Bayern ruft Katastrophenfall aus
Die Regierung versucht, das Coronavirus mit allen Mitteln zu bremsen. Doch es breitet sich immer schneller aus. Was sich ab heute für die Menschen im Freistaat ändert
München/Berlin Bayern versucht mit immer drastischeren Maßnahmen, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Wie sehr die Zeit drängt, belegen Zahlen, die Gesundheitsministerin Melanie Huml vorgelegt hat. Am Sonntagnachmittag waren noch 886 Infizierte im Freistaat gemeldet. Am Montagvormittag waren es schon 1134. „Wenn es in dieser Geschwindigkeit weitergeht, hätten wir am Wochenende schon mehrere tausend Infizierte“, warnt die CSU-Politikerin. Zudem gab es in Bayern das inzwischen fünfte Todesopfer: Es handelt sich um einen über 90-jährigen Patienten aus Würzburg.
Der Freistaat hat inzwischen den Katastrophenfall ausgerufen. Entscheidungen können damit unbürokratischer getroffen werden – und vor allem schneller. „Es geht um Zeit, schlicht und einfach Zeit“, sagt Ministerpräsident Markus Söder und warnt eindringlich: „Die Lage ist sehr ernst und verändert sich täglich, leider nicht zum Guten.“Dass sich der Freistaat in einer Ausnahmesituation befindet, wird während der Pressekonferenz schon dadurch klar, dass Söder und seine Minister vor leeren Reihen sprechen. Stichwort Ansteckungsgefahr. Die Öffentlichkeit kann live im Netz zuschauen. Und viele Bayern tun das auch.
Was die Staatsregierung dort verkündet, hat es nie gegeben: Alle Veranstaltungen fallen bis Ende der Osterferien aus – nur private Feiern sind ausgenommen. Das öffentliche Leben wird nahezu lahmgelegt. „Wir schließen ab Dienstag alles, was in den Bereich Freizeit und Freizeiteinrichtungen fällt“, sagt Söder und zählt auf: Saunen, Badeanstalten, Kinos, Tagungs- und Veranstaltungsräume, Bars, Clubs, Diskotheken, Spielhallen, Theater, Vereinsräume, Bordellbetriebe, Museen, Stadtführungen, Sporthallen, Sport- und Spielplätze, Fitnessstudios, Bibliotheken, Wellnesszentren, Thermen, Tanzschulen, Fortund Weiterbildungsstätten, Volkshochschulen, Musikschulen, Zoos und Jugendhäuser bleiben geschlossen. Speiselokale dürfen öffnen, allerdings nur von 6 bis 15 Uhr – und nur solange sich nicht mehr als 30 Personen in den Räumen aufhalten und diese eineinhalb Meter Abstand voneinander halten. Am Abend können Restaurants nur noch Essen zum Mitnehmen anbieten – oder es ausliefern. Ähnliche Maßnahmen kündigt am Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel für ganz Deutschland an.
„Das ist etwas Außerordentliches, was wir heute beschlossen haben“, sagt Merkel. Es sei nun wichtig, „dass wir ein im Großen und Ganzen einheitliches Handeln in
Deutschland haben“. Damit soll der bisherige Flickenteppich an individuellen Regelungen in eine möglichst dichte, bundesweit geschlossene Decke umgewebt werden. Die Umsetzung der Maßnahmen obliege den Ländern und Kommunen. „Natürlich wird es Kontrollen geben“, betont die Kanzlerin, die nüchtern und gefasst auftrat. Urlaubsreisen soll es vorerst nicht mehr geben. Übernachtungsmöglichkeiten für Touristen wird es nicht mehr geben.
Auch viele Einzelhändler müssen vorerst zusperren. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Supermärkte und Getränkemärkte, Banken, Drogerien, Bau- und Gartencenter, Optiker, Hörgeräteakustiker, die Post, Geschäfte, die Tierbedarf anbieten, und Tankstellen. Diese Läden dürfen ab diesem Mittwoch bis 22 Uhr und sogar sonntags von 12 bis 18 Uhr öffnen.
Um die Folgen für die bayerische Wirtschaft abzufedern, legt die Staatsregierung ein Hilfspaket im Umfang von bis zu zehn Milliarden Euro auf. Dafür möchte Bayern die Schuldenbremse außer Kraft setzen.
Auch an den Grenzen kämpft das Land gegen Corona. Seit Montagmorgen wird an großen und mittelgroßen Übergängen zu Österreich kontrolliert. Die EU verhängt ab heute Mittag zudem einen Einreisestopp. Alle Grenzen des Schengenraums werden für 30 Tage geschlossen, die Reisefreiheit ist massiv eingeschränkt.
Wie Corona unser Leben verändert hat, erzählen wir auf der Dritten
In der Politik erfahren Sie, was aus deutschen Urlaubern wird, die im Ausland gestrandet sind. Auf Bayern geht es um die Lage an den Grenzen.
„Das ist etwas Außerordentliches, was wir heute beschlossen haben.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel