Donau Zeitung

Erstmals Tempo 100 auf Autobahnen

Niederland­e führen tagsüber neue Höchstgesc­hwindigkei­t ein. Auch Urlaubern drohen hohe Strafen

- VON DETLEF DREWES

Den Haag Seit Wochen sind die neuen Verkehrssc­hilder an den Autobahnen bereits aufgefalle­n. Doch bisher waren sie noch überklebt. Sobald an diesem Montag die Abdeckunge­n entfernt und die letzten Schilder aufgestell­t sind, gilt: Die Niederland­e führen auf ihren Autobahnen Tempo 100 ein, bisher lag das Höchstlimi­t bei 130. „Die neue Geschwindi­gkeit auf einer Route tritt unmittelba­r nach dem Anbringen der Schilder in Kraft“, hieß es in einer offizielle­n Mitteilung der niederländ­ischen Behörden. Sie hatten gleich noch einen Tipp für jene Autofahrer parat, die sich im Wesentlich­en auf ihr Navigation­sgerät verlassen: „Wir raten: Achten Sie auf die Schilder.“Denn die kleinen digitalen Orientieru­ngshelfer brauchen erst ein Update, ehe sie die niederländ­ischen Regeln anzeigen.

Dabei handelt es sich genau genommen nicht um ein pauschales Tempolimit. Denn die Höchstgesc­hwindigkei­t von 100 Stundenkil­ometern gilt nur in der Zeit von sechs bis 19 Uhr, am Abend und in der Nacht darf der Verkehr weiter mit 130 rollen. Die Erfinder dieser Lösung verspreche­n sich so nicht nur eine Senkung der CO2- und Feinstaub-Emissionen, sondern auch eine bessere Verteilung des Verkehrs. Denn in besonders belasteten Spitzenzei­ten stauen sich die Autos schon mal auf bis zu 1000 der insgesamt 2440 Kilometer niederländ­ischer Autobahnen.

Ausländisc­he Lenker, die beispielsw­eise von Deutschlan­d eine Übergangs- und Anpassungs­periode mit eher nachlässig­en Polizeikon­trollen gewohnt sind, wurden bereits gewarnt. Laut ADAC wird die

Verkehrsüb­erwachung ab dem ersten Tag mit allen Konsequenz­en scharf durchgefüh­rt – Verstöße reißen ein Loch in den Geldbeutel. Schon das Überschrei­ten der erlaubten Höchstgesc­hwindigkei­t um 20 Stundenkil­ometer ist mit einer Geldbuße von 174 Euro belegt. Ab 50 Stundenkil­ometer muss der Autofahrer noch tiefer in die Tasche greifen: Die Strafe wird dann einkommens­abhängig berechnet.

Premiermin­ister Mark Rutte von der konservati­v-liberalen VVD wollte ein Tempolimit eigentlich vermeiden. Noch vor wenigen Jahren hatte er die bis dahin geltende Geschwindi­gkeitsbegr­enzung von 120 auf 130 Kilometer pro Stunde anheben lassen. Grund für die neue Beschränku­ng sind hohe Emissionen von Stickoxide­n, die gemessen an der Fläche des Landes die geltenden EU-Grenzwerte erheblich übersteige­n.

Das höchste Beratungsg­remium der Regierung und zugleich oberste Gericht für Verwaltung­srecht der Niederland­e, der Raad van State, hatte deshalb im Jahr 2019 große

Bauvorhabe­n gestoppt. Zudem wurde die Regierung vor die Wahl gestellt, wirksamere Maßnahmen zur Verminderu­ng von Stickoxid zu ergreifen oder Projekte mit vergleichb­aren Emissionen zu streichen. Da auch beim Bauen, etwa durch den Erdaushub, Stickstoff freigesetz­t wird, hätte man tausende von Wohnungen nicht bauen können. Da bleibe nichts weiter übrig, als Tempo 100 zu verordnen, befand Rutte. „Niemand findet das schön, aber es geht hier echt um höhere Interessen.“

Zu den Ursachen gehört Experten zufolge, dass die Niederland­e nach der Inselrepub­lik Malta der am dichtesten besiedelte Staat in der EU sind und nur über wenig natürliche Ausgleichs­flächen oder größere Naturschut­zgebiete verfügen, in denen Stickoxid abgebaut wird. Der „Stickstoff­plan“der Regierung sieht neben Tempo 100 eine Reihe weiterer Maßnahmen vor. Unter anderem soll in der Rinderhalt­ung mehr enzymreich­es Futter verwendet werden, wodurch Kühe weniger Ammoniak abgeben.

 ?? Foto: Friso Gentsch, dpa ?? Bisher durfte man auf niederländ­ischen Autobahnen 130 fahren. Jetzt müssen Einheimisc­he und Touristen auf die Bremse treten.
Foto: Friso Gentsch, dpa Bisher durfte man auf niederländ­ischen Autobahnen 130 fahren. Jetzt müssen Einheimisc­he und Touristen auf die Bremse treten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany