Die Angst vor dem Kollaps wächst
Uli Hoeneß zeichnet ein bedrohliches Szenario. Heute Krisensitzung
Frankfurt am Main Die Nervosität ist vor dem Krisentreffen am Frankfurter Flughafen bei den KlubChefs inmitten der Corona-Pandemie und einem drohenden Ausfall von rund 750 Millionen Euro förmlich greifbar. „Wir müssen endlich der Realität ins Auge schauen. Wir müssen vier Wochen warten, alles auf Null fahren. Vielleicht müssen wir im Oktober noch aufhören, Fußball zu spielen. Das weiß kein Mensch“, sagte der Ehrenpräsident des FC Bayern München am Sonntag in der Sport1-Sendung „Doppelpass“. Bundesliga-Boss Christian Seifert steht beim Sonder-Meeting am heutigen Montag, der Mitgliederversammlung aller 36 Profi-Klubs, vor seiner bislang größten Bewährungsprobe. Nach der massiven Kritik an der Deutschen Fußball Liga für deren zögerliches Krisenmanagement vor der ersten Spieltagsabsage werden die Branchenführer KarlHeinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke zu seinen wichtigsten Adjutanten. Die außerordentliche Summe von rund einer dreiviertel Milliarde Euro Einnahmeverlust bei einem nach wie vor drohenden Totalausfall der Restsaison hat auch die Führung der Top-Klubs Bayern München und Borussia Dortmund mächtig aufgeschreckt. Denn eine Versicherung für den immensen materiellen Schaden hat der deutsche Fußball nicht. Die Suche nach einem Notfallplan zur Rettung des Spielbetriebs hat daher höchste Priorität. Bayern-Vorstandschef Rummenigge schwingt sich in der laut BVB-Chef Watzke „größten Krise des deutschen Profi-Fußballs“zum Überbringer unliebsamer Wahrheiten auf, die DFL-Geschäftsführer Seifert bislang noch nicht ausgesprochen hat. Bisher habe man in Vermarktungsfragen immer solidarische Lösungen gefunden, „aber wichtig ist, dass erst mal jedem klar wird, was ein Aussetzen, eine Unterbrechung oder gar eine Beendigung der BundesligaSaison 2020 bedeuten würde“, mahnte der 64-Jährige schon vor der Absage des 26. Spieltags. Insolvenzen mehrerer mittlerer und kleinerer Klubs könnten sogar einen geordneten Fortbestand der Bundesliga in der nächsten Saison in Gefahr bringen, der ganze Fußball dauerhaft in Schieflage geraten, so die Drohkulisse.
Die Prognosen der führenden Wissenschaftler deuten überhaupt nicht daraufhin, dass der FußballAlltag schnell zurückkommt. Die Aussagen von Hoeneß klingen auch wenig beruhigend. „Ich finde es Scharlatanerie, heute zu sagen, was in vier Wochen passiert. Wir müssen den Wissenschaftlern die Zeit geben, um das Therapeutikum zu finden. Alles andere ist Schaumschlägerei.“
Der Berliner Senat schloss am Samstag alle Sportstätten – inklusive Olympiastadion und Alte Försterei – vorerst bis zum 19. April. Zumindest Hertha BSC und Union Berlin werden also nicht wie erhofft vor Ostern in den Spielbetrieb zurückkehren können. Das steht schon vor der Liga-Vollversammlung fest.
Sollte der sportliche wie ökonomische Worst Case eintreten und die Saison tatsächlich nach 25 Spieltagen beendet werden müssen, würde allein durch den Wegfall der Fernsehgelder für die letzten neun Runden ein Einnahmeausfall von rund 370 Millionen Euro anfallen. Die TV-Sender und Streamingdienste könnten die nicht erbrachten Leistungen geltend machen, weiß man auch bei der DFL. Schaden im jeweils dreistelligen Millionenbereich entstünde zudem durch entgangene Sponsorengelder und fehlende Eintrittsgelder. „Es steht zu hoffen, dass die Bundesliga-Klubs in den vergangenen Jahren so viel Substanz gebildet haben, dass alle diese Krise überstehen“, hatte Watzke gesagt und damit die zuvor getroffenen Aussagen von Rummenigge untermauert. Kollektiv wird sich der deutsche Fußball für eine EM-Verschiebung ins Jahr 2021 aussprechen, über die die Uefa am Dienstag entscheidet.