Deutschlands CO -Ausstoß sinkt
Die Klimapolitik zeigt erste Wirkung: Wegen steigender Preise für die Verschmutzung der Atmosphäre kommt weniger Strom aus Kohlekraftwerken. Im Verkehr geht allerdings trotz modernerer Motoren nichts voran
Berlin Es gibt derzeit offenbar kein Thema, das von der Corona-Krise unberührt bleibt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze etwa hatte kurz überlegt, die Vorstellung der deutschen Klimabilanz 2019 wegen der Epidemie zu verschieben. Die SPD-Politikerin entschied sich am Ende dagegen. Denn „auch die Klimakrise bleibt wichtig, sie ist bedrohlich, sie geht nicht einfach weg, auch nicht in Corona-Zeiten“, betonte die Ministerin. Zumal Schulze zusammen mit dem Präsidenten des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, einige gute Zahlen im Gepäck hatte. Die Treibhausgasemissionen gingen 2019 um rund 54 Millionen Tonnen oder 6,3 Prozent auf 805 Millionen Tonnen zurück.
„Die positive Entwicklung von 2018 hat sich 2019 fortgesetzt“, sagte Schulze. Seinerzeit waren zunächst rund 866 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß gemeldet worden. Diese Zahl wurde aufgrund neuer Berechnungen auf 859 Millionen Tonnen nach unten revidiert. Seit 1990 gab es demnach nur ein einziges Jahr, in dem mehr CO2 gemindert wurde. Das war 2009, damals schrumpfte die Wirtschaft infolge der Finanzkrise zusammen. Weniger Produktion bedeutete auch weniger Treibhausgase.
Im Erhebungszeitraum allerdings legte die Wirtschaft zu, was die neuen Zahlen in Schulzes Augen umso bemerkenswerter macht. Nie zuvor seien die Treibhausgasemissionen „in normalen Zeiten so stark gesunken“. Als Gründe für den Rückgang nannte Schulze den Rückgang der Kohleverstromung in Verbindung mit außergewöhnlich niedrigen Gaspreisen. Auch der europäische Emissionshandel wirkt sich demnach dämpfend aus. Energieerzeuger und Industrie müssen dabei für jede Tonne Kohlendioxid, die aus ihren Schornsteinen in die Atmosphäre geblasen wird, ein Verschmutzungszertifikat kaufen. Steigt der Preis der Papiere, wie vergangenes Jahr geschehen, haben die Unternehmen ein höheres Interesse daran, weniger Treibhausgase auszustoßen.
Mit Blick auf das Klimaziel der Regierung – bis 2030 müssen die Emissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden – zeigte sich Schulze verhalten optimistisch. Aktuell wurden demnach 35,7 Prozent eingespart. Den größten Beitrag dazu leistete demnach die Energiewirtschaft, die im vergangenen Jahr fast 17 Prozent weniger CO2 ausstieß als im Jahr davor. Hält die Entwicklung an und wird durch die Epidemie verstärkt, könnte Deutschland doch noch das eigentlich abgeschriebene Ziel für 2020 erreichen, 40 Prozent weniger Klimagas als 1990 in die Luft zu schicken. Aber es gibt noch viel zu tun. „Die Klimakrise wird nicht einfach verschwinden, nur weil sie ein paar Monate nicht die Nachrichten beherrscht“, mahnte Schulze weitere Anstrengungen beim Ausbau der erneuerbaren Energie an.
Umweltbundesamtchef Messner drang in den Bereichen Gebäude, Verkehr und Industrie auf weitere Schritte, um der hier seit Jahren anhaltenden Stagnation bei der Emissionsreduzierung entgegenzuwirken. Messner forderte die Politik auf, den Ausbau der Windenergie zu forcieren. Für die Einhaltung der Klimaziele sind demnach 5,5 Gigawatt Zubau bei der Windenergie nötig, tatsächlich waren es 2019 nur 0,9 Gigawatt, wobei ein Gigawatt der Leistung eines Kernkraftwerkes entspricht. Außerdem ist „der Verkehr noch immer das Sorgenkind des Klimaschutzes“, wie Messner erklärte. Trotz effizienterer Motoren ist der CO2-Ausstoß nicht gesunken. Denn die Fahrzeuge werden schwerer, es werden mehr Fahrzeuge in den Verkehr gebracht und es werden mehr Kilometer gefahren. Messner erneuerte die Forderung seiner Behörde nach Einführung eines Tempolimits von 120 Stundenkilometern.
Die aktuelle Virus-Epidemie hat nicht nur schlechte Seiten, sie wirkt sich positiv aufs Klima aus. „Wir werden eine Reduzierung der CO -Emissionen durch Corona erleben“, sagte Messner, betonte aber auch, dass es sich hier um einen nicht nachhaltigen Einmaleffekt handele. Gleichzeitig nahm der Experte einen womöglich dauerhaften Effekt ins Auge. Die Corona-Krise könne Nachkriegsgenerationen dabei helfen, „Erschütterungen in der Weltgeschichte“besser zu verstehen. Sie wären damit auf die umwälzenden globalen Erschütterungen vorbereitet, wenn es nicht gelingt, den Klimawandel drastisch zu verlangsamen.