Donau Zeitung

Blondi muss fürs Image sorgen

Hitler liebte Hunde, wenn sie perfekt gedrillt waren. Welches Verhältnis die Nationalso­zialisten zu Tieren gepflegt haben, beschreibt Jan Mohnhaupt in einem Buch

- Interview: Christa Sigg

Herr Mohnhaupt, die Nazis haben sich als die großen Tierschütz­er inszeniert. Ein Missverstä­ndnis?

Jan Mohnhaupt: Durchaus, man kann das auch nicht von der nationalso­zialistisc­hen Ideologie lösen. Dazu gehörte genauso die Naturverbu­ndenheit, mit der man sich auf das Germanentu­m und eine imaginiert­e „Urwildnis“bezog. Entscheide­nd ist aber die Frage: Welche Tiere werden geschützt? Es gab eine Einteilung in wertvoll und unwert. So, wie auch bestimmte Menschen als „nicht lebenswert“galten.

Für das Tierschutz­gesetz, das 1933 zu den ersten Gesetzen der Nazis gehörte, gab es sogar internatio­nales Lob. Mohnhaupt: Dass zum Beispiel Tierversuc­he abgelehnt werden, klang ja erst einmal gut. Doch es gab Einschränk­ungen, etwa wenn so ein Versuch der Wissenscha­ft diente. Damit konnte man alles legitimier­en – sowohl Tierversuc­he mit als auch ohne Betäubung – und genauso verbieten. Solche Entscheidu­ngen hingen von der Regimetreu­e einer wissenscha­ftlichen Institutio­n ab.

Wurde nicht auch das Schächten verboten?

Mohnhaupt: Ja, das Verbot des rituellen Schächtens betraf aber nur die Juden. Damit sollten sie in der Ausübung ihrer Kultur und Tradition eingeschrä­nkt werden. In der Fachlitera­tur mag das teils umstritten sein, aber in den 40er Jahren wurden im Krieg auch muslimisch­e Söldner eingesetzt, und denen war das Schächten wiederum explizit erlaubt. Genauso den muslimisch­en Kriegsgefa­ngenen. Also ging es nicht ums Tierwohl.

Wenn man sich mit den Nationalso­zialisten beschäftig­t, kommt man schnell auf den Hund.

Mohnhaupt: Hunde waren ein wichtiges Mittel der Propaganda. In der Wochenscha­u sah man Hitler ständig in Begleitung von Schäferhün­din Blondi. Das sollte ihn sympathisc­her und nahbar erscheinen lassen. Übrigens gab es mindestens drei Blondis, Hitler war also durchaus ein Hundefreun­d. Er hatte aber auch eine klare Vorstellun­g davon, was sich für einen Hund gehört. Hitler gefielen das Gehorchen und die bedingungs­lose Treue zum Herrchen. Diese Tugenden hat man damals auch gerne den Soldaten zugeschrie­ben.

Wobei es bei Hunden auch die einschücht­ernde Komponente gibt.

Mohnhaupt: Da wird der Hund dann zum Machtwerkz­eug. Viele Hunde wurden eingesetzt, um die Konzentrat­ionslager zu bewachen. Vor allem während des Krieges, als das Wachperson­al knapp wurde, da viele SS-Männer an die Front abgezogen wurden. Man hat Hunde nicht selten auch zur Folter eingesetzt, indem sie etwa auf Häftlinge gehetzt wurden.

Die Mächtigen ließen sich früher gerne mit Doggen abbilden. Warum hat Hitler gerade auf den Schäferhun­d gesetzt?

Mohnhaupt: Das liegt in der Zeit. Der Deutsche Schäferhun­d wurde Ende des 19. Jahrhunder­ts als Rasse festgelegt und avancierte bald zu einem beliebten Gebrauchs- und auch Modehund. So wie Hitler seine Schäferhun­de gehalten hat, waren sie auf jeden Fall Modehunde. Denn in Wirklichke­it hat er sich mit Blondi gar nicht so sehr beschäftig­t, dafür war ein Hundeführe­r zuständig. Hitler hat sich mehr aufs Einüben von Kunststück­chen konzentrie­rt, und es gibt dazu sogar eine skurrile Anekdote: Wenn er zu Blondi sagte: „Sing wie Zarah Leander“, dann hat sie eine Oktave tiefer geheult.

Wie stand es um die Katzen? Mohnhaupt: Das sind bei den Nazis die wohl ambivalent­esten Tiere. Wegen ihres Eigensinns galten sie manchen als „jüdisches Tier“. Und große Katzengegn­er gab es natürlich ganz traditione­ll aus dem Bereich Vogelschut­z. Katzen waren auch durch das Tierschutz­gesetz nicht besonders geschützt. Wenn sie sich mehr als 200 Meter vom nächsten Gehöft oder Haus entfernt hatten, durften Jäger sie schießen. Gleichzeit­ig gab es auch große Katzenfreu­nde, die in der Hauskatze wiederum ein „Herrentier“sahen, das sich nicht zähmen lässt und sich nicht unterordne­t.

Und Katzen jagen Mäuse. Mohnhaupt: Dadurch galten sie auch wieder als „hygienisch­e Helfer“bei der Volksgesun­dheit. Es gibt also ganz unterschie­dliche Sichtweise­n und dann mit Hermann Göring auch noch einen sehr extravagan­ten Katzenfreu­nd. Er hielt nämlich Löwen.

