Was die Corona-Versprechen der Politik wert sind
Wirtschafts- und Finanzminister verbreiten Zuversicht, doch sie schießen über das Ziel hinaus. Der verordnete Minimalbetrieb wird viele Jobs kosten
Wirtschaft ist zur Hälfte Psychologie. Die Hamsterkäufe von Nudeln, Konserven und Toilettenpapier beweisen, wie richtig dieser Satz ist. Deshalb ist es richtig, dass die Regierung Optimismus verbreitet. Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier geben sich überzeugt, dass ein schwerer Einbruch der Konjunktur durch engagierte staatliche Hilfe verhindert werden kann. Keine gesunde Firma soll der Seuche zum Opfer fallen, keine Jobs verloren gehen. So lautet ihr Mantra.
Das Spiel mit der Psychologie der Massen ist kein leichtes. Zwischen der Verbreitung von Zuversicht und unglaubwürdigen Durchhalteparolen liegt nur ein schmaler Grat. Letztere werden von den Menschen schnell als das erkannt, was sie sind, nämlich Propaganda. Die
Minister täten gut daran, bei der Wahrheit zu bleiben. Der von oben verordnete Stillstand des alltäglichen Lebens ist eine ernste Gefahr für die wirtschaftliche Existenz ganzer Branchen und deren Beschäftigten. Der Gastronomie, dem Tourismus, Kunst und Kultur sowie Teilen des Einzelhandels brechen über Nacht die Einnahmen weg. Das trifft nicht nur die Angestellten der Unternehmen, sondern auch zahllose Selbstständige. Nur ein Teil dieser verlorenen Umsätze wird sich nachträglich zurückholen lassen.
Der private Konsum steht für rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, und von diesem Block wird gerade ein gehöriges Stück abgebrochen. Die Corona-Pause führt dazu, dass Wirte und Hoteliers aufgeben müssen, Fachgeschäfte und freie Bühnen schließen. All das wird Stellen kosten.
Nach und nach treffen die Auswirkungen der Pandemie auch andere Bereiche der Wirtschaft mit voller Wucht. Der VW-Konzern als eines der größten Unternehmen Deutschlands schließt fast alle
Werke, damit sich die Arbeiter nicht untereinander anstecken. Die Fluggesellschaften müssen irgendwie verdauen, dass sie bis zu 90 Prozent weniger Passagiere haben. Größere Unternehmen haben den Vorteil, dass es ihnen leichter fällt, Staatshilfe zu beantragen als kleine Betriebe wie Musikschulen und Hotels. Das ist auch der Unterschied zur Weltfinanzkrise vor über zehn
Jahren. Seinerzeit konnte sich der Staat darauf konzentrieren, Banken und Industriebetriebe über Wasser zu halten.
Die nun von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Nothilfen setzen an den richtigen Stellen an, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Denn das ist die derzeit größte Bedrohung: Dass die Umsätze austrocknen, während Kosten wie Löhne, Mieten und Zinsen weiter anfallen. Doch wie soll die Verwaltung tausende Anträge von Firmen bewältigen, die dringend Mittel brauchen, um flüssig zu bleiben? Wie sollen all die Anträge auf Kurzarbeit rasch bearbeitet werden? Die Bürokratie hat eine Herkulesaufgabe vor sich und an den Beamten und Angestellten wird es maßgeblich liegen, ob Deutschland relativ glimpflich durch die Krise kommen wird.
Dass ein Abschwung vermieden werden kann, ist beinahe ausgeschlossen. Die Frage ist nur, wie tief es bergab gehen wird. Anders als vor zehn Jahren ist der Bedarf der Firmen nach Fachkräften so groß, dass sie mit aller Macht versuchen werden, ihre hoch qualifizierten Leute zu halten. Dieser Effekt wird eine Entlassungswelle bremsen, sie aber nicht ganz aufhalten.
Altmaier und Scholz müssen dafür sorgen, dass die Anträge schnell bearbeitet werden. Für die Entwicklung simpler Verfahren haben sie nicht Monate Zeit, sondern lediglich Tage. In ihrer Kommunikation kommt es auf Ehrlichkeit an. Durchhalteparolen nutzen sich schnell ab.
Einnahmen brechen weg, doch die Kosten bleiben