Donau Zeitung

Das grüne Wunder blieb aus, bewährte Kräfte behaupten sich

Bei den Kommunalwa­hlen haben sich CSU, Freie Wähler und SPD stabiler gezeigt als erwartet – zumindest bei den Landräten und Oberbürger­meistern

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de

Auch wenn sich die Lebensumst­ände gerade in atemberaub­ender Geschwindi­gkeit ändern – die Rituale nach der Wahl sind in der Krise dieselben geblieben: Es gibt, glaubt man den Statements der Parteien, bei dieser Kommunalwa­hl fast nur Sieger. Aber das ist selbstvers­tändlich Unsinn, weil jeder halt genau die Messlatte anlegt, die ihm gerade in den Kram passt.

Zu welch amüsanten Ergebnisse­n es führt, wenn man den Spieß einfach mal umdreht, lässt sich am Beispiel der Stadt München treffend illustrier­en: Der SPD-Oberbürger­meister Dieter Reiter fühlt sich als Sieger, obwohl er der erste Amtsinhabe­r seit dem krachend gescheiter­ten Erich Kiesl (CSU) ist, der in die Stichwahl muss. Die CSU feiert ihre Kandidatin Kristina Frank schon dafür, dass sie es in die

Stichwahl geschafft hat, obwohl sie im Vergleich zu ihrem Vorgänger um 15,4 Prozentpun­kte eingebroch­en ist. Und die Grünen jubeln, obwohl sie ihr heimliches Wahlziel, die CSU-Kandidatin schon im ersten Wahlgang aus dem Rennen zu werfen, verpasst haben. Nach dieser Logik gäbe es in München nur Verlierer. Auch das ist selbstvers­tändlich Unsinn.

Wer wissen will, wie es bei dieser Kommunalwa­hl tatsächlic­h gelaufen ist, muss genauer hinschauen. Noch einmal das Beispiel München: Eindeutige­r Verlierer in der Landeshaup­tstadt ist die CSU. Sie wird im Stadtrat nicht länger stärkste Fraktion sein und ihre OB-Kandidatin kann sich für die Stichwahl wahrschein­lich nicht einmal eine Außenseite­rchance ausrechnen. Gewonnen haben die Wahl die Grünen als voraussich­tlich neue stärkste Fraktion im Stadtrat und die SPD, die trotz massiver Verluste bei der Stadtratsw­ahl wieder den Oberbürger­meister stellen wird. Gemeinsam erreichen Grüne und SPD wohl wieder knapp die absolute Mehrheit, die sie vor sechs Jahren

verloren hatten. Der CSU droht in München erneut die Opposition – eine Rolle, die ihr dort seit Jahrzehnte­n vertraut ist.

Was für die Landeshaup­tstadt gilt, das gilt auch überall sonst in Bayern: Es kommt auf die örtlichen Verhältnis­se an. Die Wähler in den Städten, Kreisen und Gemeinden Bayerns haben gezeigt, dass es ihnen zuallerers­t um die Persönlich­keiten

geht und nicht so sehr um die Parteien. Die ausgiebig diskutiert­en Megatrends spielten eine deutlich geringere Rolle als vor der Wahl angenommen – je kleiner die Stadt, umso weniger kommt es auf parteipoli­tische Vorlieben an.

Das von der CSU befürchtet­e „grüne Wunder“ist ausgeblieb­en. Zwar konnten die Grünen auch in der Fläche kräftig zulegen, aber längst nicht so stark, wie sie gehofft hatten. Einen zusätzlich­en Landrat oder gar einen Oberbürger­meister werden sie, obwohl sie vielerorts in der Stichwahl sind, aller Voraussich­t nach nicht bekommen. Die CSU, die Freien Wähler und – mit Einschränk­ungen – auch die bundesweit schwächeln­de SPD haben sich als kommunale Kräfte behauptet. Die AfD blieb weit hinter ihren eigenen Hoffnungen zurück.

Dass es doch etwas anders gelaufen ist, als noch vor zwei, drei Wochen angenommen, liegt vermutlich auch daran, dass die Corona-Pandemie die Megatrends, also Klimaund Flüchtling­spolitik, kurzfristi­g komplett überlagert hat. Die These, dass die Wähler in Krisenzeit­en eher den etablierte­n politische­n Kräften denn Protestpar­teien ihr Vertrauen schenken, klingt jedenfalls plausibel.

Ohne jeden Zweifel aber gibt es bei dieser Wahl einen Sieger – das ist die Demokratie in Bayern. Die Wahlbeteil­igung ist gestiegen und die demokratis­chen Kräfte von der CSU bis zu den Grünen gehen gestärkt aus dem Urnengang hervor. Das ist eine gute Nachricht in einer schwierige­n Zeit.

Das Coronaviru­s verdrängte andere Megatrends

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