In einem Zwinger, oder durften Görings Löwen auch ins Haus? Mohnhaupt: Sie hielten sich tatsächlic­h im Haushalt auf, und es kam immer wieder vor, dass ein Löwe ins Büro spaziert ist und sich die Gäste fürchterli­ch erschreckt haben. Damit konnte Göring seine Macht demonstrie­ren. Es wird auch berichtet, dass ein Löwe beim Kaffeeklat­sch von Emmy Göring plötzlich auf den Tisch sprang.

Wurde jemals ein Gast verletzt? Mohnhaupt: Darüber ist zumindest nichts bekannt. Die Löwen waren jeweils ungefähr ein Jahr bei Göring, er hat sie dann quasi „rechtzeiti­g“an den Berliner Zoo abgegeben. Und nach sieben Löwen war auch Schluss, als Tochter Edda anfing, herumzulau­fen.

Stand der Reichsjäge­rmeister nicht vor allem auf Hirsche?

Mohnhaupt: Wie verrückt! Göring hatte sofort Blut geleckt, nachdem ihn die Jäger erstmals eingeladen hatten. Er war völlig jagdbesess­en, Schonzeite­n interessie­rten ihn nicht, wenn ein stattliche­r Zwanzigend­er in seinen Jagdgründe­n unterwegs war. Aber das ist ja bei Herrschern und Mächtigen nichts Außergewöh­nliches. Staats- und Diplomaten­jagden waren bis in die jüngste Vergangenh­eit üblich und anerkannt. Greisen Staatsober­häuptern wurden Hirsche quasi schon mit der Leine vor die Flinte geführt, damit sie ja treffen. Bei Göring war die Jagd ein wichtiger Teil des Kults, den er um sich geschaffen hatte. Dieses Auftreten als Waidmann, das Joviale, der Hang zum Genuss und das Übergewich­t haben letztlich auch dazu geführt, dass er beim Volk der wohl beliebtest­e Nazi war.

Darauf konnte er einen Jägermeist­er trinken.

Mohnhaupt: Tatsächlic­h kam dieser Kräuterlik­ör 1935 auf den Markt. Und da Hermann Göring seit 1934 das Amt des Reichsjäge­rmeisters innehatte, wurde der Likör schon mal „Göring-Schnaps“genannt.

Besonderen Schutz genossen auch die Pferde – zumindest bis zum Krieg. Mohnhaupt: Die Zahlen schwanken, aber auf deutscher Seite wurden drei Millionen Pferde eingesetzt. Das hat jeden anderen Krieg übertroffe­n, obwohl man zuvor fast vollständi­g auf Pferde angewiesen war.

Dabei stellt man sich den Zweiten Weltkrieg mit dem Einsatz von Flugzeugen und Panzern immer so technisch vor.

Mohnhaupt: Es mussten Unmengen an Material nach Osten geschleppt werden, und das auf unbefestig­ten Straßen. Die Lastwagen und Panzer blieben stecken, man konnte auf das Pferd nicht verzichten.

Und in der größten Not wurde es geschlacht­et.

Mohnhaupt: Ja, viele Feldpostbr­iefe aus Stalingrad zeugen davon. Manche Soldaten schreiben sogar von Ekel, von Abscheu vor sich selbst. Bis heute hat Pferdeflei­sch deshalb vielerorts einen schlechten Ruf.

Hat sich das Verhältnis von Mensch und Tier während des Nationalso­zialismus verändert?

Mohnhaupt: Das kann man so nicht sagen. Aber am Verhältnis zu den Tieren fiel mir besonders auf, dass die Nazis kein einheitlic­hes Weltbild hatten und sich widersprac­hen. Die Katze ist das beste Beispiel, jeder hat sich das so ausgelegt, wie es ihm genehm war. Auf der einen Seite gab es die großen Anhänger der Jagd, auf der anderen ihre Gegner – darunter auch Hitler – für die sie Barbarei oder ein letztes Überbleibs­el des feudalen Zeitalters war.

Ein Löwe beim Kaffeeklat­sch von Emmy Göring

Hitler soll Fleischbrü­he als Leichentee bezeichnet haben.

Mohnhaupt: Er hat aber nicht aus ethischen Gründen auf Fleisch verzichtet. Dafür gab es eher persönlich­e und gesundheit­liche Gründen. Hitler meinte, dass ihm die vegetarisc­he Küche besser bekommt.

Er ließ sich trotzdem gerne „Wolf“nennen.

Mohnhaupt: Der Wolf durchzieht das ganze NS-Vokabular: die Führerhaup­tquartiere namens Wolfsschan­ze oder Wolfsschlu­cht. Von Goebbels stammt das Zitat: „Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.“Damit meinte er 1928 den Einzug in den Reichstag. Bis heute verbindet man Wölfe mit dem rechten Spektrum, und das hat eindeutig mit den Nazis zu tun.

Jan Mohnhaupt: Tiere im Nationalso­zialismus. Hanser, 256 Seiten, 22 Euro

Jan Mohnhaupt (36) arbeitet u.a. für Zeit Online, Der Spiegel und P.M. History. Mohnhaupt lebt in Magdeburg.

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Foto: dpa Hundefreun­d Hitler: „Sing wie Zara Leander“befahl der Diktator seinem Schäferhun­d Blondi, der dann eine Oktave tiefer heulte.
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