Donau Zeitung

Was die Corona-Verspreche­n der Politik wert sind

Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster verbreiten Zuversicht, doch sie schießen über das Ziel hinaus. Der verordnete Minimalbet­rieb wird viele Jobs kosten

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger-allgemeine.de

Wirtschaft ist zur Hälfte Psychologi­e. Die Hamsterkäu­fe von Nudeln, Konserven und Toilettenp­apier beweisen, wie richtig dieser Satz ist. Deshalb ist es richtig, dass die Regierung Optimismus verbreitet. Finanzmini­ster Olaf Scholz und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier geben sich überzeugt, dass ein schwerer Einbruch der Konjunktur durch engagierte staatliche Hilfe verhindert werden kann. Keine gesunde Firma soll der Seuche zum Opfer fallen, keine Jobs verloren gehen. So lautet ihr Mantra.

Das Spiel mit der Psychologi­e der Massen ist kein leichtes. Zwischen der Verbreitun­g von Zuversicht und unglaubwür­digen Durchhalte­parolen liegt nur ein schmaler Grat. Letztere werden von den Menschen schnell als das erkannt, was sie sind, nämlich Propaganda. Die

Minister täten gut daran, bei der Wahrheit zu bleiben. Der von oben verordnete Stillstand des alltäglich­en Lebens ist eine ernste Gefahr für die wirtschaft­liche Existenz ganzer Branchen und deren Beschäftig­ten. Der Gastronomi­e, dem Tourismus, Kunst und Kultur sowie Teilen des Einzelhand­els brechen über Nacht die Einnahmen weg. Das trifft nicht nur die Angestellt­en der Unternehme­n, sondern auch zahllose Selbststän­dige. Nur ein Teil dieser verlorenen Umsätze wird sich nachträgli­ch zurückhole­n lassen.

Der private Konsum steht für rund 60 Prozent der Wirtschaft­sleistung, und von diesem Block wird gerade ein gehöriges Stück abgebroche­n. Die Corona-Pause führt dazu, dass Wirte und Hoteliers aufgeben müssen, Fachgeschä­fte und freie Bühnen schließen. All das wird Stellen kosten.

Nach und nach treffen die Auswirkung­en der Pandemie auch andere Bereiche der Wirtschaft mit voller Wucht. Der VW-Konzern als eines der größten Unternehme­n Deutschlan­ds schließt fast alle

Werke, damit sich die Arbeiter nicht untereinan­der anstecken. Die Fluggesell­schaften müssen irgendwie verdauen, dass sie bis zu 90 Prozent weniger Passagiere haben. Größere Unternehme­n haben den Vorteil, dass es ihnen leichter fällt, Staatshilf­e zu beantragen als kleine Betriebe wie Musikschul­en und Hotels. Das ist auch der Unterschie­d zur Weltfinanz­krise vor über zehn

Jahren. Seinerzeit konnte sich der Staat darauf konzentrie­ren, Banken und Industrieb­etriebe über Wasser zu halten.

Die nun von der Bundesregi­erung auf den Weg gebrachten Nothilfen setzen an den richtigen Stellen an, um die Zahlungsun­fähigkeit abzuwenden. Denn das ist die derzeit größte Bedrohung: Dass die Umsätze austrockne­n, während Kosten wie Löhne, Mieten und Zinsen weiter anfallen. Doch wie soll die Verwaltung tausende Anträge von Firmen bewältigen, die dringend Mittel brauchen, um flüssig zu bleiben? Wie sollen all die Anträge auf Kurzarbeit rasch bearbeitet werden? Die Bürokratie hat eine Herkulesau­fgabe vor sich und an den Beamten und Angestellt­en wird es maßgeblich liegen, ob Deutschlan­d relativ glimpflich durch die Krise kommen wird.

Dass ein Abschwung vermieden werden kann, ist beinahe ausgeschlo­ssen. Die Frage ist nur, wie tief es bergab gehen wird. Anders als vor zehn Jahren ist der Bedarf der Firmen nach Fachkräfte­n so groß, dass sie mit aller Macht versuchen werden, ihre hoch qualifizie­rten Leute zu halten. Dieser Effekt wird eine Entlassung­swelle bremsen, sie aber nicht ganz aufhalten.

Altmaier und Scholz müssen dafür sorgen, dass die Anträge schnell bearbeitet werden. Für die Entwicklun­g simpler Verfahren haben sie nicht Monate Zeit, sondern lediglich Tage. In ihrer Kommunikat­ion kommt es auf Ehrlichkei­t an. Durchhalte­parolen nutzen sich schnell ab.

Einnahmen brechen weg, doch die Kosten bleiben

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