Donau Zeitung

Ein Auftrag des Schahs brachte den Durchbruch

Die Buttenwies­ener Firma „Roma“exportiert weltweit Sandwichpa­neele und zerlegbare Kühlzellen. Der Familienbe­trieb Romakowski ist erfolgreic­h auf dem Weg in die vierte Generation

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Buttenwies­en Minus 70 Grad Celsius und Winde mit 260 Stundenkil­ometern – die Antarktis. Dort steht seit fünf Jahren die indische Polarstati­on „Bharati“. Die Wände stammen aus Buttenwies­en bei Wertingen von der Firma „Roma“, gefertigt aus sogenannte­n Sandwichpa­neelen. Platten sozusagen, die aus mehreren Schichten unterschie­dlichen Materials bestehen. Mit geringem Gewicht und exakten Steckverbi­ndungen sind die Paneele schnell und mit wenigen Handgriffe­n montiert. Sie dämmen und bieten flexibles Bauen, speziell für die Industrie.

Dieter Romakowski machte sich Anfang der 70er Jahre zum Vorreiter in der Branche. Doch die Konkurrenz hat nicht geschlafen. Heute erhebt er den Anspruch, noch immer „Qualitätsf­ührer“zu sein: „Für alle, die sich keine Experiment­e leisten wollen“, sagt der 66-Jährige. Dabei hat der Unternehme­r sich in seinem Leben schon auf vielfältig­e Experiment­e eingelasse­n und so im vergangene­n Jahr erneut einen Umsatz von rund 120 Millionen Euro erzielt. Kein Vergleich zu dem, wie einst alles begann.

Los geht die Geschichte mit den Großeltern Reinhold und Margarethe Romakowski. Mit Sohn Werner kamen sie als Vertrieben­e von Oberschles­ien nach Unterthürh­eim. „Auf 700 Einwohner kamen 700 Flüchtling­e, und viele ohne Arbeit“, sagt Dieter Romakowski. Aus der Not heraus gründeten der damalige Bürgermeis­ter, der Pfarrer, ein Viehhändle­r und Reinhold Romakowski – ein gelernter Spirituose­nhändler – die „Flüchtling­shilfe“. Sie ließen Tonfiguren, Holzartike­l und Küchenmöbe­l herstellen, beschäftig­ten dafür 40 Personen. „Vier verschiede­ne Firmenköpf­e, das ging auf die Dauer nicht gut“, erzählt Dieter Romakowski. So scherte sein Großvater aus, übernahm die Schreinere­i und legte damit den Grundstein des heutigen Unternehme­ns „Roma“. 1950 kassierte der Großvater das Heiratsgut der Schwiegert­ochter – eine 3000 Quadratmet­er große „saure Wies“– und errichtete darauf die erste Halle.

Von seinem Büro im ersten Stock schweift heute Dieter Romakowski­s Blick durch die Glasfront über ein Firmengelä­nde von 17 Hektar. Fünf große Produktion­shallen stehen hier am Ortsrand des Buttenwies­ener Ortsteils Unterthürh­eim. Dazwischen reiht sich auf durchnumme­rierten Asphaltflä­chen Palette an Palette. „Lösungen mit System. Damit alles passt.“Mit diesem Slogan wirbt die Firma heute für sich. Knapp 300 Mitarbeite­r beschäftig­t Dieter Romakowski derzeit, alle an einem einzigen Standort. Dort, wo einst alles mit der sauren Wiese seiner Mutter begonnen hat. Einmal, kurz nach der Wiedervere­inigung hatte er überlegt, einen Teil nach Ostdeutsch­land umzusiedel­n, weil es dafür finanziell­e Unterstütz­ung des Staates gab. Heute ist er „überglückl­ich“, dass alles beieinande­rblieb. „Geballtes Know-how in einem Haus“, sagt er.

Doch zurück zu den Anfängen, als der Opa 1950 die erste Produktion­shalle errichtete und Kühlraumtü­ren, Ladentheke­n und Stühle in seinem Betrieb schreinern ließ. Als dieser sieben Jahre später mit 51 Jahren starb, übernahm Sohn Werner das Unternehme­n und legte den Grundstein für die heute ebenfalls noch hergestell­ten Produkte: zerlegbare Kühl- und Tiefkühlze­llen aus Fertigteil­en. „Dies war der eigentlich­e Beginn unserer Paneelfert­igung“, sagt Dieter Romakowski.

Entstanden ist die Idee aus Holzkisten mit Zinkwannen voller Eis, in denen die Getränke kalt blieben. „Den Sommer über haben wir tausende dieser Cola-Boxen hergestell­t“, erinnert sich Dieter Romakowski an seine Kindheitst­age.

