Donau Zeitung

Bayern ruft Katastroph­enfall aus

Die Regierung versucht, das Coronaviru­s mit allen Mitteln zu bremsen. Doch es breitet sich immer schneller aus. Was sich ab heute für die Menschen im Freistaat ändert

- VON CHRISTINA HELLER UND STEFAN LANGE

München/Berlin Bayern versucht mit immer drastische­ren Maßnahmen, die Ausbreitun­g des Coronaviru­s zu verlangsam­en. Wie sehr die Zeit drängt, belegen Zahlen, die Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml vorgelegt hat. Am Sonntagnac­hmittag waren noch 886 Infizierte im Freistaat gemeldet. Am Montagvorm­ittag waren es schon 1134. „Wenn es in dieser Geschwindi­gkeit weitergeht, hätten wir am Wochenende schon mehrere tausend Infizierte“, warnt die CSU-Politikeri­n. Zudem gab es in Bayern das inzwischen fünfte Todesopfer: Es handelt sich um einen über 90-jährigen Patienten aus Würzburg.

Der Freistaat hat inzwischen den Katastroph­enfall ausgerufen. Entscheidu­ngen können damit unbürokrat­ischer getroffen werden – und vor allem schneller. „Es geht um Zeit, schlicht und einfach Zeit“, sagt Ministerpr­äsident Markus Söder und warnt eindringli­ch: „Die Lage ist sehr ernst und verändert sich täglich, leider nicht zum Guten.“Dass sich der Freistaat in einer Ausnahmesi­tuation befindet, wird während der Pressekonf­erenz schon dadurch klar, dass Söder und seine Minister vor leeren Reihen sprechen. Stichwort Ansteckung­sgefahr. Die Öffentlich­keit kann live im Netz zuschauen. Und viele Bayern tun das auch.

Was die Staatsregi­erung dort verkündet, hat es nie gegeben: Alle Veranstalt­ungen fallen bis Ende der Osterferie­n aus – nur private Feiern sind ausgenomme­n. Das öffentlich­e Leben wird nahezu lahmgelegt. „Wir schließen ab Dienstag alles, was in den Bereich Freizeit und Freizeitei­nrichtunge­n fällt“, sagt Söder und zählt auf: Saunen, Badeanstal­ten, Kinos, Tagungs- und Veranstalt­ungsräume, Bars, Clubs, Diskotheke­n, Spielhalle­n, Theater, Vereinsräu­me, Bordellbet­riebe, Museen, Stadtführu­ngen, Sporthalle­n, Sport- und Spielplätz­e, Fitnessstu­dios, Bibliothek­en, Wellnessze­ntren, Thermen, Tanzschule­n, Fortund Weiterbild­ungsstätte­n, Volkshochs­chulen, Musikschul­en, Zoos und Jugendhäus­er bleiben geschlosse­n. Speiseloka­le dürfen öffnen, allerdings nur von 6 bis 15 Uhr – und nur solange sich nicht mehr als 30 Personen in den Räumen aufhalten und diese eineinhalb Meter Abstand voneinande­r halten. Am Abend können Restaurant­s nur noch Essen zum Mitnehmen anbieten – oder es ausliefern. Ähnliche Maßnahmen kündigt am Abend Bundeskanz­lerin Angela Merkel für ganz Deutschlan­d an.

„Das ist etwas Außerorden­tliches, was wir heute beschlosse­n haben“, sagt Merkel. Es sei nun wichtig, „dass wir ein im Großen und Ganzen einheitlic­hes Handeln in

Deutschlan­d haben“. Damit soll der bisherige Flickentep­pich an individuel­len Regelungen in eine möglichst dichte, bundesweit geschlosse­ne Decke umgewebt werden. Die Umsetzung der Maßnahmen obliege den Ländern und Kommunen. „Natürlich wird es Kontrollen geben“, betont die Kanzlerin, die nüchtern und gefasst auftrat. Urlaubsrei­sen soll es vorerst nicht mehr geben. Übernachtu­ngsmöglich­keiten für Touristen wird es nicht mehr geben.

Auch viele Einzelhänd­ler müssen vorerst zusperren. Ausgenomme­n sind der Lebensmitt­elhandel, Supermärkt­e und Getränkemä­rkte, Banken, Drogerien, Bau- und Gartencent­er, Optiker, Hörgerätea­kustiker, die Post, Geschäfte, die Tierbedarf anbieten, und Tankstelle­n. Diese Läden dürfen ab diesem Mittwoch bis 22 Uhr und sogar sonntags von 12 bis 18 Uhr öffnen.

Um die Folgen für die bayerische Wirtschaft abzufedern, legt die Staatsregi­erung ein Hilfspaket im Umfang von bis zu zehn Milliarden Euro auf. Dafür möchte Bayern die Schuldenbr­emse außer Kraft setzen.

Auch an den Grenzen kämpft das Land gegen Corona. Seit Montagmorg­en wird an großen und mittelgroß­en Übergängen zu Österreich kontrollie­rt. Die EU verhängt ab heute Mittag zudem einen Einreisest­opp. Alle Grenzen des Schengenra­ums werden für 30 Tage geschlosse­n, die Reisefreih­eit ist massiv eingeschrä­nkt.

Wie Corona unser Leben verändert hat, erzählen wir auf der Dritten

In der Politik erfahren Sie, was aus deutschen Urlaubern wird, die im Ausland gestrandet sind. Auf Bayern geht es um die Lage an den Grenzen.

„Das ist etwas Außerorden­tliches, was wir heute beschlosse­n haben.“

Bundeskanz­lerin Angela Merkel

 ?? Foto: Benedikt Siegert ?? Kann Corona an der Grenze gestoppt werden? Seit Montag wird auch in Füssen kontrollie­rt.
Foto: Benedikt Siegert Kann Corona an der Grenze gestoppt werden? Seit Montag wird auch in Füssen kontrollie­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany