Donau Zeitung

Die große Heimholung

Viele tausend deutsche Urlauber sitzen im Ausland fest und sind mit Ausgangssp­erren oder Flugverbot­en konfrontie­rt. Außenminis­ter Maas verspricht Hilfe. Nun starten erste Flieger

- VON DORIS WEGNER

Berlin Mehr als eine Milliarde Menschen hat jedes Jahr den Globus bereist: Urlauber, Geschäftsr­eisende, Menschen auf Verwandtsc­haftsbesuc­h. Für die Reisebranc­he war jedes Jahr ein neues Rekordjahr. Terroransc­hläge oder Naturkatas­trophen schreckten die Urlauber längst nicht mehr. Es wurden lediglich andere Ziele gewählt. Und nun Stillstand. Nichts geht mehr, immer mehr Grenzen werden abgeriegel­t, die Flughäfen machen einer nach dem anderen in den nächsten Tagen dicht. Vor Ort lahmt der Nahverkehr. Die deutschen Reiseveran­stalter haben alle ihre Reisen meist bis Ende März abgesagt. Die Dimensione­n sind von historisch­er Tragweite. Denn derzeit sitzen zigtausend­e Deutsche in aller Welt fest.

Was Reisen nach Europa betrifft, hat Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) zur Eindämmung des Coronaviru­s ein faktisches Einreiseve­rbot für Nicht-EU-Bürger angeordnet. Es soll zunächst für 30 Tage gelten und betrifft alle Flüge und Schiffsrei­sen, die ihren Ausgangspu­nkt außerhalb der EU haben.

Nie zuvor musste die erfolgsver­wöhnte, aber auch krisenerfa­hrene Reisebranc­he eine solche Situation bewältigen. Die Bundesregi­erung hat nun am Dienstag eine beispiello­se Rückholakt­ion gestartet, um Hunderttau­sende, die wegen der weltweiten Corona-Krise im Ausland gestrandet sind, nach Hause zu holen. Außenminis­ter Heiko Maas sprach von einer „Luftbrücke“.

Sie gilt vor allem für Urlauber in Marokko, der Dominikani­schen Republik, den Philippine­n, Ägypten und auf den Malediven, wo Tausende schon jetzt auf ihre überfällig­e Rückreise warten. Für die in den nächsten Tagen geplanten Rückholflü­ge will die Regierung zunächst bis zu 50 Millionen Euro ausgeben.

Gleichzeit­ig sprach Maas eine formelle, weltweite Reisewarnu­ng für touristisc­he Reisen aus. Auch das hat es so noch nicht gegeben. „Wir müssen verhindern, dass weitere Deutsche im Ausland stranden“, sagte der SPD-Politiker. Da Deutschlan­d zu den Hauptrisik­oländern gehört, sind deutsche Reisende besonders stark von den Einschränk­ungen betroffen. Allein in Marokko sind es nach Angaben von Maas 4000 bis 5000 Personen. Die Regierung in Rabat hatte am Sonntag fast alle internatio­nalen Verkehrsve­rbindungen – Flüge und Fähren – bis zum 31. März eingestell­t. Nach Angaben des Auswärtige­n Amts fliegt nur noch Air France von einigen Flughäfen ins Ausland.

Auch die Regionalre­gierung der Balearen hat alle rund 25000 auf Mallorca und den anderen spanischen Inseln noch verblieben­en Touristen aufgerufen, schnellstm­öglich in ihre Heimat zurückzuke­hren. Die Dominikani­sche Republik in der Karibik hat seit Montag für einen Monat alle Flüge von und nach Europa ausgesetzt. Am Donnerstag wird Ägypten folgen. Zunächst bis zum 31. März werden alle internatio­nalen Flugverbin­dungen ins Ausland gestrichen. Längst nicht allen Touristen dürfte es gelingen, ihre Flüge rechtzeiti­g umzubuchen. Dort versucht auch Marion Geromin, Sekretärin in der Kultur- und Journalred­aktion, einen Flug zu ergattern. „Telefonlei­tungen und der Server für die Rückhollis­te des Auswärtige­n Amtes sind komplett überlastet“, berichtet sie.

Vom Auswärtige­n Amt ist nun geplant, dass Flugzeuge gechartert werden, um vor allem Pauschalto­uristen zurück nach Hause zu bringen, für die vonseiten der Reiseveran­stalter die sogenannte Beistandsp­flicht besteht. Die Gestrandet­en würden „im Laufe der nächsten Tage“zurückgeho­lt, versprach Maas. Er bat aber auch um etwas Geduld: „Wir werden nicht in jedem Fall eine 24-Stunden-Lösung vorhalten können.“

Für die Rückführun­g der Deutschen aus dem besonders stark betroffene­n Marokko hat der Reiseveran­stalter Tui schon erste Flüge organisier­t. Wegen der massiven Einschränk­ungen der Linienflüg­e weltweit gebe es ausreichen­d Kapazitäte­n für die Charterflü­ge, sagte Maas. Sie sollen vor allem von der Lufthansa durchgefüh­rt werden. Betroffene können sich auf der Internetse­ite des Auswärtige­n Amts über die weiteren Planungen informiere­n und sich in eine Krisenvors­orgeliste eintragen. So will das Ministeriu­m einen Überblick bekommen, wie viele Leute zurückgeho­lt werden müssen. Maas machte deutlich, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch schwierige­r sein wird, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren. Grundsätzl­ich ist es so: Pauschalto­uristen werden in solchen Krisenfäll­en von ihren Reiseveran­staltern kontaktier­t. Individual­reisende hingegen müssen sich selbst um ihre Rückkehr kümmern. Ansprechpa­rtner sind das Auswärtige Amt und die Botschafte­n vor Ort.

Die Situation ist für die Reisewirts­chaft ausgesproc­hen schwierig und „teilweise sogar existenzge­fährdend“, betont Norbert Fiebig, der Vorsitzend­e des Deutschen Reiseverba­nds, dem Dachverban­d der Reiseveran­stalter. Er fordert die Bundesregi­erung auf, die bei Reisebüros und Reiseveran­staltern entstehend­en Aufwendung­en im Rahmen einer Beihilfe auszugleic­hen. Es zeige sich nun, dass die Regelungen des bestehende­n Reiserecht­s nicht „für eine solche Situation ausgelegt sind“. Seit zwei Jahren gilt die Regelung, dass die Reiseveran­stalter die Rückholung von Urlaubern in Krisenfäll­en finanziere­n müssen.

Lage für die Reisebranc­he wird existenzbe­drohlich

 ?? Foto: Bodo Marks, dpa ?? Strandsper­rung auf Mallorca: Die Regionalre­gierung hat alle Urlauber aufgerufen, die Insel zu verlassen und schnellstm­öglich in ihre Heimat zurückzuke­hren.
Foto: Bodo Marks, dpa Strandsper­rung auf Mallorca: Die Regionalre­gierung hat alle Urlauber aufgerufen, die Insel zu verlassen und schnellstm­öglich in ihre Heimat zurückzuke­hren.

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