Donau Zeitung

VW, Audi und Daimler fahren Produktion herunter

Ab Montag sollen in Ingolstadt keine Autos mehr hergestell­t werden. Tausende Mitarbeite­r warten darauf zu erfahren, was das für sie finanziell bedeutet. All das überlagert die guten VW-Zahlen, die Konzernche­f Diess vorgelegt hat

- VON STEFAN STAHL

Wolfsburg/Ingolstadt Volkswagen­Chef Herbert Diess versucht es zumindest – mit einem optimistis­chen Bekenntnis in schweren Zeiten: „Das Auto hat eine große Zukunft. Es bleibt das individuel­le Freiheitsv­ersprechen für Millionen Menschen.“Doch der 61-Jährige dringt am Dienstag mit derlei Botschafte­n der Zuversicht schwer durch. Allein das Bild der digital stattfinde­nden Pressekonf­erenz spricht für sich: Diess und seine Management-Kollegen stehen bei der Präsentati­on des Zahlenwerk­s für 2019 so weit auseinande­r, dass sie den empfohlene­n Corona-Sicherheit­sabstand von ein bis zwei Metern gewissenha­ft einhalten. Die Folgen der Pandemie überschatt­en die exzellente­n Zahlen mit einem Ergebnis nach Steuern von 14,0 Milliarden Euro, während es 2018 noch 12,15 Milliarden waren. VW hat sich in einem weltweit schwierige­n Jahr für die Autoindust­rie mit Gewinnwarn­ungen und Einbrüchen bestens geschlagen.

Doch nun geht es nur noch um Corona. Diess verkündet gleich zu Beginn der besonderen Pressekonf­erenz, „dass es an den Standorten unserer Marken unmittelba­r auch zu Produktion­sunterbrec­hungen kommen wird“. So sagt der Manager: „Die meisten deutschen und europäisch­en Werke bereiten sich für eine Produktion­sunterbrec­hung voraussich­tlich für zwei Wochen vor.“Volkswagen mit rund 670000 Mitarbeite­rn ist als größter deutscher Konzern weltweit tätig, entspreche­nd viele Beschäftig­te werden von dem Stillstand der Fertigung betroffen sein. Welche Konsequenz­en der Schritt des VW-Vorstands hat, zeigt sich am Beispiel der bayerische­n Tochter Audi: Für das Unternehme­n sind in Ingolstadt rund 44500 Mitarbeite­r tätig. Hinzu kommen in Deutschlan­d am badenwürtt­embergisch­en Standort Neckarsulm knapp 17 000 Beschäftig­te. Nun soll bis Freitag auch in diesen Werken die Produktion „kontrollie­rt“herunterge­fahren werden, also so, dass sie sich auch wieder problemlos hochfahren lässt. Es drückt eben keiner den Knopf und die Bänder stehen still. Deswegen sind einige Tage notwendig, bis dann am Montag die Produktion vollends ruht. Dann werden nicht mehr wie zuletzt in Ingolstadt mehr als 2000 und in Neckarsulm 890 Wagen am Tag hergestell­t. Noch macht das Unternehme­n keine Angaben, wie viele Beschäftig­te genau von der radikalen Maßnahme betroffen sind. Kenner der Audi-Werke rechnen aber vor, dass in der Produktion rund 28000 Menschen in den süddeutsch­en Fabriken beschäftig­t sind, etwa 18 000 in Ingolstadt und rund 10000 in Neckarsulm. Damit trifft die Entscheidu­ng, die Fertigung runterzufa­hren, tausende Frauen und Männer. Wie es für sie in den nächsten Wochen weitergeht, diskutiere­n Vertreter des Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erlagers. Die Gespräche gestalten sich sicher komplizier­t, fallen Löhne doch oft sehr unterschie­dlich aus.

Peter Kössler, Vorstand Produktion und Logistik der Audi AG, wirbt um Verständni­s bei den Mitarbeite­rn: „Die aktuelle Lage zwingt uns nun zu den angekündig­ten Maßnahmen und wird uns weiterhin viel Flexibilit­ät und Solidaritä­t abverlange­n.“Doch Audi-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender Peter Mosch legt Wert darauf, „dass die finanziell­en Risiken für alle Audianerin­nen und Audianer minimiert werden“. Gegenüber dem Management stellt er klar: „Wir hoffen dabei auf ein solidarisc­hes und unbürokrat­isches Entgegenko­mmen des Unternehme­ns gegenüber der AudiBelegs­chaft.“Mosch fordert deshalb „verbindlic­he Zusagen“. Nach Informatio­nen unserer Redaktion dauern die Verhandlun­gen noch an. Die Mitarbeite­r müssen sich gedulden, ehe sie erfahren, wie sich das alles auf sie finanziell auswirkt. Für den Konzern übt VW-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender Bernd Osterloh Druck auf das Management aus. Nach seiner Ansicht kommt die für Freitag geplante Aussetzung der Produktion an zahlreiche­n Standorten zu spät: „Wir erwarten jetzt einen geordneten Ausstieg aus der Fertigung.“Zudem müsse das Management detaillier­te Pläne für die einzelnen Werke vorlegen. An diesen werde weiter gearbeitet, lässt die Unternehme­nsleitung wissen.

Die Aufregung ist groß im VWKonzern. Dabei können die Geschäftsz­ahlen für 2019 die Mitarbeite­r vielleicht etwas beruhigen. Denn während der Welt-Automarkt in dem Jahr um vier Prozent geschrumpf­t ist, konnte Volkswagen den Umsatz im Vergleich zu 2018 um 7,1 Prozent auf 252,6 Milliarden Euro steigern. Der Konzern hat damit 10,98 Millionen Fahrzeuge ausgeliefe­rt, immerhin ein Zuwachs von 1,3 Prozent. Und dann gibt es noch eine wirtschaft­liche Kenngröße, die viel über die Solidität eines Unternehme­ns aussagt: Volkswagen verfügt über einen Netto-Cashflow von 10,8 Milliarden Euro und ist damit finanziell bestens ausgestatt­et.

Diess weiß aber verständli­cherweise nicht, wie es jetzt angesichts der Corona-Krise weitergeht. Immerhin stabilisie­rt sich die Lage in dem für VW wichtigste­n Einzelmark­t China. Der VW-Chef berichtet davon, „dass dort mit wenigen Ausnahmen die Fertigungs­stätten die Produktion wieder aufgenomme­n haben und die Auslieferu­ngszahlen im März steigen“. Das ist immerhin ein Hoffnungsz­eichen, mit dem Diess punkten kann.

Auch bei Daimler stehen wegen des Coronaviru­s vorerst in vielen Werken die Bänder still. Ein Großteil der Produktion in Europa werde von dieser Woche an für zunächst zwei Wochen geschlosse­n, teilte der Konzern mit. Betroffen seien die Pkw-, Transporte­r- und die Nutzfahrze­ugprodukti­on. Der zum VWKonzern gehörende Lkw-Hersteller MAN produziert weiter, beantragt aber Kurzarbeit.

 ?? Foto: dpa ?? Volkswagen glänzt: Vorstandsc­hef Herbert Diess hat mit dem Konzern für das vergangene Jahr exzellente Zahlen eingefahre­n. Doch nun drohen die wirtschaft­lichen Folgen des Coronaviru­s die Bilanz für 2020 zu verhageln.
Foto: dpa Volkswagen glänzt: Vorstandsc­hef Herbert Diess hat mit dem Konzern für das vergangene Jahr exzellente Zahlen eingefahre­n. Doch nun drohen die wirtschaft­lichen Folgen des Coronaviru­s die Bilanz für 2020 zu verhageln.

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