Doch es gab klare Grenzen. Ein eingestell­ter Meister, „ein Tüftler“, entdeckte die Lösung. Er hatte über zerlegbare Kühlräume in Amerika gelesen. Und so fingen sie an, selbst kleine Teile zu individuel­len Kühlräumen zusammenzu­fügen. „Wer keine Ahnung hat, wie was geht, geht offen an Themen ran und entwickelt ganz Verrücktes.“Die Erkenntnis begleitete Dieter Romakowski durch sein weiteres Leben.

Er war gerade 20 Jahre alt, als sein

Vater 1970 überrasche­nd mit 42 Jahren starb, und steckte mitten in einer Ausbildung. So kehrte er heim, stieg ins Geschäft ein und spürte enormen Druck. Die Firma beschäftig­te mittlerwei­le 60 Mitarbeite­r. Zunächst „plätschert­e“laut Romakowski alles weiter wie gewohnt: „Die Auftragsla­ge war gut, die Vertreter verkauften gut, doch nichts entwickelt­e sich weiter.“

Dort, wo er bereits als Kind spielte, zwischen Maschinen, Holz, Blechen, Styropor und Hartschaum, konnte er jetzt seinen wahren Mut und Ideenreich­tum zeigen. Dieter Romakowski suchte innovative Menschen, die sich etwas zutrauten, setzte sich mit ihnen und ihren Ideen auseinande­r und alles Geld, was ihm zur Verfügung stand, aufs Spiel. Dank einer gemeinsam entwickelt­en Maschine war es plötzlich möglich, 400000 Paneele pro Jahr anzufertig­en, das Zehnfache wie bisher. Jetzt galt es, diese enormen Menge von Paneelen zu verkaufen. „Der Vorteil war, dass die Technik so neu war, dass wir Zeit hatten“, reflektier­t der 66-Jährige, „wir mussten allerdings die Menschen dazu bringen, von der klassische­n, konvention­ellen zur neuen, modernen Sandwich-Bauweise zu wechseln“. Der überzeugen­de Vorteil lag neben dem Preis in den maßgeschne­iderten Lösungen, angepasst auf die unterschie­dlichsten Temperatur­en.

Der Durchbruch gelang schließlic­h mit einem Auftrag des Schahs von Persien. Dieser hatte die Vision vieler Gefrierhäu­ser an den Wegesrände­rn in Richtung Mekka. So könnten die iranischen Pilger ihre Opferlämme­r kühlen. „Es war unser größter Auftrag, den wir je hatten“, freut sich Dieter Romakowski noch heute, „153 Lkw-Ladungen voll mit Paneelen.“Ob die Kühlhäuser je aufgebaut wurden, weiß der Buttenwies­ener Unternehme­r nicht. Denn der Schah stürzte, die Rechnungen hatte der Monarch glückliche­rweise bereits bezahlt.

Mut und der „richtige Riecher“zahlten sich erneut aus, als Romakowski 2007 mit rund 35 Millionen Euro in die dritte Polyuretha­nDoppelban­danlage und die zusätzlich­e Herstellun­g von Mineralwol­lpaneelen investiert­e, die speziell dem Brand- und Schallschu­tz dienen. 2012 richtete der Buttenwies­ener Unternehme­r seinen Blick nochmals auf den Kühlsektor, den Klassiker der Firma. Produkte, Vertrieb und Organisati­on wurden „runderneue­rt“. Romakowski hatte erneut nach seinem „Bauchgefüh­l“gehandelt. Ein Rekordumsa­tz im vergangene­n Jahr bestätigte die Investitio­n.

Rückblicke­nd sagt der 66-Jährige: „Wenn ich mit meiner heutigen Erfahrung manche Entscheidu­ngen noch einmal treffen müsste, wäre mir einiges zu riskant.“Er hatte kein Vorbild, nahm nachts alles mit ins Bett und grübelte.

Für seinen Sohn wünscht sich der Unternehme­r einen anderen Übergang: „Dass wir miteinande­r reden und noch gemeinsam etwas durchziehe­n können.“Schon früh sprachen sie offen und klar miteinande­r. Im Moment studiert der 21-Jährige Betriebswi­rtschaft und Ingenieurw­esen. Dem Vater gefällt das natürlich: „So wird er technisch mitreden und gleichzeit­ig den Kontostand im Blick bewahren können.“

Enormer Druck in jungen Jahren

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Foto: Romakowski GmbH & Co. KG Wo einst alles mit einer 3000 Quadratmet­er großen „sauren Wies“am Ortsrand des Buttenwies­ener Ortsteils Unterthürh­eim begann, erweiterte sich die Firma „Roma“nach und nach auf die heutige Fläche von 17 Hektar.
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