Söder, der Krisenmanager
Bayerns Ministerpräsident gibt bei der Bekämpfung des Coronavirus bundesweit den Takt vor. Dafür gibt es reichlich Lob – sogar von ungewohnter Seite
München Markus Söder hat seine Krawatte abgelegt. Er sitzt in seinem Chefsessel in der Staatskanzlei, hinter ihm das Staatswappen an der Wand. Eine Büste von Franz Josef Strauß steht im Regal. „Hallo und Grüß Gott“, sagt er in die Kamera und zieht die Mundwinkel kurz hoch zu einem angedeuteten Lächeln. Er spricht ruhig und besonnen, doch die Botschaft ist klar: „Corona ist in Bayern angekommen“, sagt er in einer Videobotschaft an die Bürger. Und: „Es kommen schwierige Zeiten auf uns zu.“Die Krise sei „ein Charaktertest für die Gesellschaft“, wirbt Söder um Zusammenhalt. Die Menschen könnten sich aber auf ihn verlassen: „Wir lassen niemanden allein.“
In den schwierigen Tagen der Corona-Krise scheint Bayerns Ministerpräsident zur Höchstform aufzulaufen. Fast täglich verkündet er neue Schutzmaßnahmen. Er wirbt um Vertrauen und ist öffentlich sehr viel präsenter als etwa die Bundeskanzlerin. Fünf Pressekonferenzen in München und Berlin gab er allein in der vergangenen Woche. Dazu kamen längere Interviews im Fernsehen oder im Internet-Livestream.
Vor exakt einer Woche verkündete er als erster Ministerpräsident ein Verbot von Großveranstaltungen. Die Skepsis, ob dies wirklich nötig ist, war damals groß. Am Freitag war Söder unter den Ersten, die eine vollständige Schließung von Schulen für ihr Bundesland verfügten. Viele andere Länderchefs stolperten in beiden Fällen zum Teil erst Tage später hinterher.
Montagvormittag dann verfügte Söder schließlich den Katastrophenfall für Bayern, dazu massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Wenig später folgte ein Maßnahmenpaket des Bundes. Auch Berlin drängt nun auf vieles, was Söder bereits verkündet hat. Das Muster scheint sich zu wiederholen: Bayerns Ministerpräsident ist nicht der Vollstrecker Berliner Vorgaben. Im Gegenteil: Er treibt das bundesweite Krisenmanagement voran.
Dazu passen Berichte von der Ministerpräsidenten-Konferenz am vergangenen Donnerstag, bei der nicht Merkel, sondern Söder und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gegen harten Widerstand auf ein schnelleres Vorgehen gedrungen haben sollen. Und nicht Merkel, sondern Söder erhöht den Druck auf die Zauderer: „Ich glaube, wir brauchen auch ein Stück weit mehr Tempo in der deutschen Politik“, verlangte er Montagabend im ZDF.
Lob kommt deshalb sogar von ungewohnter Seite: „Ich finde, der Söder macht das gerade gut“, twittert der Grünen-Politiker Cem Özdemir. Auch im Bayerischen Landtag gibt es viel Zustimmung: „Der Ministerpräsident macht in der Krise eine wirklich gute Figur“, findet FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Und auch Grünen-Chef Ludwig Hartmann hat nicht viel zu kritisieren: „Das Tempo stimmt“, lobt er. Und selbst wenn es im Detail noch knirsche: „Söder macht gerade einen ordentlichen Job.“
Der Krisenmodus kommt Söders Fähigkeiten entgegen: Er entscheidet gerne schnell, reagiert auf veränderte Lagen. Was in normalen Zeiten mitunter als Sprunghaftigkeit kritisiert wird, ist in der Krise eine Qualität. Vor allem aber ist Söder in der Lage, klare politische Botschaften zu senden: „Es gibt keinen Anlass zu Panik, aber zu Sorgfalt und Entschlossenheit“, ist einer der Sätze, die er ständig wiederholt. Oder: „Über notwendige Maßnahmen entscheiden bei uns die Experten.“Nicht nur in Bayern müsse aber gelten, „dass wir keinen Tag zögern, wenn wir die Empfehlung bekommen, jetzt zu handeln“, verlangt Söder. Schließlich können zwei oder drei Tage in Zeiten einer Pandemie eine Ewigkeit sein.
Söder räumt offen ein, wie alle anderen von der Dynamik der Corona-Krise überrollt worden zu sein.
„Ich hätte mir vor zwei Wochen nicht vorstellen können, dass wir einmal so weit kommen“, sagt er. Politik müsse aber führen, gerade in der Krise: „Und da braucht es eben ein, zwei Mutige, die vorangehen.“
Doch die Lage ist zu ernst und Söder Polit-Profi genug, um sich nicht voreilig selbst auf die Schulter zu klopfen. Bayern habe „ein Stück weit Tempo gemacht“, doch er freue sich vor allem, dass andere nun folgen, sagt er am Dienstag fast bescheiden in einer Pressekonferenz mit Bundesminister Spahn.
Man darf Söder durchaus abnehmen, dass er derzeit nicht an seinen eigenen Vorteil denkt. Sollte er aber am Ende zu den politischen Gewinnern dieser Krise gehören, dürfte er dieses Pfund zu nutzen wissen.