Krankenhäuser: Aus zwei Abteilungen wird eine
Die Instrumente bei einer Operation müssen steril sein. Die zentrale Station dafür ist inzwischen in Dillingen
Die Zentralsterilisation in Wertingen wird nun von Dillingen aus mitgemacht. Was das bedeutet und wie das funktioniert.
Dillingen/Wertingen Erst mal aus den Klamotten raus. Grün ist angesagt. Eine grüne Hose, eine grüne Jacke, ein hellblaues Haarnetz auf den Kopf und weiße Gummischuhe an. Die Hände desinfizieren, durch die Tür gehen, die hier Schleuse heißt, und schon steht man mitten in der Zentralsterilisation im Dillinger Kreiskrankenhaus St. Elisabeth.
Dort werden seit einigen Wochen auch alle Instrumente für das Wertinger Krankenhaus sterilisiert. Der Aufwand, um den hohen Standard der Reinigung zu gewährleisten, war gewachsen, weil immer mehr Operationen stattfanden. Laut Beteiligungsbericht des Landkreises war die Ausfall- und Reparaturquote in Wertingen ab 2015 „explosionsartig“angestiegen. Darauf hatte man laut Lagebericht ein Jahr später mit der Ersatzbeschaffung von Maschinen reagiert. Bis ein Invest von mindestens einer Millionen Euro drohte. Da fiel laut Uli-Gerd Prillinger, Geschäftsführer der beiden Kreiskliniken, die Entscheidung, die Zentralsterilisation für beide Einrichtungen in Dillingen umzusetzen. „Jetzt werden die Instrumente durch die Gegend gefahren“, sagt Prillinger.
Vier Mal am Tag pendelt ein Lastwagen zwischen den beiden Krankenhäusern hin und her, um einerseits gebrauchtes Material aus Wertingen nach Dillingen zur Sterilisation zu fahren und andererseits die sterilen Instrumente wieder in die Zusamstadt zu bringen. „Drei Fahrten sollten die Regel sein, aber das reicht nicht.“Warum, erklärt Marcel Thur, Leiter der Abteilung, die inzwischen „Aufbereitungseinheit Medizinprodukte“heißt: „Allein heute finden acht Operationen in Wertingen statt“, sagt er mit Blick auf einen Monitor: „Ein Wirbel von 9 bis 14 Uhr und sieben Prothesen, davon sechs Knie.“Für alle Operationen müssen die jeweils passenden Instrumente, Schrauben oder Teile steril zur Verfügung stehen. Selbst sterile Lampenhalterungen gibt es. Und alles, was benutzt wurde, wird danach entweder weggeworfen oder eben sterilisiert. „Käme das ganze Material am Abend auf einen Schwung hier bei uns an, könnten wir das gar nicht alles bearbeiten. Daher die vier Fahrten“, erklärt Thur.
Seit Juli leitet er die Dillinger Abteilung. Einen Monat später wurden die Zentralsterilisationen zusammengelegt. Dass er für zwei Krankenhäuser zuständig ist, sei nicht üblich. Der logistische Aufwand sei hoch. Doch allmählich füge sich alles ein. 13 Personen arbeiten im Drei-Schicht-System werktags von Uhr bis 20 Uhr im Souterrain des Dillinger Krankenhauses. Am Wochenende gibt es eine Rufbereitschaft.
