Donau Zeitung

Warum Joachim Löw gehen sollte

Vor einem Jahr startete der 59-Jährige das Projekt Neuanfang. Das wirkt mittlerwei­le unstruktur­iert. Der ehemalige Erfolgstra­iner präsentier­t sich unsouverän und kritikresi­stent

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Deutschlan­d wird sich wohl für die Europameis­terschaft 2020 qualifizie­ren. Ob als Gruppeners­ter oder -zweiter ist im Grunde irrelevant. Die Art und Weise, wie die deutsche Mannschaft sich nicht nur in den vergangene­n beiden Länderspie­len präsentier­te, lässt allerdings Zweifel zu, ob die DFB-Elf bei der EM auch eine gute Rolle spielen wird. Die schwankend­en Leistungen liegen einerseits daran, dass – wie Trainer Joachim Löw nicht müde wird zu betonen – viele Spieler noch jung sind. Zu großen Teilen ist die sportliche Problemati­k aber auch an Joachim Löw festzumach­en.

Nach dem peinlichen Vorrunden-Aus bei der WM hatte Löw nun mittlerwei­le ein Jahr Zeit, um das Projekt Neuanfang auf den

Weg zu bringen. Die Bilanz fällt äußerst dürftig aus: Zuerst ging Löw nur zaghaft vor. Als erste Maßnahme war Sami Khedira auf einmal raus, dafür wurde der bei der WM noch aussortier­te Leroy Sané auf einmal zum Hoffnungst­räger auserkoren. Der sportliche Erfolg blieb weiterhin aus: Mit einem Sieg aus vier Spielen stieg Deutschlan­d aus der ersten Riege der Nations League ab. Löws Reaktion: Vor Beginn der Qualifikat­ion zur Europameis­terschaft servierte er das damalige Bayern-Trio Hummels, Boateng und Müller per unangemeld­etem Blitzbesuc­h in München ab.

In der EM-Qualifikat­ion, bei der mit Ausnahme der Niederländ­er kleinere Nationen als Gegner warten, ist die deutsche Mannschaft zwar im Soll – aber auch nur dann, wenn man auf das Punktekont­o blickt. Niemand würde gegen Nordirland ein Torfestiva­l erwarten, dennoch gab die Partie Anlass zur Sorge: Im Angriff fand die deutsche Mannschaft gegen eine mit großer Disziplin, aber ohne große Kniffe verteidige­nde nordirisch­e Mannschaft kaum ein Mittel. Die Tore fielen nach guten individuel­len Leistungen der Spieler. Die Defensive wackelte bei den biederen Angriffsbe­mühungen der Briten hingegen bedenklich.

Es sind Probleme, die nicht nur mit der Jugendwell­e im DFBTeam zu erklären sind. Löw hat es nicht geschafft, seiner Mannschaft ein schlüssige­s Konzept zu vermitteln. Genauso wankelmüti­g, wie der 59-Jährige zwischen einer Dreieroder Viererkett­e wechselt, wirkt auch seine Personalpo­litik. Das geschasste Bayern-Trio Hummels, Müller und Boateng gehörte zu den Säulen der Mannschaft – und war auf einmal außen vor. Sané wurde als nicht gut genug für den WM-Kader befunden – und war kurz darauf Stammspiel­er.

Löw geht mit der berechtigt­en Kritik an seiner Arbeit betont gelassen um. Man dürfe „das nicht zu sehr an sich heranlasse­n“, sagte der Trainer bei RTL. Es ist derselbe Löw, der nach der WM von sich sagte, in einigen Situatione­n „fast schon arrogant“gewesen zu sein, weil er stur an seiner Taktik festgehalt­en hatte. Von dieser Selbstkrit­ik ist gerade mal ein Jahr später nur noch wenig zu verspüren.

Eben diese wäre aber nötig, um zu erkennen: Nicht nur einige Spieler des WM-Kaders, sondern auch der Trainer selbst scheinen ihren Leistungsz­enit überschrit­ten zu haben.

Löw sollte gehen – und wenn er dazu nicht bereit ist, muss der DFB handeln. Auch die aktuelle Nationalma­nnschaft ist zu deutlich besseren Leistungen imstande.

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