Donau Zeitung

Die Autoindust­rie steckt in der SUV-Klemme

Brüssel drängt die Branche, Öko-Autos zu bauen. Doch immer mehr Bürger lieben große Wagen. Der Spagat wird zur gefährlich­en Belastungs­probe

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Die Auto-Konzerne geben sich auf ihrer kriselnden Branchensc­hau IAA derart grün, dass sich manch Umweltschü­tzer verwundert die Augen reibt. Wenn das so weitergeht, stürzen VW & Co. selbst hartnäckig­e Klimaschüt­zer in eine Sinnkrise. Der OberÖko unter den Auto-Bossen, VWChef Herbert Diess, punktet nicht nur mit dem neuen Elektro-Volksauto ID.3, einem stromanget­riebenen Käfer- und Golf-Nachfolger.

Der VW-Boss geht einen Schritt weiter: Am Stammsitz in Wolfsburg wird das Kohle- in ein Gaskraftwe­rk umgerüstet. Der AutoManage­r stellt sich an die Spitze der Klimawende, müsste also der beste Freund der Generation „Greta“sein. Das ist (noch) nicht der Fall – ein Umstand, der offenbart, in welcher Klemme die Branche steckt. Denn Diess ist in Sachen „Umweltschu­tz“

trotz immenser Anstrengun­gen nach wie vor ein wenig grün hinter den Ohren. Aus wirtschaft­lichen Zwängen kann der VW-Chef nicht so „öko“sein, wie er das gerne wäre. Volkswagen muss schließlic­h nach Milliarden­strafen für die Diesel-Schummelei­en wiederum Milliarden für die Entwicklun­g von Elektroaut­os aufwenden. Dabei verdient der Konzern mit Umwelt-Flitzern erst mal kein Geld.

Hier bekommt die VW- wie die BMW- und Daimler-Umwelt-Legende CO2- und Stickoxid-Flecken. Denn um sich die Elektro-Wende leisten zu können, müssen die Hersteller noch Jahre Autos mit konvention­ellem Antrieb bauen. Das Dumme ist nur: Verbrauche­r fahren hier vor allem auf SUVs ab. Die panzerarti­gen Geländewag­en für die Stadt sind zum Statussymb­ol eines Teils der Mittelschi­cht geworden – eine absurde Entwicklun­g in Zeiten der Klima-Katastroph­e.

Selbst wenn Auto-Manager wie Porsche-Chef Oliver Blume Zweifel äußern, ob SUVs die geeigneten Fortbewegu­ngsmittel für die Stadt sind, werden die hochgebock­ten Ungetüme gekauft. Die Klimaaktiv­istin Tina Velo legt den Finger in die Wunde, indem sie kritisiert, dass es ökologisch verheerend sei, 80 Kilo Mensch in einem ZweiTonnen-Auto zu befördern.

Doch die Auto-Konzerne können und wollen nicht auf die fetten Renditen der von Velo als „FettKarren“verspottet­en Platzfress­er verzichten. Das Gute – Elektroaut­os wie der ID.3 – wird durch das Schlechte – stark übergewich­tige, daher mehr Sprit verbrauche­nde und CO2 erzeugende SUVs – quersubven­tioniert. So funktionie­rt auf Gewinn ausgericht­ete Wirtschaft.

VW ist keine Öko-Caritas und Diess nicht der Robert Habeck der Autoindust­rie. Die Klemme, in der die Branche steckt, hat weitere Facetten: Kaufen die Kunden E-Autos wie den ID.3 nicht in großer Menge und fahren weiter lieber SUVs mit Verbrennun­gsmotor, kommt auf die Autoindust­rie die dritte Welle an Milliarden­zahlungen zu. Es drohen dann immense Strafgelde­r, wenn Hersteller die ihnen auf europäisch­er Ebene auferlegte­n Klimaziele auch wegen der Unvernunft ihrer Kunden nicht erfüllen.

Dass die Konzerne überhaupt derart viele E-Autos bauen, geht maßgeblich auf den Druck Brüssels zurück. Diess und seine Kollegen wurden von der EU ökologisch zwangsbeke­hrt. Entwickeln sich E-Autos zu Ladenhüter­n, wird die Klemme zur Falle für die Branche. Hohe Job-Verluste wären die Folge.

In der prekären Lage muss die Politik rasch eingreifen, sonst zieht die Autoindust­rie die gesamte Wirtschaft für Jahre nach unten. Am klügsten wäre eine Doppelstra­tegie: Die Verantwort­lichen müssen den Ausbau der Lade-Infrastruk­tur massiv fördern. Und Berlin kommt nicht umhin, regulieren­d in den SUV-Wahnsinn einzugreif­en, also den Kauf besonders großer Fahrzeuge dieser Art steuerlich zu bestrafen. Die Bürger allein kommen leider nicht zur Vernunft.

Diess ist nicht der Habeck der Autoindust­rie

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