VW, Audi und Daimler fahren Produktion herunter
Ab Montag sollen in Ingolstadt keine Autos mehr hergestellt werden. Tausende Mitarbeiter warten darauf zu erfahren, was das für sie finanziell bedeutet. All das überlagert die guten VW-Zahlen, die Konzernchef Diess vorgelegt hat
Wolfsburg/Ingolstadt VolkswagenChef Herbert Diess versucht es zumindest – mit einem optimistischen Bekenntnis in schweren Zeiten: „Das Auto hat eine große Zukunft. Es bleibt das individuelle Freiheitsversprechen für Millionen Menschen.“Doch der 61-Jährige dringt am Dienstag mit derlei Botschaften der Zuversicht schwer durch. Allein das Bild der digital stattfindenden Pressekonferenz spricht für sich: Diess und seine Management-Kollegen stehen bei der Präsentation des Zahlenwerks für 2019 so weit auseinander, dass sie den empfohlenen Corona-Sicherheitsabstand von ein bis zwei Metern gewissenhaft einhalten. Die Folgen der Pandemie überschatten die exzellenten Zahlen mit einem Ergebnis nach Steuern von 14,0 Milliarden Euro, während es 2018 noch 12,15 Milliarden waren. VW hat sich in einem weltweit schwierigen Jahr für die Autoindustrie mit Gewinnwarnungen und Einbrüchen bestens geschlagen.
Doch nun geht es nur noch um Corona. Diess verkündet gleich zu Beginn der besonderen Pressekonferenz, „dass es an den Standorten unserer Marken unmittelbar auch zu Produktionsunterbrechungen kommen wird“. So sagt der Manager: „Die meisten deutschen und europäischen Werke bereiten sich für eine Produktionsunterbrechung voraussichtlich für zwei Wochen vor.“Volkswagen mit rund 670000 Mitarbeitern ist als größter deutscher Konzern weltweit tätig, entsprechend viele Beschäftigte werden von dem Stillstand der Fertigung betroffen sein. Welche Konsequenzen der Schritt des VW-Vorstands hat, zeigt sich am Beispiel der bayerischen Tochter Audi: Für das Unternehmen sind in Ingolstadt rund 44500 Mitarbeiter tätig. Hinzu kommen in Deutschland am badenwürttembergischen Standort Neckarsulm knapp 17 000 Beschäftigte. Nun soll bis Freitag auch in diesen Werken die Produktion „kontrolliert“heruntergefahren werden, also so, dass sie sich auch wieder problemlos hochfahren lässt. Es drückt eben keiner den Knopf und die Bänder stehen still. Deswegen sind einige Tage notwendig, bis dann am Montag die Produktion vollends ruht. Dann werden nicht mehr wie zuletzt in Ingolstadt mehr als 2000 und in Neckarsulm 890 Wagen am Tag hergestellt. Noch macht das Unternehmen keine Angaben, wie viele Beschäftigte genau von der radikalen Maßnahme betroffen sind. Kenner der Audi-Werke rechnen aber vor, dass in der Produktion rund 28000 Menschen in den süddeutschen Fabriken beschäftigt sind, etwa 18 000 in Ingolstadt und rund 10000 in Neckarsulm. Damit trifft die Entscheidung, die Fertigung runterzufahren, tausende Frauen und Männer. Wie es für sie in den nächsten Wochen weitergeht, diskutieren Vertreter des Arbeitgeber- und Arbeitnehmerlagers. Die Gespräche gestalten sich sicher kompliziert, fallen Löhne doch oft sehr unterschiedlich aus.
Peter Kössler, Vorstand Produktion und Logistik der Audi AG, wirbt um Verständnis bei den Mitarbeitern: „Die aktuelle Lage zwingt uns nun zu den angekündigten Maßnahmen und wird uns weiterhin viel Flexibilität und Solidarität abverlangen.“Doch Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Peter Mosch legt Wert darauf, „dass die finanziellen Risiken für alle Audianerinnen und Audianer minimiert werden“. Gegenüber dem Management stellt er klar: „Wir hoffen dabei auf ein solidarisches und unbürokratisches Entgegenkommen des Unternehmens gegenüber der AudiBelegschaft.“Mosch fordert deshalb „verbindliche Zusagen“. Nach Informationen unserer Redaktion dauern die Verhandlungen noch an. Die Mitarbeiter müssen sich gedulden, ehe sie erfahren, wie sich das alles auf sie finanziell auswirkt. Für den Konzern übt VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Bernd Osterloh Druck auf das Management aus. Nach seiner Ansicht kommt die für Freitag geplante Aussetzung der Produktion an zahlreichen Standorten zu spät: „Wir erwarten jetzt einen geordneten Ausstieg aus der Fertigung.“Zudem müsse das Management detaillierte Pläne für die einzelnen Werke vorlegen. An diesen werde weiter gearbeitet, lässt die Unternehmensleitung wissen.
Die Aufregung ist groß im VWKonzern. Dabei können die Geschäftszahlen für 2019 die Mitarbeiter vielleicht etwas beruhigen. Denn während der Welt-Automarkt in dem Jahr um vier Prozent geschrumpft ist, konnte Volkswagen den Umsatz im Vergleich zu 2018 um 7,1 Prozent auf 252,6 Milliarden Euro steigern. Der Konzern hat damit 10,98 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, immerhin ein Zuwachs von 1,3 Prozent. Und dann gibt es noch eine wirtschaftliche Kenngröße, die viel über die Solidität eines Unternehmens aussagt: Volkswagen verfügt über einen Netto-Cashflow von 10,8 Milliarden Euro und ist damit finanziell bestens ausgestattet.
Diess weiß aber verständlicherweise nicht, wie es jetzt angesichts der Corona-Krise weitergeht. Immerhin stabilisiert sich die Lage in dem für VW wichtigsten Einzelmarkt China. Der VW-Chef berichtet davon, „dass dort mit wenigen Ausnahmen die Fertigungsstätten die Produktion wieder aufgenommen haben und die Auslieferungszahlen im März steigen“. Das ist immerhin ein Hoffnungszeichen, mit dem Diess punkten kann.
Auch bei Daimler stehen wegen des Coronavirus vorerst in vielen Werken die Bänder still. Ein Großteil der Produktion in Europa werde von dieser Woche an für zunächst zwei Wochen geschlossen, teilte der Konzern mit. Betroffen seien die Pkw-, Transporter- und die Nutzfahrzeugproduktion. Der zum VWKonzern gehörende Lkw-Hersteller MAN produziert weiter, beantragt aber Kurzarbeit.