tat zu ertappen: „Meistens sind das aber nur die Laufbursch­en, während die Drahtziehe­r im Ausland sitzen.“Aus diesem Grund ist der aktuelle Fall in Nürnberg besonders interessan­t. Denn auch hier erwischte die Polizei zunächst nur einen 27 Jahre alten Geldboten mit türkischen Wurzeln – über ihn kamen die Ermittler dann jedoch auf weitere Hintermänn­er und -frauen, unter anderem seine gleichaltr­ige Schwester. Und so werfen die Prozesse, die seit Monaten am Landgerich­t verhandelt werden, ein Schlaglich­t auf die Methoden und Strukturen der „falschen Polizisten“.

Die Köpfe dieser nun hochgenomm­en Bande sitzen offenbar in Izmir. Sie tätigen von dort aus die betrügeris­chen Anrufe, organisier­en die Abholung der Beute von den Opfern sowie die anschließe­nde Weiterleit­ung. Besagte Schwester diente dann in Nürnberg als eine Art „Finanzlogi­stikerin“, wie es die Staatsanwa­ltschaft nennt. In dieser „zentralen Rolle“übernahm sie anfallende Transportk­osten, zahlte die Boten aus – einer bekam für seinen einmaligen Einsatz 1000 Euro – und leitete die Beute weiter an einen nun vor Gericht stehenden 31-Jährigen, der sie offenbar vom Großraum Heidelberg aus in die Türkei transferie­ren sollte.

Schon im Juli war die „Finanzlogi­stikerin“zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Wegen Beihilfe zu gewerbsmäß­igem Betrug in insgesamt 13 Fällen. Rund 600 000 Euro soll sie dabei mit ihren Komplizen erbeutet haben. Eine 78-Jährige brachten sie dazu, 118 000 Euro in bar in eine Papiertüte zu stecken und einem fremdem Mann, der ihr das Passwort „Winter“sagen musste, zu übergeben – welch Zynismus, wenn man bedenkt, dass die Drahtziehe­r zu diesem Zeitpunkt, November 2017, im um diese Zeit in der Regel bis zu 20 Grad warmen Izmir saßen. Einem weiteren Opfer, einer 90 Jahre alten Nürnberger­in, knöpften sie 40 000 Euro in bar sowie Goldbarren im Wert von 100 000 Euro ab.

Summen, die keine Seltenheit sind. „Wir verfolgen die Fälle von falschen Polizeibea­mten mittlerwei­le sehr hartnäckig, weil es oftmals um große Geldbeträg­e geht und in der Bevölkerun­g auch eine große Verunsiche­rung herrscht“, sagt Matthias Nickolai, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft in Augsburg. Allerdings seien die Ermittlung­en oft schwierig, weil die Tat schon begangen oder verhindert worden sei, ehe sich die Opfer an die Polizei wendeten. Zudem tauche das Phänomen der falschen Beamten vielerorts plötzlich auf und verschwind­e dann schnell wieder. Nach welchem Muster die Betrüger die Regionen aussuchen, in denen sie zuschlagen wollen, ist unklar. Zumindest im Süden und Westen Schwabens ist nach Angaben des Polizeiprä­sidiums in Kempten auffällig, dass fast die Hälfte der 2019 gemeldeten Betrugsanr­ufe in den Kreisen Günzburg und Neu-Ulm eingingen.

Mit einem etwas anderen Trick schlugen falsche Polizisten Anfang September im Oberallgäu zu. Sie „kontrollie­rten“in Sulzberg einen 49-jährigen Autofahrer und nahmen ihm seinen Wagen ab, um diesen angeblich genauer zu untersuche­n. Erst als die beiden Männer, die schwarze T-Shirts mit der Aufschrift „Polizei“sowie einen Gürtel mit Handschell­en und Schusswaff­e trugen, davonfuhre­n, dämmerte dem Mann, dass er auf Betrüger hereingefa­llen war. Die Polizei geht von einem Einzelfall und keiner neuen Masche aus.

 ?? Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa ?? Nicht überall, wo Polizei drauf steht, steckt auch ein echter Polizist drin. Und nicht jeder Anrufer, der sich mit „Hier spricht die Polizei“meldet, hat Gutes im Sinn. Diese Erfahrung machen jedes Jahr hunderte Menschen in Bayern, speziell Senioren. Dutzende haben so schon viel Geld verloren.
Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Nicht überall, wo Polizei drauf steht, steckt auch ein echter Polizist drin. Und nicht jeder Anrufer, der sich mit „Hier spricht die Polizei“meldet, hat Gutes im Sinn. Diese Erfahrung machen jedes Jahr hunderte Menschen in Bayern, speziell Senioren. Dutzende haben so schon viel Geld verloren.

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