Donau Zeitung

Ein Lobbyist der Jugend

Wie Thomas Scheibel den Bau eines Skate- und Bikeparks in Füssen mit viel Hartnäckig­keit ermöglicht hat

- VON HEINZ STURM

Füssen Er war 15 Jahre alt, als er auf den Geschmack kam. Auch als 39-Jähriger fährt Thomas Scheibel immer noch gerne mit seinem Skateboard. Das kann er in seiner Heimatstad­t Füssen auf einer vor einem Jahr eröffneten und gut 2000 Quadratmet­er großen Anlage tun. Ein von Jugendlich­en seit langem ersehnter Skate- und Bikepark, den es ohne Scheibel nicht geben würde. Denn er ermöglicht­e den Bau mit einer beispielha­ften Spendenakt­ion und einer ebensolche­n Hartnäckig­keit. Für sein besonderes bürgerscha­ftliches Engagement erhält er nun die Silberdist­el unserer Zeitung, die wir in jedem Monat vergeben.

In Füssen tritt die Kommunalpo­litik schon mal auf der Stelle, manche Projekte kommen einfach nicht richtig voran. Das mussten vor allem Generation­en von Jugendlich­en leidvoll erfahren. Nämlich die Skater-Szene, die es bereits seit den 1980er Jahren in Füssen gab und die im Laufe der Zeit immer größer wurde. Mitte der 1990er Jahre schließlic­h waren die Skateboard­er überall zu sehen. Doch waren sie nirgendwo gern gesehen: Wo immer sie auftauchte­n, hagelte es Beschwerde­n von Anwohnern, die sich durch den Lärm belästigt fühlten. Nach einigem Hin und Her errichtete die Kommune eine Skate-Anlage, die im Mai 2001 eröffnet wurde – und bereits Ende 2003 wieder geschlosse­n wurde. Denn Nachbarn hatten sich gegen die Lärmbeläst­igung im allgemeine­n Wohngebiet gewehrt.

Und danach ging es mit der Serie von Pleiten, Pech und Pannen erst richtig los. Andere Standorte wurden untersucht, doch jedes Mal gingen Nachbarn auf die Barrikaden. Als schließlic­h abseits im Füssener Norden eine Fläche gefunden wurde, endete dies wieder mit einer Panne: Auf dem geteerten Platz blieb bei Regen das Wasser stehen, die von den Jugendlich­en selbst gebauten Skate-Elemente verrottete­n. Und in der Art ging es in den Folgejahre­n weiter, selbst zwei Demonstrat­ionen der Jugendlich­en – im November 2006 und im Februar 2008 – brachten das Projekt nicht voran, die Hoffnung schrumpfte auf null.

Scheibel kehrte erst nach seinem Studium wieder zurück nach Füssen und stieg in das traditions­reiche Bauunterne­hmen seiner Familie ein.

Fehlen eines Skate-Platzes, den er schon 1996 als Jugendlich­er gefordert hatte, nervte ihn zusehends. „Füssen ist eine der schönsten Städte Deutschlan­ds ... für alle älteren Menschen“, sagt er. „Jede Generation hat hier ihre Lobby, nur die Jugend hatte noch nicht das Gehör der

Verantwort­lichen gefunden.“Scheibel wollte genau das endlich ändern.

2015 wagte er einen neuen Anlauf. Er sprach mit Jugendlich­en bei Füssens Bürgermeis­ter Paul Iacob vor. Der sicherte seine Unterstütz­ung zu, im Gegenzug erklärten sich die Skater bereit, die Sponsorens­uDas che zu übernehmen. Mit Stefan Splitgerbe­r vom Jugendtref­f machte Scheibel daraus eine Art Bürgerproj­ekt, man bat um Spenden – und die kamen reichlich: „Das reichte von Grundschül­ern, die ihr Sparschwei­n geschlacht­et haben, bis zu großen Arbeitgebe­rn. Irgendwann ist das eine Lawine geworden.“Gut 80000 Euro kamen im Laufe der Zeit so für einen Skate- und Bikepark zusammen, fast 200000 Euro flossen dank politische­r Unterstütz­ung („Ich habe andere Kontakte als ein 16-Jähriger“) aus dem LeaderProg­ramm, an der Stadt Füssen blieben abzüglich weiterer Zuschüsse knapp unter 200000 Euro hängen. Verzögerun­gen, etwa beim Kauf der Grundstück­e, musste man zwar noch hinnehmen. Doch vor gut einem Jahr, am 17. November 2018, wurde der von seinen Dimensione­n her eher zu einer Großstadt passende Skate- und Bikepark eröffnet.

Und er ist seitdem ein Treffpunkt für Kinder und Jugendlich­e aus der ganzen Region geworden. Bis zu 250 kommen dort in Spitzenzei­ten gleichzeit­ig zusammen. Was Scheibel freut: Die jungen Sportler helfen sich untereinan­der, lernen Rücksichtn­ahme. Großereign­isse wie die „Red Bull Pump Track World Championsh­ip“oder die süddeutsch­e Skateboard-Meistersch­aft

Das bayernweit erste Projekt seiner Art soll nun kommen

lockten zudem Scharen von Besuchern zu der Anlage.

Scheibel wäre nicht Scheibel, wenn er nicht schon einen Ausbau des Skate- und Bikeparks in Angriff genommen hätte: „Barrierefr­ei im Ostallgäu: Skaten für Rollifahre­r in Füssen“heißt das bayernweit erste Projekt dieser Art. Dank einer erneut üppigen Leader-Förderung soll der barrierefr­eie Ausbau mit einer zusätzlich­en, 40 Meter langen Jumpline im nächsten Jahr angepackt werden.

 ?? Foto: Siegert ?? Schon als Jugendlich­er setzte sich Thomas Scheibel dafür ein, dass eine Anlage für Skateboard­er in Füssen entsteht. Der entscheide­nde Durchbruch gelang ihm aber erst über zwei Jahrzehnte später. Doch jetzt hat die Kleinstadt auf 2000 Quadratmet­ern einen Skate- und Bikepark, der bereits im nächsten Jahr erweitert wird.
Foto: Siegert Schon als Jugendlich­er setzte sich Thomas Scheibel dafür ein, dass eine Anlage für Skateboard­er in Füssen entsteht. Der entscheide­nde Durchbruch gelang ihm aber erst über zwei Jahrzehnte später. Doch jetzt hat die Kleinstadt auf 2000 Quadratmet­ern einen Skate- und Bikepark, der bereits im nächsten Jahr erweitert wird.

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