Mit einem eigenen Aufzug werden die sterilen Geräte zu den Operationssälen gebracht und dort im Sterilgutlager aufbewahrt. Silberne Container scheinen durch die Glasscheiben. Alle haben einen Barcode, außerdem sind sie farblich gekennzeichnet. Es gibt für jeden OP-Bereich unterschiedliche Kästen, etwa für die Unfallchirurgie oder die Gynäkologie. In den Conzählt, tainern wiederum sind Siebe und darin befinden sich dann die Instrumente, oder auch mal ein künstliches Hüftgelenk. Daneben gibt es einzeln verpackte Instrumente, etwa den Luer, einen „Knochenknipser“, wie Thur sagt. Die kleine Klemme mit der großen Power ist wie alle anderen Instrumente in Papier und Folie verpackt sechs Monate steril. Es gibt aber Ausnahmen. So ist eine Geburtszange ein Mal mehr verpackt und damit fünf Jahre lang steril. Nach jeder Operation wird übrigens genau nachge5.45
ob alles, was auf der Packliste im Sieb stand, auch wieder drin ist, sagt Prillinger. „Nicht, dass etwas im Patienten vergessen wurde.“Was aus dem OP herauskommt, nimmt einen ganz anderen Weg zurück ins Untergeschoss. „Der OP und die Sterilisation sind die sensibelsten Bereiche eines Krankenhauses“, betont Prillinger.
Aber wie werden Instrumente überhaupt sterilisiert? Manche kommen direkt vom Hersteller. Manche werden nach dem Einsatz weggeworfen. Aber vieles wird wiederaufbereitet. Und da jedes noch so kleine Teil eine Nummer hat, weiß man auch, wie oft etwas wieder sterilisiert werden kann.
Alles, was sterilisiert werden muss, wird mit kaltem Wasser vorgereinigt, um eventuelle Eiweiße zu lösen, dann sind Hauptwäsche und Neutralisation dran. Es folgt die thermische Desinfektion bei 93 Grad mit vollentsalztem Wasser in Geräten, die aussehen wie Waschmaschinen. Nach der Schlussspülung geht es in die Trocknung bei 120 Grad. Bei Geräten, die nicht ins Gewebe eindringen, kann reinigen und desinfizieren reichen, erklärt Thur. Ein Beispiel dafür sei etwa ein Spatel, mit dem die Zunge eines Patienten leicht weggedrückt wird. Doch alles andere muss sterilisiert werden. Das allein dauert eine Stunde und erfolgt bei 134 Grad. Nach jedem Durchgang wird die Charge von einer Mitarbeiterin geprüft. Gibt sie sie frei, werden die Instrumente entweder abgelegt oder direkt in neue Siebe gepackt. Nur wer die entsprechende Schulung hat, darf Chargen freigeben. Auch die Siebe haben einen Barcode. Über eine Software kann jeder Mitarbeiter genau nachvollziehen, was in welcher Stückzahl von links oben nach rechts unten (oder genau andersherum) gepackt werden muss. Irrtümer sind durch Bilder, die das jeweilige Gerät in verschiedenen Perspektiven zeigen, ausgeschlossen. Auf einem Sieb steht zum Beispiel „Müllerschaft“, das ist für eine Hüft-OP, erklärt Thur. Auch die Container, in die die Siebe gesteckt werden, werden gereinigt. Allein im vergangenen Monat wurden in Dillingen 2214 Sterilguteinheiten gepackt und vorbereitet. Die Container für Wertingen werden in Transportwagen geschickt, die luftdicht abschließen, und kommen so auf den Lastwagen.
Die Zusammensetzung der Siebe wird laut Prillinger immer wieder hinterfragt. „Das hängt auch vom Operateur ab.“
Wie wichtig die Kennzeichnung aller Teile ist, verdeutlicht der Geschäftsführer der Kreiskliniken an einem Beispiel: Wenn etwa ein Herzschrittmacher einen Herstellerfehler hat, müssen die Krankenhäuser herausfinden, wem genau so ein Herzschrittmacher eingepflanzt wurde, oder ob noch welche im Lager sind. Die Prozessabläufe werden laut Thur regelmäßig geprüft, auch von externen Fachleuten. Es gibt Hygienebegehungen und Validierungsberichte. Alles kostet Zeit, wie eben auch die Sterilisation selbst. Auch, wenn mal ein Kollege drängt. „Ein bisschen steril gibt es nicht“, sagt Thur und lacht. „Ein bisschen schwanger ja auch nicht.“»Kommentar