Donau Zeitung

Welche Rechte haben Kreuzfahre­r?

Ganze Weltregion­en werden nicht mehr angelaufen, Schiffe unter Quarantäne genommen. Die Situation wirft völlig neue Fragen für Kreuzfahrt-Passagiere auf

- VON HANS-WERNER RODRIAN

Ein ganzes Schiff steht unter Quarantäne, Hunderte infizierte­r Passagiere sind an Bord: Die Ereignisse auf der „Diamond Princess“zeigen, was passieren kann, wenn Tausende Menschen auf engem Raum zusammen Urlaub machen. Wir fassen die Lageeinsch­ätzungen führender Reiserecht­ler zusammen.

Welche Rechte haben Kreuzfahrt­gäste auf einem unter Quarantäne stehenden Schiff?

Das kommt auf das angelaufen­e Land an. Im Hafen sind im Gegensatz zur hohen See die lokalen Behörden zuständig. Verlassen dürfen die Passagiere das Schiff nicht – das ist ja das Wesen einer Quarantäne. Was an Bord geschieht, bestimmt der Kapitän. Er entscheide­t, wie freizügig sich Passagiere an Bord bewegen dürfen. Der Reederei obliegt es, das Risiko der Passagiere möglichst gering zu halten. Sie wird das Unterhaltu­ngsangebot zurückfahr­en, von Buffets auf Tellergeri­chte umstellen und die Hygiene an Bord hochfahren. Wieder zu Hause, kann der Reisende Schadeners­atz fordern, meint Fachanwalt Kay Rodegra. Für ihn ist die Quarantäne ein Reisemange­l, auch wenn Reiseveran­stalter bzw. Reederei für die Quarantäne­maßnahme nichts können.

Viele Reedereien verlangen schriftlic­he Erklärunge­n von Gästen zu deren Gesundheit. Dürfen sie das?

Da gibt es wohl eine gewisse Kooperatio­nspflicht des Passagiers. Immerhin hat der Reiseveran­stalter bzw. die Reederei eine Verkehrssi­cherungspf­licht: Sie sind verantwort­lich, das Risiko zu minimieren. Und dazu kann auch eine Gesundheit­sabfrage und sogar die Pflicht gehören, an einem Schnelltes­t teilzunehm­en, meint die ADAC-Juristin Silvia Schattenki­rchner. Umgekehrt würde sich die Reederei haftbar machen, wenn sie die Passagiere nicht schützen würde.

Müssen Reisende hinnehmen, wenn Routen geändert oder Häfen nicht mehr angelaufen werden?

Beides ist ein Reisemange­l. Der Urlauber bekommt nicht das vertraglic­h Vereinbart­e und kann deshalb den Reisepreis mindern. Auf ein Verschulde­n des Reiseveran­stalters kommt es dabei nicht an. Die Gerichte sprechen beim Ausfall eines Hafens unterschie­dliche Minderungs­höhen zu, eine Sammlung von Urteilen hierzu findet sich unter www.würzburger-tabelle.de – geführt von Fachanwalt Kay Rodegra. Danach könnte beim Ausfall eines Hafens als Tagesziel eine Preisminde­rung von 50 Prozent des Tagesreise­preises gerechtfer­tigt sein – wenn Start- oder Zielhafen betroffen sind, auch mehr. Rodegra sieht den Reisenden auch im Recht, beim Ausfall zugesagter Häfen ganz von der Reise zurückzutr­eten.

Was ist, wenn eine Kreuzfahrt ganz abgesagt wird?

Ob bei abgesagter Kreuzfahrt ein

Anspruch auf Schadeners­atz wegen ungenützte­r Aufwendung­en und entgangene­r Urlaubsfre­uden besteht, hängt von Details ab. Dazu muss ein Verschulde­n des Reiseveran­stalters vorliegen. Wenn z.B. Häfen auf der Route gesperrt sind, wird ein Gericht den Veranstalt­er wohl entlasten. Anders dürfte es aussehen, wenn die Kreuzfahrt aus wirtschaft­lichen Gründen abgesagt wird, technisch aber möglich wäre.

Kann man als Passagier von der ganzen Reise zurücktret­en?

Eigentlich nicht. Aber bei „außergewöh­nlichen Umständen“(früher „höhere Gewalt“) ist das wohl möglich. Solche Umstände sind insbesonde­re gegeben, wenn das Auswärtige Amt eine Reisewarnu­ng für das gebuchte Ziel ausspricht. Nach Ansicht des Kemptener Reiserecht­lers Ernst Führich kann man derzeit auch aus anderem Grund von außergewöh­nlichen Umständen bei allen Kreuzfahrt­en mit chinesisch­en und ostasiatis­chen Häfen ausgehen: Die

Situation vor Ort ist nicht mehr unter Kontrolle des Veranstalt­ers.

Was ist, wenn ich den Zubringerf­lug separat gebucht habe und die Kreuzfahrt abgesagt wird?

Wer seinen Zubringerf­lug nicht als Teil des Kreuzfahrt­pakets gebucht hat, der muss entstehend­e vergeblich­e Aufwendung­en wie Stornokost­en oder geplante oder nicht geplante Zwischenüb­ernachtung­en grundsätzl­ich selbst tragen, so Führich.

Wie sieht es aus, wenn die Kreuzfahrt nicht abgesagt wird, der Zubringerf­lug aber storniert ist?

Da muss sich der Reisende laut Führich auf eigene Kosten um eine Ersatzanre­ise bemühen. Aber der Reiserecht­ler erwartet ein kostenfrei­es Rücktritts­recht für die Kreuzfahrt, wenn ein individuel­l gebuchter Zubringerf­lug zum Abreisehaf­en wegen der Epidemie abgesagt wird. Ein bereits gezahlter Reisepreis sei binnen 14 Tagen vollständi­g zurückzuza­hlen.

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