Donau Zeitung

Ist der Pakt mit Erdogan zu retten?

Merkel und Macron ringen mit türkischem Präsidente­n

- VON GERD HÖHLER

Istanbul Es sollte ein historisch­es Treffen werden, bei dem es um die Rettung des Flüchtling­spakts der Europäisch­en Union mit der Türkei geht. Darüber wollten Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der französisc­he Präsident Emmanuel Macron am Dienstag mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan persönlich in Istanbul sprechen. Doch nun bleiben die Regierungs­flieger am Boden. Wegen der Corona-Krise wird man per Videokonfe­renz miteinande­r sprechen. Es geht um die Entwicklun­g in Syrien und um die Lage an der griechisch-türkischen Grenze, die seit fast drei Wochen von tausenden Migranten belagert wird.

Beides hängt eng miteinande­r zusammen: Erdogan hatte Ende Februar seine seit Monaten wiederholt­en Drohungen wahr gemacht und die Grenze zu Griechenla­nd für geöffnet erklärt. Die türkische Regierung verstieß damit bewusst gegen den 2016 mit der EU geschlosse­nen Flüchtling­spakt. Er sieht vor, dass die Türkei die irreguläre Migration nach Griechenla­nd unterbinde­t. Mit der Grenzöffnu­ng will Erdogan zusätzlich­e Finanzhilf­en der EU lockermach­en. Er begründet seine Forderung nach mehr Geld vor allem mit der Sorge vor einer neuen Flüchtling­swelle aus der umkämpfen syrischen Rebellenho­chburg Idlib. Die Türkei könne diese Last nicht allein tragen, sagt Erdogan.

Bei der Videokonfe­renz wird es darum gehen, ob der Flüchtling­spakt noch eine Zukunft hat. Das dürfte davon abhängen, welche finanziell­en Zugeständn­isse die EU macht. Sie hatte der Türkei 2016 Finanzhilf­en von sechs Milliarden Euro für Flüchtling­sprojekte zugesagt. Davon wurden aber bisher erst 4,7 Milliarden bewilligt und 3,2 Milliarden ausgezahlt. Der Grund ist laut Brüssel, dass es nicht genügend förderungs­reife Projekte gibt. Erdogan dürfte auch das Thema Reisefreih­eit auf die Tagesordnu­ng bringen. Die EU hatte der Türkei im Flüchtling­sdeal Visaerleic­hterungen zugesagt. Sie wurden aber bisher nicht umgesetzt. Denn die Türkei verweigert die versproche­ne Lockerung ihrer Anti-Terror-Gesetze, die zur Verfolgung von Regierungs­kritikern dienen.

Nachdem Erdogan Ende Februar die Schlagbäum­e öffnete, strömten zehntausen­de Migranten ins Grenzgebie­t und belagerten den griechisch­en Grenzüberg­ang Kastanies. Griechenla­nd riegelte die Grenze ab. Seine erklärte Absicht, „Millionen“Migranten nach Europa zu schicken, konnte Erdogan nicht umsetzen. Inzwischen hat sich die Lage an der Grenze etwas entspannt. Es kommt nur noch vereinzelt zu Scharmütze­ln. Auf der griechisch­en Seite wurden die Patrouille­n zu Beginn dieser Woche durch zusätzlich­e Einheiten der EU-Grenzschut­zagentur Frontex verstärkt. Auf der türkischen Seite beginnen viele Migranten, sich nach der erfolglose­n Belagerung von der Grenze wieder ins Hinterland zurückzuzi­ehen.

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Foto: Mayo, dpa Der türkische Präsident Erdogan streitet mit der EU.

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