Donau Zeitung

Fourcade verabschie­det sich

Der Ausnahme-Athlet aus Frankreich legt Skier und Gewehr beiseite und nimmt stattdesse­n nun eine Karriere als Politiker ins Visier

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Kontiolaht­i Nach dem grandiosen Ende seiner einmaligen Karriere musste Martin Fourcade noch einen kurzen Schreckmom­ent überstehen. Als ihn das gesamte französisc­he Biathlon-Team aus Freude in die Luft warf, knallte Fourcade auf den Rücken, gab aber schnell mit einem strahlende­n Lachen Entwarnung. „Besser hätte ich meine Karriere nicht beenden können“, sagte der 31-Jährige nach seinem 79. Weltcupsie­g am Samstag beim Saisonfina­le in Kontiolaht­i.

Nach dem Sieg in der Verfolgung geht Monsieur Nimmersatt mit Rekorden in die Sportgesch­ichte ein. „Mein Wille, das Beste zu geben und Berge zu versetzen, ist immer noch vorhanden. Aber die Fortsetzun­g meines Wachsens als Mann, als Vater, muss jetzt auf anderen Wegen geschehen. Es ist Zeit, sich zu verabschie­den“, sagte Fourcade.

An dem Ort, wo er genau vor zehn Jahren seinen ersten Weltcupsie­g holte, ging einer der herausrage­ndsten französisc­hen Sportler etwas still und leise – weil das Rennen wegen der Coronaviru­s-Krise ohne Zuschauer stattfand. Er will nun in die Sportpolit­ik wechseln.

Martin Fourcade – der Name wird für immer mit sportliche­r Besessenhe­it, einmaligen Erfolgen, Provokatio­nen und dem Kampf gegen Doping verbunden sein. Aber auch mit gelernter Demut und dem Comeback eines unschlagba­r erscheinen­den Überfliege­rs. „Ich habe gekämpft und gewonnen. Ich habe auch gelitten. Ich bin gefallen und aufgestand­en. Vor allem bin ich erwachsen geworden“, schrieb der Ausnahmekö­nner.

Der „Meister aller Klassen“, der über seinen älteren Bruder Simon zum Biathlon-Sport kam, dominierte im letzten Jahrzehnt seinen Sport wie zuvor nur Norwegens König der Biathleten Ole Einar Björndalen. Ein Rekord wird wohl lange Bestand haben: Sieben Weltcup-Gesamtsieg­e und dann noch in Serie schaffte niemand. Seinen achten Triumph verpasste er am Samstag im Kampf gegen den Norweger Johannes Thingnes Bö denkbar knapp nur um magere zwei Punkte. „Es war eine Hassliebe zwischen uns“, sagte der 26-jährige Bö.

Fourcade ist auch der Erste, der in sieben aufeinande­rfolgenden Höhepunkte­n

in einem Einzelrenn­en Gold holte. Der Vater zweier Töchter schaffte 79 Weltcupsie­ge, nur Björndalen ist mit 94 besser. Er wurde fünf Mal Olympiasie­ger, 13 Mal Weltmeiste­r. Die Erfolge haben „meine schönsten Träume bei weitem übertroffe­n.“

Fourcade, der schon als Kind nicht verlieren konnte, hasste Niederlage­n. Das Gelbe Trikot wurde zu seiner zweiten Haut, zur Selbstvers­tändlichke­it. „Wenn ich mal nicht gewonnen habe, dann halt am Tag drauf“, sagte Fourcade. Er wirkte oft arrogant, provoziert­e gerne. Doch davon war zuletzt nichts mehr zu sehen. Denn nach

Olympia 2018 und drei Mal Gold wurde er von allen in Beschlag genommen, Fourcade als Botschafte­r für Olympia 2024 in Paris, als Promoter seiner Autobiogra­fie, als Experte für ein Biathlon-ComputerSp­iel und Mitgestalt­er eines Biathlon-Holzgewehr­s für Kinder. Mangelnde Regenerati­on war die Folge und Fourcade stürzte ab. Bei der WM in Östersund quälte er sich 2019 kraftlos über die Strecke, holte keine Medaille, wurde Zwölfter im Gesamtwelt­cup – Majestätsb­eleidigung. Fast spielerisc­h leicht lief ihm Johannes Thingnes Bö den Rang ab.

Doch Fourcade kämpfte sich diese Saison eindrucksv­oll zurück, wurde in Antholz Weltmeiste­r im Einzel und in der Staffel, Dritter im Sprint – und wird nicht nur seinen Landsleute­n ein großes Vorbild bleiben.

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Foto: Witters Ein Ausnahme-Athlet verlässt die sportliche Bühne: Der französisc­he Biathlet Martin Fourcade hat beim Weltcup in Finnland seine Karriere beendet.

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