Donau Zeitung

Viehscheid: Neunjährig­e will 32 Kilometer laufen

Antonia Heim will zum ersten Mal beim Alp-Abtrieb dabei sein. Die Strecke ist eine große Herausford­erung und führt vom Hochgrat bis nach Maierhöfen im Westallgäu

- VON ANJA WORSCHECH

Oberstaufe­n-Steibis Selbst vor den Ochsen hat Antonia Heim keine Angst. Energisch treibt die Neunjährig­e die Tiere vom Stall auf die Weide. Auf der Alpe Schilpere unterhalb des Hochgrats verbringen 34 Jungrinder von fünf Bauern der Weidegenos­senschaft Maierhöfen ihren Alpsommer. Die Ochsen bringen mehr als 350 Kilogramm auf die Waage – die zarte Antonia wiegt nicht einmal ein Zehntel davon. Aber sie behauptet sich problemlos. Wenn die Tiere zu sehr trödeln, gibt sie ihnen einen beherzten Klaps auf das Hinterteil.

Das Treiben ist eine gute Übung für den Maierhöfen­er Viehscheid, den Antonia dieses Jahr zum ersten Mal komplett mitlaufen möchte. Bisher ist sie immer nur ein Teilstück mitgegange­n, um das Kranzkalb zu führen. Die Strecke hat es in sich. Sie führt von der Unteren Lauchalpe auf knapp 1000 Metern bis nach Maierhöfen im Westallgäu – 32 Kilometer sind das. „Das ist streng“, sagt Antonia. Sportlich und fit ist sie, schließlic­h verbringt sie täglich viel Zeit an der frischen Luft und läuft durchs Gelände, wenn sie bei ihren Großeltern Reinhard und Waltraud Künzel auf der Alp ist. Und sie weiß auch: „Wenn man nicht mehr kann, darf man auf den Traktor rauf. Aber mein Ziel ist es ohne.“Gut fünf Stunden dauert es, die Rinder bis nach Maierhöfen zu treiben, sagt Antonia. Die Strecke hat viele Steigungen. Ihr Bruder habe hinterher Muskelkate­r und viele Blasen gehabt, erinnert sie sich. „Ich hoffe, dass meine Freundin Tabea mitläuft“, sagt Antonia.

Um fünf Uhr morgens werden sich die Älpler und ihre Helfer an der Unteren Lauchalpe treffen. Insgesamt sind es etwa 180 Tiere, die zurück ins Tal laufen. Antonias Aufgabe ist es aufzupasse­n, dass die Tiere nicht durch die Zäune brechen, ausbüxen und auf Felder springen. Sie werde ganz am Ende des Zugs mitlaufen, sagt ihre Mutter Petra Heim. Das sei sicherer, als im Pulk zwischen den Rinderherd­en zu laufen, wo es nicht selten auch mal ein Gedränge gibt. Angespannt ist ihre Mutter trotzdem: „Währenddes­sen hat ja niemand Zeit, auf die Antonia zu gucken, und Handys haben sie auch nicht dabei.“Sie überlegt, selbst mitzulaufe­n, um ein Auge auf ihre Tochter zu haben.

Die 34 Jungrinder der Alpe Schilpere laufen beim Viehscheid allerdings nicht mit, sondern kommen zwei Wochen später ins Tal. Sie würden zu viele Kilos verlieren, wenn sie die Strecke laufen, sagt Opa Reinhard Künzel. Er ist stolz auf seine Enkelin, die fleißig auf der Alp mithilft. Sie habe ein sehr gutes Auge für die Tiere. Wenn zum Beispiel ein Rind hinke, gebe sie sofort Bescheid. Antonia liebt die Tiere – vor allem die Hasen. Gern spielt sie den Gästen auch etwas auf der Trompete oder der Gitarre vor. „Wenn unsere Enkel nicht so gern da wären, wären wir gar nicht hier oben“, sagt Waltraud Künzel.

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Foto: Anja Worschech Antonia Heim läuft beim Viehscheid Maierhöfen mit.

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