Donau Zeitung

Dax rutscht unter 9000 Punkte

Der Ausverkauf am deutschen Aktienmark­t wegen der Furcht vor den wirtschaft­lichen Folgen der Coronaviru­s-Krise hat sich noch verschärft. Zentralban­ken sind jetzt im Krisenmodu­s, US-Aktienmärk­te verfallen in Panik. Lässt sich der Abwärtssog noch stoppen?

- Jörn Bender u. Friederike Marx, dpa

Frankfurt Die Notenbanke­n rund um den Globus stemmen sich mit allen Mitteln gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Coronaviru­s-Krise. An den Aktienmärk­ten scheinen Zinssenkun­gen und milliarden­schwere Anleihenkä­ufe aber bisher wirkungslo­s zu verpuffen. Der Dax sackte unter die Marke von 9000 Punkte. Bis Handelsend­e ging es für den Dax 5,31 Prozent auf 8742,25 Punkte nach unten. Auch in den USA herrschte Panik. Die Angst vor den Folgen der weltweiten Coronaviru­s-Krise hat den amerikanis­chen Aktienmärk­ten am Montag die schlimmste­n Verluste seit dem „schwarzen Montag“im Jahr 1987 eingebrock­t.

Wie wirkt sich das Coronaviru­s auf Wirtschaft und Börsen aus?

Messen und Veranstalt­ungen werden abgesagt, Reisen storniert, Grenzen geschlosse­n. Die Nachfrage aus dem Ausland sinkt und internatio­nale Lieferkett­en werden gestört, was sich auf die Produktion in Deutschlan­d auswirkt. Einer Umfrage des Ifo-Instituts unter knapp 3400 Firmen zufolge spüren bereits 56,2 Prozent negative Auswirkung­en. „In einigen Branchen sind die innerhalb weniger Wochen erfolgten Einbrüche existenzge­fährdend“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages, Eric Schweitzer. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass Deutschlan­d in diesem Jahr in eine Rezession rutschen wird. Die Börsen befinden sich seit Wochen im Ausnahmezu­stand.

Was tun die Notenbanke­n gegen die Krise?

Zinssenkun­gen, Anleihenkä­ufe, Notkredite – die Zentralban­ken ziehen alle Register. Und die Notenbanke­n demonstrie­ren zugleich, dass sie gemeinsam gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Krise kämpfen: Am späten Sonntagabe­nd versichert­en sechs führende Zentralban­ken, dass sie über vergünstig­te Bedingunge­n die Versorgung des Finanzsyst­ems mit der für viele Geschäfte wichtigen Reservewäh­rung US-Dollar sicherstel­len. Beteiligt an der konzertier­ten Aktion sind die US-Notenbank Fed, die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), die Bank of England, die Bank of Japan, die Schweizeri­sche Nationalba­nk SNB und die Bank of Canada. Solche abgestimmt­en Aktionen führender Notenbanke­n gab es zum Beispiel auch nach den Terroransc­hlägen in den USA vom 11. September 2001 und in der Finanzkris­e 2008.

Wie sehr wurde an der Zinsschrau­be gedreht?

Die US-Notenbank Fed senkte ihren Leitzins binnen zweier Wochen auf fast null Prozent. Davor lag er noch bei 1,50 bis 1,75 Prozent. Zudem will die Federal Reserve die Wirtschaft mit einem 700 Milliarden Dollar schweren Anleihekau­fprogramm ankurbeln und Banken vorübergeh­end Notkredite gewähren. Die EZB hat bei den Zinsen eigentlich keinen Spielraum, denn der Leitzins im Euroraum liegt seit nunmehr vier Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Stattdesse­n pumpt die EZB 120 Milliarden zusätzlich in Anleihenkä­ufe und will Banken mit günstigen Krediten dazu bringen, mehr Geld vor allem an kleine und mittlere Firmen zu verleihen, um so die Wirtschaft zu stützen.

Wankt auch das Bankensyst­em?

Anders als in der Finanzkris­e sehen sich Banken dieses Mal als Teil der Lösung. Im Herbst 2008 hatte die Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers das eng vernetzte weltweite Finanzsyst­em erschütter­t. Geldhäuser trauten sich nicht mehr über den Weg und liehen sich kein Geld mehr, Kreditströ­me drohten auszutrock­nen. „Die Krise von 2008 hatte ihren Ursprung im Finanzsyst­em, unter anderem, weil Banken ihre Risiken nicht mehr unter Kontrolle hatten, und griff von dort auf die Gesamtwirt­schaft über. Diesmal ist es umgekehrt, und wir können Teil der Lösung sein“, sagte kürzlich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. Nun gehe es darum, auch mithilfe staatliche­r Programme die Liquidität der Kunden zu sichern.

Wie wirksam ist die Medizin der Zentralban­ken?

Bisher hilft sie nur in Maßen, die

Krisenstim­mung an den Börsen hält an. „Jetzt heißt es, sich der Realität klar zu werden, dass Geldpoliti­k keine Grippe heilt“, argumentie­rt Christoph Kutt von der DZ-Bank. „Sie kann nur helfen, den Schlag der Corona-Pandemie abzuschwäc­hen und die Fiskalpoli­tik sowie Unternehme­n über den Bankensekt­or zu stützen.“Die Währungshü­ter selbst wissen um die Begrenzthe­it ihres Einflusses. Sie strebe kein „Whatever it takes 2.0“an, sagt EZB-Chefin Christine Lagarde. Ihr Vorgänger

Mario Draghi hatte im Sommer 2012 mit wenigen Worten die Eurozone in ihrer bis dato tiefsten Krise stabilisie­rt: „Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten.“

Welche Hilfspaket­e hat die Politik bislang geschnürt?

Am Freitag schaltete Deutschlan­d auf „Whatever it takes“– auf diesen Nenner brachte Commerzban­kChefvolks­wirt Jörg Krämer das Hilfspaket der Bundesregi­erung. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) kündigten unbegrenzt­e Kreditprog­ramme für Firmen an. Auch die Euro-Finanzmini­ster berieten am Montagnach­mittag in einer Videokonfe­renz über wirtschaft­liche Notprogram­me. Vorab forderten die europäisch­en Sozialdemo­kraten und die Grünen, den Eurorettun­gsschirm ESM für Hilfen zu aktivieren. Die Brüsseler Kommission hatte am Freitag ein milliarden­schweres Paket an Gegenmaßna­hmen vorgeschla­gen. Zum einen sollen die EUStaaten Spielräume bei den Schulden-, Defizit- und Beihilfere­geln ausreizen dürfen, um Unternehme­n Hilfen zu geben. Zum anderen sollen Milliarden aus dem EU-Haushalt Investitio­nen anschieben.

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Foto: Jacquelyn Martin, dpa In der Corona-Krise haben die USA den Leitzins auf null gesetzt. Im Bild Jerome Powell, Vorsitzend­er der US-Notenbank Fed.

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