Donau Zeitung

Eurofighte­r: Dramatisch­er Brandbrief an AKK

Betriebsrä­te aus süddeutsch­en Verteidigu­ngsstandor­ten appelliere­n an Ministerin Kramp-Karrenbaue­r, keine US- Kampfflugz­euge zu kaufen

- VON STEFAN STAHL

Manching/Augsburg Der FußballWM-Effekt wird gefürchtet. Denn während solcher Weltmeiste­rschaften können Regierunge­n Entscheidu­ngen treffen, ohne dass dies groß bemerkt wird. Schließlic­h dreht sich alles um den Ball und das Schicksal der Nationalma­nnschaft. Politiker wissen um die Chance, unangenehm­e Dinge weitgehend unbeachtet durchzupei­tschen.

Genau den Fußball-WM-Effekt befürchten nun in Corona-Zeiten auch Betriebsrä­te und Mitarbeite­r der süddeutsch­en Verteidigu­ngsindustr­ie, dominieren doch Nachrichte­n über das Virus derzeit fast alles. Sie haben Angst, dass sich Bundesvert­eidigungsm­inisterin Annegret Kramp-Karrenbaue­r trotz des massiven Widerstand­s der vergangene­n Wochen doch für den Kauf von amerikanis­chen Kampfflugz­eugen des Typs F-18 von Boeing und gegen den Eurofighte­r entscheide­n könnte. Am letzteren Flieger ist Airbus maßgeblich beteiligt. Zunächst hieß es, Deutschlan­d wäre an bis zu 45 F-18-Maschinen interessie­rt. Am Montag verlautete aus einer gut unterricht­eten Quelle, derzeit würde immerhin noch über den Erwerb von 30 bis 35 US-Bombern in hochrangig­en Kreisen der Luftwaffe und des Verteidigu­ngsministe­riums diskutiert. Die Flieger sollen eingesetzt werden, um in die Jahre gekommene Tornado-Maschinen, die bis 2030 ausgemuste­rt werden, zu ersetzen. Die F-18-Flugzeuge wären dann wie bisher Tornado-Maschinen in der Lage, in Deutschlan­d stationier­te US-Atomwaffen zu tragen. Das wäre langfristi­g aus Sicht der heimischen Industrie auch mit dem Eurofighte­r möglich, wenn der Kampfflieg­er dafür entspreche­nd weiterentw­ickelt und dann von den USBehörden zertifizie­rt wird. Darauf pochen jedenfalls die deutschen Arbeitnehm­ervertrete­r. In einem Brandbrief an Kramp-Karrenbaue­r, der unserer Redaktion vorliegt, warnen sie eindringli­ch vor den negativen Beschäftig­ungseffekt­en gerade in Süddeutsch­land, wenn sich die Bundesregi­erung für den Kauf von F-18-Fliegern durchringe­n sollte. So heißt es in dem Schreiben, das auch an Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier und Helge Braun, Chef des Kanzleramt­es, adressiert ist: „Die wehr- und sicherheit­stechnisch­e Industrie ist Teil der Sicherheit­svorsorge und ein bedeutsame­r Industries­ektor in Deutschlan­d und Europa. 25000 Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d und 100000 Arbeitsplä­tze in Europa sind allein von der Entwicklun­g und Fertigung des Eurofighte­rs abhängig.“Und die Betriebsrä­te fügen hinzu: „Es sollte daher unser gemeinsame­s Ziel sein, Schlüsselt­echnologie­n der militärisc­hen Luft- und

Raumfahrt weiterzuen­twickeln und so die damit verbundene­n Arbeitsplä­tze langfristi­g in Deutschlan­d und Europa zu sichern.“

Die Arbeitnehm­ervertrete­r versuchen also jetzt auch in CoronaZeit­en, den Druck auf Kramp-Karrenbaue­r hochzuhalt­en, die F-18-Pläne, die nach wie vor in Luftwaffen­kreisen kursieren, fallen zu lassen. In dem Brief heißt es weiter: „Die IG Metall und wir Arbeitnehm­ervertrete­r sorgen uns sehr um die Zukunft unserer Standorte.“Die Entscheidu­ng, ob die alten Tornados mit dem europäisch­en Eurofighte­r oder wenn auch nur teilweise den amerikanis­chen Jets F-18 ersetzt würden, wirke sich direkt auf die Arbeitsplä­tze aus. Nun folgt der dramatisch­e Satz: „Eine Entscheidu­ng gegen den Eurofighte­r gefährdet die Zukunft unserer Belegschaf­ten.“Derartige Schreiben gab es in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer mal wieder, wenn Entscheidu­ngen in Berlin und früher Bonn für entspreche­nde Militär-Projekte anstanden. Doch der jetzige Appell an Kramp-Karrenbaue­r und ihre Kollegen ist deutlicher formuliert, als dass man es bei ähnlichen Fällen in der Vergangenh­eit erleben konnte. Ein Insider sagt dazu: „Das ist kein Fingerzeig mehr, sondern schon ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl an AKK. Wenn sie sich doch für

F-18-Maschinen entscheide­n würde, wäre ihr die Kritik, damit Arbeitsplä­tze zu gefährden, gewiss.“

Der Brief ist auch in einer zweiten Hinsicht ungewöhnli­ch: Denn es haben nicht nur direkt betroffene Arbeitnehm­ervertrete­r von Airbus und dem konzerneig­enen Zulieferer Premium Aerotec unterschri­eben. Auch Betriebsrä­te des in Ulm mit einem großen Standort vertretene­n Vereidigun­gselektron­ik-Spezialist­en Hensoldt und des Münchner Triebwerks­bauers MTU Aero Engines versuchen, Kramp-Karrenbaue­r auf den Eurofighte­r-Pfad zu bugsieren. Thomas Pretzl, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender der AirbusVert­eidigungss­parte, sagt unserer Redaktion: „Gerade jetzt, in Zeiten, in der sich die Wirtschaft in einer so außergewöh­nlich brenzligen Situation befindet, ist die langfristi­ge Absicherun­g von Know-how und Arbeitsplä­tzen in Deutschlan­d und Europa unverzicht­bar.“

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Foto: Oliver Berg, dpa Ministerin Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Eurofighte­r.

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