Soforthilfe für Sam
Das Schlafzimmer wird zur Redaktion, der Kühlschrank zur Kantine, und ein Feuerwehrmann ist systemrelevant. Mein erster Tag im Homeoffice
Als ich meinem Sohn im Sommer erzählt habe, dass ich nach Berlin fahre, um ein Interview mit Horst Seehofer zu dessen 70. Geburtstag zu führen, bekam ich eine ebenso einleuchtende wie überraschende Antwort. Mit der Miene eines Menschen, dem gerade siedend heiß einfällt, dass er etwas ganz Wichtiges vergessen hat, sagte der Dreijährige: „Aber Papa, dann müssen wir doch noch einen Kuchen backen, wenn der Horst Geburtstag hat.“So, und jetzt erklären Sie mal diesem kleinen Kerl, dass Politik ein ernstes Geschäft ist und der Papa sich jetzt wirklich, wirklich auf diesen Text konzentrieren muss.
Homeoffice – das hat der kleine Mitbewohner schon begriffen – bedeutet, „dass ich dem Papa jetzt immer Hallo sagen kann, wann ich will“. Mein erster Tag in Heimarbeit
beginnt allerdings mit einer ganz anderen, grundsätzlichen Frage: Vor der Konferenz duschen oder nicht? Ich entscheide mich für ja. Mein Ziel ist es, mich möglichst lange gegen die drohende Verwahrlosung zu stemmen. Die kommenden zwei Wochen werde ich zu großen Teilen im Schlafzimmer verbringen. Nachts zum Schlafen und tagsüber zum Arbeiten – und ich habe fest vor, Letzteres stets voll bekleidet zu tun.
Die Tür zu meinem „Büro“geht auf. Feuerwehrmann Sam hat seinen Helm verloren. Jetzt müssen schnelle Lösungen her. Ich werde mit einem Soforthilfeprogramm eine Eskalation der Krise verhindern. Whatever it takes. Sam ist systemrelevant – jedenfalls für das Kind. Auch die Nahrungsmittelversorgung dahoam steht schon bald auf der Kippe. Jetzt, da ich meine eigene Kantine bin, ist der Speiseplan recht schokoladenund koffeinlastig. Dann kommt die rettende Eilmeldung von meiner Frau – aus dem Kitchen Office quasi. Es ist noch Suppe da. Kurz darauf sitze ich am Laptop, tippe meine Artikel, bekomme Mails und ständig neue CoronaNachrichten. Immer wieder telefoniere ich mit dem Teil der Mannschaft, der in der
Redaktion die Stellung hält. Eigentlich könnte man das Meiste auch schriftlich klären, aber irgendwie tut es gut, sich zu hören. Eine der besten Erkenntnisse dieser Krise: Wie schön es ist, Kolleginnen und Kollegen zu haben, mit denen man gerne Zeit verbringt. Normalerweise. Im Homeoffice ist jeder auf sich allein gestellt. Vom Schreibtisch aus sehe ich den Nachbarn, der seinen Garten umgräbt. Er hat Zeit, denn sein Arbeitgeber musste den Laden vorerst zusperren. Vielleicht gehe ich nachher mal auf einen Espresso zu ihm hinunter. Ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn ist in diesen Tagen Gold wert – erst recht, wenn er Obst und Gemüse anbaut.
leitet das Ressort Politik & Wirtschaft. Er hat zwei kleine Kinder, die sich gerade über den Papa im Homeoffice wundern.
An dieser Stelle berichten ab heute täglich Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion von ihrem Arbeitsalltag in Zeiten von Corona.