Tausende deutsche Urlauber werden zurückgeholt
Wie das Außenministerium, Reiseveranstalter und Luftfahrtgesellschaften auf die Virus-Krise reagieren
Berlin Für diese Situation gibt es keine Erfahrungswerte, denn so etwas hat es noch nie gegeben. Wenn bisher Urlauber in einem Krisenfall von ihren Reiseveranstaltern zurückgeholt wurden, beschränkte sich dies auf ein Zielgebiet oder eine Region. Erstmals gilt es nun, wegen des neuen Coronavirus’ gestrandete Reisende aus aller Welt zurück nach Deutschland zu bringen. „Die Situation hat eine Dimension erreicht, die wir so noch nicht hatten“, erklärt Thorsten Schäfer, Pressesprecher beim Deutschen Reiseverband (DRV), dem Dachverband der Reiseveranstalter.
Man geht davon aus, dass hunderttausende Deutsche sich derzeit noch im Ausland aufhalten. Exakte Angaben gibt es nicht. Denn die Zahl der Individualreisenden ist nicht bekannt. Die Situation stellt sich nicht überall und für alle gleich dramatisch dar. Es gibt Länder, die lassen Reisende noch hinein und auch hinaus. Doch die Situation könne „sich ständig ändern“, erklärt Schäfer. „Das merken wir ja derzeit täglich.“Die Reiseveranstalter versuchen derzeit unter Hochdruck ihre Kunden zurückzuholen.
Der Deutsche Reiseverband koordiniert zusammen mit dem Auswärtigen Amt sowie den Fluggesellschaften und den Reiseveranstaltern eine Rückholaktion. Durch die Corona-Krise ist der Luftverkehr extrem eingeschränkt. Viele Urlauber sitzen an ihrem Ferienort oder auf einem Kreuzfahrtschiff fest, da immer mehr Staaten sich abschotten. Viele Flüge fallen aus, Grenzen werden dichtgemacht, Fährverbindungen werden eingestellt.
Lufthansa hat seit Montag und für die kommenden Tage 15 Sonderflüge organisiert, um vor allem Kreuzfahrtpassagiere und Urlaubsgäste kurzfristig wieder nach Deutschland zurückzufliegen. Auch zwei reguläre Flüge werden für die Rückholaktion genutzt. Insgesamt rechnet die Kranich-Linie damit, rund 3000 bis 4000 Fluggäste nach Deutschland zurückzufliegen, heißt es in einer Pressemitteilung. Lufthansa, die wegen der Ausbreitung von Covid-19 zahlreiche Verbindungen vorübergehend aussetzen musste, fliegt diese Charterflüge im Auftrag von Reedereien und Touristikunternehmen.
Schwerpunkte der Sonderflüge sind Teneriffa auf den Kanaren und die Karibikinsel Barbados und Punta Cana in der Dominikanischen Republik. Zielflughäfen sind Frankfurt, München, Hamburg und Berlin. Die ersten Feriengäste sind am Sonntag schon in Deutschland angekommen. Es werden Großraumflugzeuge vom Typ Boeing 747 und Airbus A 340 eingesetzt. Dabei werden die Flugzeuge meist ohne Passagiere (ferry, wie es in der Fachsprache heißt) und mit doppelter Besatzung an den Zielort geflogen. Das bedeutet, die Crew darf vor Ort nicht von Bord. Die Maschine muss, sobald die deutschen Passagiere eingestiegen sind, wieder in Richtung Deutschland abheben, und auf dem Rückweg arbeitet die zweite Schicht.
Die deutsche Reisewirtschaft holt ab sofort Pauschalreisegäste, die in verschiedenen Ländern gestrandet sind und für die es keine regulären
Rückflüge mehr gibt, zurück nach Deutschland. Über den DRV wird zunächst die Anzahl der Veranstaltergäste, die in den Ländern aktuell oder in den nächsten Tagen auf einen Rückflug warten, festgestellt. Die Bundesregierung bestellt sodann die benötigten Flugzeugkapazitäten. Als besonders von den Einschränkungen betroffenen gelten Marokko, die Malediven, Philippinen, die Dominikanische Republik und Zypern.
Rechtlich ist es so, dass die Kosten einer Rückholaktion zu hundert
Prozent der Reiseveranstalter übernehmen muss. „Diese Regelung gilt aber nur für den Fall, dass der Kunde eine Pauschalreise gebucht hat“, betont der Kemptener Reiserechtler Professor Ernst Führich. Die Reiseveranstalter müssen zahlen, obwohl „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“für die Urlaubsanbieter vorlägen. Diese Regelung ist erst vor zwei Jahren in Kraft getreten. Davor mussten sich, die Urlauber zu 50 Prozent an den Kosten einer Rückholaktion beteiligen.
Auch diese Handhabung ist neu: Ist ein Urlauber unterwegs und der Reiseveranstalter bricht von sich aus die Reise ab, gilt folgende Regelung:
Reiseveranstalter müssen in der Regel die Kosten tragen
Der Reiseanbieter muss den Aufenthalt bis zur möglichen Rückreise organisieren. Der Anbieter hat eine sogenannte Beistandspflicht. Das Unternehmen muss für drei Tage des Aufenthalts aufkommen, alle weiteren Tage, die notwendig sind, muss der Urlauber übernehmen. Letztendlich, betont Führich, der auch eine Facebook-Gruppe Reiserecht moderiert, müsse aber jeder Fall individuell betrachtet werden. Individualreisende sollten sich vor Ort an die Deutsche Botschaft wenden.