Donau Zeitung

„In Bayern muss niemand hungern“

Bauernpräs­ident Walter Heidl lobt den Wert heimischer Erzeugniss­e in der Corona-Krise. Warum er sich aber um manches Gemüse auf den Feldern Sorgen macht

- Interview: Sonja Dürr

Herr Heidl, inmitten der Corona-Krise ist in den Supermärkt­en der Kampf entbrannt. Kunden räumen Regale leer. Die einen hamstern Klopapier und Konserven, andere bevorraten sich mit Brot, Fleisch und Kartoffeln. Ist das noch zu verstehen?

Heidl: Ich habe großes Verständni­s für die Verunsiche­rung der Menschen. Schließlic­h handelt es sich bei der Corona-Pandemie um eine Ausnahmesi­tuation. Aber die Versorgung unserer Bevölkerun­g mit Lebensmitt­eln ist gewährleis­tet. Insbesonde­re unsere bayerische­n Produkte werden aufgrund der kurzen Wege zur Verfügung stehen. Wir sollten nicht in eine totale Hysterie verfallen. Wichtig ist, dass sich die Menschen weiterhin ausgewogen ernähren. Es gibt keinen Grund, nur noch Nahrung aus Konserven zu essen. Eine ausgewogen­e Ernährung ist immer noch die beste Grundlage für unsere Gesundheit.

Auf sozialen Netzwerken weisen Bauern darauf hin, dass die heimische Landwirtsc­haft die Lebensmitt­elversorgu­ng sicherstel­lt und nicht der Handel. Ist das nicht ein falscher Konkurrenz­kampf in diesen Tagen?

Heidl: Die Arbeit auf den Feldern und im Stall ist das erste und wahrschein­lich entscheide­ndste Glied in einer langen Kette. Für die sichere Versorgung der Bevölkerun­g muss die ganze Kette funktionie­ren. Jetzt

wir aber: Eine regionale Lebensmitt­elerzeugun­g ist der Garant dafür, dass wir nicht abhängig sind von internatio­nalen Handelsstr­ömen. Dass die Landwirte vor Ort Lebensmitt­el erzeugen, ist ein hohes Gut. In solchen Situatione­n lernt man das wieder zu schätzen.

Milchprodu­kte und Fleisch stellen die heimischen Landwirte ja genug her. Aber was ist mit anderen Produkten – mit Kartoffeln, Gemüse und Obst? Heidl: Was Rind- und Schweinefl­eisch angeht, sind wir in Bayern gut aufgestell­t. Auch bei Milch, Butter und Käse, Getreide, Kartoffeln und Zucker liegt der Selbstvers­orgungsgra­d deutlich über hundert Prozent. Bei Obst und Gemüse sollten wir uns ein Stück weit darauf besinnen, wie es unsere Großeltern gehandhabt haben. Damals standen auch nicht das ganze Jahr sämtliche Produkte aus aller Herren Länder zur Verfügung. Man hat gegessen, was Natur und Jahreszeit erlaubt haben. Aber noch einmal: In Bayern muss niemand hungern.

Also Feldsalat statt Kopfsalat?

Heidl: Genau. Deshalb fordern unsere Landfrauen seit Jahren ein Schulfach Alltagskom­petenz, um bereits den Kindern dieses verloren gegangene Wissen zu vermitteln.

Auf einem Hof müssen die Tiere ja selbst dann versorgt werden, wenn der Landwirt sich mit dem Coronaviru­s infiziert hat. Gibt es Ausfallplä­ne? Betriebshe­lfer sind ja schwer zu finden. Heidl: Es fehlen hier noch die letzten verbindlic­hen Aussagen. Aber wir tun alles dafür, dass die Versorgung der Tiere gewährleis­tet bleibt. Und deswegen sind genügend Betriebshe­lfer nötig. Ich kann im Moment aber nicht ausschließ­en, dass es hier und da zu Engpässen kommt. Wir bemühen uns aber nach Kräften, gemeinsam Lösungen zu finden.

In der deutschen Landwirtsc­haft sind 300 000 Saisonarbe­itskräfte tätig. Gerade die Spargelbau­ern bangen bereits um Erntehelfe­r aus Osteuropa ... Heidl: Wir steuern auf ein riesiges Problem zu. Es gibt inzwischen zum Thema Corona mehrsprach­ige Informatio­nsblätter für Saisonarbe­itskräfte. Aber was wir brauchen, ist ein Reglement, wie Saisonarbe­itskräfte trotz geschlosse­ner Grenzen nach Deutschlan­d kommen können. Wir sind deswegen bereits in Kontakt mit der Bundesregi­erung und Ministerin Klöckner.

Schon jetzt wird gewarnt, dass Teile der Spargelern­te auf den Feldern bleiben könnten.

Heidl: Das kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlo­ssen werden. Aber nicht nur die Spargelbau­ern haben Probleme, sondern auch Gemerken müsebauern, die in den nächsten Wochen zum Beispiel ihre Gurken aussäen wollen. Viele fragen sich, ob es überhaupt Sinn macht, auszusäen, wenn dann keine Erntehelfe­r zur Verfügung stehen. Die Betriebe bemühen sich zwar, Helfer zu organisier­en. Aber sie brauchen in Coronaviru­s-Zeiten auch klare Aussagen von den Behörden, etwa vom Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung, und flexible, möglichst unbürokrat­ische Lösungen.

Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner hat vorgeschla­gen, dass Beschäftig­te aus der Gastronomi­e aushelfen könnten. Wie sinnvoll ist das? Heidl: Auf unseren Höfen ist jeder willkommen. Vielleicht gibt es auch den einen oder anderen, der sich dafür eignet. Aber eine Lösung ist das nicht: Wir haben vor einigen Jahren schon versucht, Arbeitslos­e auf den Feldern einzusetze­n, und das war wenig erfolgreic­h. Es ist letztlich doch ein Unterschie­d, ob man zum Beispiel als Koch oder Kellner in einer Gaststätte arbeitet oder ob man auf dem Feld Salat erntet oder Spargel sticht.

Walter Heidl, 60, hat in Niederbaye­rn einen Schweinema­stbetrieb. Seit 2012 ist er bayerische­r Bauernpräs­ident.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Kartoffeln, Zwiebeln und Gemüse: Viele Bürger fragen sich, ob es davon auch in den kommenden Wochen noch genug in den Supermärkt­en gibt.
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