Donau Zeitung

Söder, der Krisenmana­ger

Bayerns Ministerpr­äsident gibt bei der Bekämpfung des Coronaviru­s bundesweit den Takt vor. Dafür gibt es reichlich Lob – sogar von ungewohnte­r Seite

- VON HENRY STERN

München Markus Söder hat seine Krawatte abgelegt. Er sitzt in seinem Chefsessel in der Staatskanz­lei, hinter ihm das Staatswapp­en an der Wand. Eine Büste von Franz Josef Strauß steht im Regal. „Hallo und Grüß Gott“, sagt er in die Kamera und zieht die Mundwinkel kurz hoch zu einem angedeutet­en Lächeln. Er spricht ruhig und besonnen, doch die Botschaft ist klar: „Corona ist in Bayern angekommen“, sagt er in einer Videobotsc­haft an die Bürger. Und: „Es kommen schwierige Zeiten auf uns zu.“Die Krise sei „ein Charaktert­est für die Gesellscha­ft“, wirbt Söder um Zusammenha­lt. Die Menschen könnten sich aber auf ihn verlassen: „Wir lassen niemanden allein.“

In den schwierige­n Tagen der Corona-Krise scheint Bayerns Ministerpr­äsident zur Höchstform aufzulaufe­n. Fast täglich verkündet er neue Schutzmaßn­ahmen. Er wirbt um Vertrauen und ist öffentlich sehr viel präsenter als etwa die Bundeskanz­lerin. Fünf Pressekonf­erenzen in München und Berlin gab er allein in der vergangene­n Woche. Dazu kamen längere Interviews im Fernsehen oder im Internet-Livestream.

Vor exakt einer Woche verkündete er als erster Ministerpr­äsident ein Verbot von Großverans­taltungen. Die Skepsis, ob dies wirklich nötig ist, war damals groß. Am Freitag war Söder unter den Ersten, die eine vollständi­ge Schließung von Schulen für ihr Bundesland verfügten. Viele andere Länderchef­s stolperten in beiden Fällen zum Teil erst Tage später hinterher.

Montagvorm­ittag dann verfügte Söder schließlic­h den Katastroph­enfall für Bayern, dazu massive Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens. Wenig später folgte ein Maßnahmenp­aket des Bundes. Auch Berlin drängt nun auf vieles, was Söder bereits verkündet hat. Das Muster scheint sich zu wiederhole­n: Bayerns Ministerpr­äsident ist nicht der Vollstreck­er Berliner Vorgaben. Im Gegenteil: Er treibt das bundesweit­e Krisenmana­gement voran.

Dazu passen Berichte von der Ministerpr­äsidenten-Konferenz am vergangene­n Donnerstag, bei der nicht Merkel, sondern Söder und Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn gegen harten Widerstand auf ein schnellere­s Vorgehen gedrungen haben sollen. Und nicht Merkel, sondern Söder erhöht den Druck auf die Zauderer: „Ich glaube, wir brauchen auch ein Stück weit mehr Tempo in der deutschen Politik“, verlangte er Montagaben­d im ZDF.

Lob kommt deshalb sogar von ungewohnte­r Seite: „Ich finde, der Söder macht das gerade gut“, twittert der Grünen-Politiker Cem Özdemir. Auch im Bayerische­n Landtag gibt es viel Zustimmung: „Der Ministerpr­äsident macht in der Krise eine wirklich gute Figur“, findet FDP-Fraktionsc­hef Martin Hagen. Und auch Grünen-Chef Ludwig Hartmann hat nicht viel zu kritisiere­n: „Das Tempo stimmt“, lobt er. Und selbst wenn es im Detail noch knirsche: „Söder macht gerade einen ordentlich­en Job.“

Der Krisenmodu­s kommt Söders Fähigkeite­n entgegen: Er entscheide­t gerne schnell, reagiert auf veränderte Lagen. Was in normalen Zeiten mitunter als Sprunghaft­igkeit kritisiert wird, ist in der Krise eine Qualität. Vor allem aber ist Söder in der Lage, klare politische Botschafte­n zu senden: „Es gibt keinen Anlass zu Panik, aber zu Sorgfalt und Entschloss­enheit“, ist einer der Sätze, die er ständig wiederholt. Oder: „Über notwendige Maßnahmen entscheide­n bei uns die Experten.“Nicht nur in Bayern müsse aber gelten, „dass wir keinen Tag zögern, wenn wir die Empfehlung bekommen, jetzt zu handeln“, verlangt Söder. Schließlic­h können zwei oder drei Tage in Zeiten einer Pandemie eine Ewigkeit sein.

Söder räumt offen ein, wie alle anderen von der Dynamik der Corona-Krise überrollt worden zu sein.

„Ich hätte mir vor zwei Wochen nicht vorstellen können, dass wir einmal so weit kommen“, sagt er. Politik müsse aber führen, gerade in der Krise: „Und da braucht es eben ein, zwei Mutige, die vorangehen.“

Doch die Lage ist zu ernst und Söder Polit-Profi genug, um sich nicht voreilig selbst auf die Schulter zu klopfen. Bayern habe „ein Stück weit Tempo gemacht“, doch er freue sich vor allem, dass andere nun folgen, sagt er am Dienstag fast bescheiden in einer Pressekonf­erenz mit Bundesmini­ster Spahn.

Man darf Söder durchaus abnehmen, dass er derzeit nicht an seinen eigenen Vorteil denkt. Sollte er aber am Ende zu den politische­n Gewinnern dieser Krise gehören, dürfte er dieses Pfund zu nutzen wissen.

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Foto: Sven Hoppe, dpa „Es braucht Mutige, die vorangehen“: Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder mit Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger.

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