Eurofighter: Dramatischer Brandbrief an AKK
Betriebsräte aus süddeutschen Verteidigungsstandorten appellieren an Ministerin Kramp-Karrenbauer, keine US- Kampfflugzeuge zu kaufen
Manching/Augsburg Der FußballWM-Effekt wird gefürchtet. Denn während solcher Weltmeisterschaften können Regierungen Entscheidungen treffen, ohne dass dies groß bemerkt wird. Schließlich dreht sich alles um den Ball und das Schicksal der Nationalmannschaft. Politiker wissen um die Chance, unangenehme Dinge weitgehend unbeachtet durchzupeitschen.
Genau den Fußball-WM-Effekt befürchten nun in Corona-Zeiten auch Betriebsräte und Mitarbeiter der süddeutschen Verteidigungsindustrie, dominieren doch Nachrichten über das Virus derzeit fast alles. Sie haben Angst, dass sich Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer trotz des massiven Widerstands der vergangenen Wochen doch für den Kauf von amerikanischen Kampfflugzeugen des Typs F-18 von Boeing und gegen den Eurofighter entscheiden könnte. Am letzteren Flieger ist Airbus maßgeblich beteiligt. Zunächst hieß es, Deutschland wäre an bis zu 45 F-18-Maschinen interessiert. Am Montag verlautete aus einer gut unterrichteten Quelle, derzeit würde immerhin noch über den Erwerb von 30 bis 35 US-Bombern in hochrangigen Kreisen der Luftwaffe und des Verteidigungsministeriums diskutiert. Die Flieger sollen eingesetzt werden, um in die Jahre gekommene Tornado-Maschinen, die bis 2030 ausgemustert werden, zu ersetzen. Die F-18-Flugzeuge wären dann wie bisher Tornado-Maschinen in der Lage, in Deutschland stationierte US-Atomwaffen zu tragen. Das wäre langfristig aus Sicht der heimischen Industrie auch mit dem Eurofighter möglich, wenn der Kampfflieger dafür entsprechend weiterentwickelt und dann von den USBehörden zertifiziert wird. Darauf pochen jedenfalls die deutschen Arbeitnehmervertreter. In einem Brandbrief an Kramp-Karrenbauer, der unserer Redaktion vorliegt, warnen sie eindringlich vor den negativen Beschäftigungseffekten gerade in Süddeutschland, wenn sich die Bundesregierung für den Kauf von F-18-Fliegern durchringen sollte. So heißt es in dem Schreiben, das auch an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Helge Braun, Chef des Kanzleramtes, adressiert ist: „Die wehr- und sicherheitstechnische Industrie ist Teil der Sicherheitsvorsorge und ein bedeutsamer Industriesektor in Deutschland und Europa. 25000 Arbeitsplätze in Deutschland und 100000 Arbeitsplätze in Europa sind allein von der Entwicklung und Fertigung des Eurofighters abhängig.“Und die Betriebsräte fügen hinzu: „Es sollte daher unser gemeinsames Ziel sein, Schlüsseltechnologien der militärischen Luft- und
Raumfahrt weiterzuentwickeln und so die damit verbundenen Arbeitsplätze langfristig in Deutschland und Europa zu sichern.“
Die Arbeitnehmervertreter versuchen also jetzt auch in CoronaZeiten, den Druck auf Kramp-Karrenbauer hochzuhalten, die F-18-Pläne, die nach wie vor in Luftwaffenkreisen kursieren, fallen zu lassen. In dem Brief heißt es weiter: „Die IG Metall und wir Arbeitnehmervertreter sorgen uns sehr um die Zukunft unserer Standorte.“Die Entscheidung, ob die alten Tornados mit dem europäischen Eurofighter oder wenn auch nur teilweise den amerikanischen Jets F-18 ersetzt würden, wirke sich direkt auf die Arbeitsplätze aus. Nun folgt der dramatische Satz: „Eine Entscheidung gegen den Eurofighter gefährdet die Zukunft unserer Belegschaften.“Derartige Schreiben gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer mal wieder, wenn Entscheidungen in Berlin und früher Bonn für entsprechende Militär-Projekte anstanden. Doch der jetzige Appell an Kramp-Karrenbauer und ihre Kollegen ist deutlicher formuliert, als dass man es bei ähnlichen Fällen in der Vergangenheit erleben konnte. Ein Insider sagt dazu: „Das ist kein Fingerzeig mehr, sondern schon ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl an AKK. Wenn sie sich doch für
F-18-Maschinen entscheiden würde, wäre ihr die Kritik, damit Arbeitsplätze zu gefährden, gewiss.“
Der Brief ist auch in einer zweiten Hinsicht ungewöhnlich: Denn es haben nicht nur direkt betroffene Arbeitnehmervertreter von Airbus und dem konzerneigenen Zulieferer Premium Aerotec unterschrieben. Auch Betriebsräte des in Ulm mit einem großen Standort vertretenen Vereidigungselektronik-Spezialisten Hensoldt und des Münchner Triebwerksbauers MTU Aero Engines versuchen, Kramp-Karrenbauer auf den Eurofighter-Pfad zu bugsieren. Thomas Pretzl, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der AirbusVerteidigungssparte, sagt unserer Redaktion: „Gerade jetzt, in Zeiten, in der sich die Wirtschaft in einer so außergewöhnlich brenzligen Situation befindet, ist die langfristige Absicherung von Know-how und Arbeitsplätzen in Deutschland und Europa unverzichtbar.“